Wer kennt es nicht: Im dümmsten Moment macht der Akku des Smartphones schlapp. Und dazu verwendet er Materialien wie Lithium, die nicht im Überfluss vorhanden sind. Eine umwelt- und ressourcenschonende Alternative wäre da sehr willkommen. Möglicherweise ist sie bald da – zumindest in der Theorie.
Dem Physiker Paul Thibado von der University of Arkansas und seinem Team ist es gelungen, einen Schaltkreis zu entwickeln, der Energie aus der thermischen Bewegung von Graphen «ernten» und in elektrischen Strom umwandeln kann. Damit haben die Forscher, die ihre Forschungsresultate in der Zeitschrift «Physical Review E» veröffentlicht haben, eine Quelle sauberer und unbegrenzt verfügbarer Energie erschlossen.
Falls sich das Konzept als alltagstauglich erweisen sollte – dazu müssten Millionen von miniaturisierten Schaltkreisen auf einem Chip von einem Quadratmillimeter Grösse Platz finden –, könnte diese neue Technik als Ersatz für Batterien mit geringem Stromverbrauch dienen und etwa Geräte wie Smartphones, Herzschrittmacher oder Bioimplantate mit Strom versorgen. Und dies, ohne dass die winzigen Membranen aufgeladen werden müssten oder verschleissen.
Graphen ist eine Modifikation des Kohlenstoffs. Die chemische Verbindung besteht aus einer zweidimensionalen Schicht, in der jedes Kohlenstoffatom in einem Winkel von 120° von drei weiteren umgeben ist; dabei entsteht ein bienenwabenförmiges Muster. Seit die Universität von Manchester Graphen im Jahr 2004 erstmals isoliert hat, gilt die Verbindung als Wunderwerk – Graphen ist 200 Mal so stabil wie Stahl und leitfähiger als jede andere Verbindung.
Interessant ist nun, dass eine Graphen-Schicht zwei Bewegungsmuster zeigt: Zum einen ist da die kleinere Brownsche Bewegung, die durch die thermische Bewegung oder Atomschwingung hervorgerufen wird, zum andern verbiegt sich die Schicht gewissermassen und wölbt sich auf und ab. Das Muster, das entsteht, wenn diese kleinen zufälligen Bewegungen sich mit grösseren plötzlichen Bewegungen verbinden, wird Lévy-Flights genannt. Solche Muster treten etwa in der Klimadynamik auf, aber auch in der Bewegung von Menschenmassen. Thibados Team hat sie erstmals in einem anorganischen atomaren System beobachtet.
Während sich Atome in einer Flüssigkeit in alle Richtungen zufällig bewegen, bewegen sich Atome, die in einer Graphenfolie miteinander verbunden sind, gleichzeitig in eine Richtung. Die einzelnen Levy-Flights einer einzigen Welle messen nur 10 Nanometer mal 10 Nanometer, das sind 10 Millionstel Millimeter. Sie könnten aber eine Leistung von 10 Picowatt erzeugen, die mithilfe von Nanotechnologie gesammelt werden könnte.
Bisher galt jedoch die Erkenntnis des Quantenphysikers Richard Feynman, dass die Brownsche Bewegung keine Arbeit verrichten kann. Und in den 1950er-Jahren veröffentlichte der Physiker Léon Brillouin eine Studie, in der er die These widerlegte, wonach das Hinzufügen einer einzelnen Diode zu einem Stromkreis die Lösung für die Energiegewinnung aus der Brownschen Bewegung sei. Thibado und sein Team bauten jedoch zwei Dioden in ihren Schaltkreis und wandeln Wechselstrom in Gleichstrom um. Auf diese Weise erzeugen sie einen pulsierenden Gleichstrom, der Arbeit an einem Lastwiderstand leistet.
Dass Thibados mikroskopische Membran die atomare Bewegung des Graphens nutzt, um einen elektrischen Strom zu erzeugen, der nicht versiegt, scheint auf den ersten Blick den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zu verletzen. Dem sei aber nicht so: Zwar leistet die thermische Umgebung Arbeit am Lastwiderstand, doch Graphen und Schaltkreis weisen dieselbe Temperatur auf; das heisst, es fliesst keine Wärme zwischen den beiden. Eine Temperaturdifferenz hingegen würde den zweiten thermodynamischen Hauptsatz in der Tat verletzen.
Das Team um Thibado will sich nun mit der Frage beschäftigen, ob und wie sich der Gleichstrom in einem Kondensator speichern lässt, damit er später verwendet werden kann. (dhr)
"Jede Technologie, egal wie primitiv, ist Magie in den Augen derer, die sie nicht verstehen."
Hört endlich auf mit dem Wort unmöglich in der Wissenschaft.