Erfindungsreich ist der Mensch – leider auch dann, wenn es darum geht, seinesgleichen umzubringen. Es kann daher niemanden wirklich verwundern, dass Menschen für ihr mörderisches Treiben schon in prähistorischer Zeit Tiere als Hilfsmittel verwendet haben. Die Geschichte dieser unfreiwilligen Helfer im Krieg der Menschen ist lang, und sie reicht bis in die Gegenwart.
Schon aus dem Alten Orient gibt es Berichte über den Einsatz von Tieren im Krieg. Die Assyrer und Babylonier sollen Kampfhunde mit in die Schlacht geführt haben. Und der persische König Kambyses II., so sagt es die Legende, liess bei der Schlacht bei Pelusium 525 v. Chr. Katzen vor seinen Soldaten hertreiben – diese Tiere waren seinen ägyptischen Feinden heilig, die prompt die Schlacht verloren.
Das wichtigste Tier in militärischer Hinsicht war zweifellos das Pferd. Über Jahrhunderte war die Kavallerie ein unverzichtbarer Teil der Kriegsführung; noch im Zweiten Weltkrieg transportierten beispielsweise vornehmlich Pferde den Nachschub für die deutschen Truppen an die Front. Rund 2,8 Millionen Pferde «dienten» allein in der Wehrmacht; fast zwei Drittel davon kamen um. Neben Pferden spielten auch Hunde und Brieftauben – letztere mehr im Ersten Weltkrieg – eine wichtige Rolle.
Der zunehmend mechanisierte Krieg verdrängte dann die tierischen Helfer zusehends, doch sogar heute noch setzen verschiedene Armeen Tiere ein – so die US-Marine, die Meerestiere zum Aufspüren von Minen verwendet. Diese unvollständige Übersicht zeigt, welche Tiere im Krieg eingesetzt wurden.
Pferde waren zweifelsohne eines der ältesten und vor allem das wichtigste tierische Hilfsmittel: Schon seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. zogen sie die Streitwagen der Hethiter, Assyrer, Perser, Ägypter und anderer antiker Völker. Später, ab dem 9. Jahrhundert v. Chr., dienten Pferde auch als Reitpferd im Kampf und es entwickelte sich eine eigene Truppengattung: die Kavallerie. Reiternomaden wie etwa die Mongolen verdankten ihren Aufstieg dem Pferd. Besonders im europäischen Mittelalter bildete die gepanzerte Reiterei zugleich auch eine eigene soziale Klasse: die Ritter.
Selbst im industrialisierten Krieg der Moderne wurden Pferde in hoher Zahl eingesetzt. Das Maschinengewehr machte die Kavallerie im Stellungskrieg zwar nahezu obsolet, aber in den Materialschlachten des Ersten Weltkriegs transportierten Pferde Granaten und dienten als Zugtiere für die Artillerie. Sie brachten Verwundete ins Lazarett und Lebensmittel zu den Soldaten an der Front. Acht Millionen Pferde verendeten im Ersten Weltkrieg.
Heutige Streitkräfte setzen Pferde nur noch äusserst selten ein, etwa in schwierigem Gelände. Ein Beispiel dafür ist der Train der Schweizer Armee. Manchmal werden im unwegsamen Gelände aber auch Maultiere eingesetzt; so brachten etwa die USA in den Achtzigerjaren texanische Maultiere ins Grenzgebiet von Afghanistan und Pakistan, um die Mudschaheddin im Kampf gegen das kommunistische Regime zu unterstützen.
Hunde können leicht dressiert und für vielfältige Aufgaben eingesetzt werden. Als Kampfhunde wurden sie vornehmlich in der Antike eingesetzt, oft wurden sie dabei mit Rüstungen oder einem stachelbesetzten Halsband versehen. In modernen Armeen dienten sie hingegen oft als Meldehunde, die ähnlich wie Brieftauben Botschaften überbrachten. Hunde fanden auch als Sanitätshunde Verwendung, die Verletzten auf dem Schlachtfeld medizinische Hilfsmittel brachten. Sie konnten dank ihrer feinen Nase vor Giftgas warnen oder als Patrouillenhunde vor Feinden.
An einer speziellen Form des Einsatzes von Hunden versuchte sich die Rote Armee im Zweiten Weltkrieg: Die Sowjets trainierten die gelehrigen Vierbeiner dazu, unter feindliche Panzer zu kriechen. Die Hundetrainer versteckten Futter unter den eigenen Panzern und brachten die Hunde so dazu, unter die Stahlungetüme zu kriechen. Im Einsatz gegen die deutschen Panzer trugen diese Panzerabwehrhunde dann einen Sprengsatz mit einem Knickzünder auf dem Rücken.
Die perfide Rechnung ging jedoch nur selten auf; die benzinbetriebenen deutschen Panzer rochen anders als die russischen Diesel-Tanks. Daher rannten die Hunde oft zurück, auf die eigenen Panzer zu, und säten so Panik unter den eigenen Mannschaften. Die Deutschen schossen überdies systematisch alle Hunde im Frontbereich ab, um dieser Gefahr zu begegnen.
Da Hunde gut dressiert werden können, Dinge zu suchen, setzt man sie heute noch zuweilen als Minenhunde zur Räumung von Minen oder zur Suche nach Munition und Sprengstoffen ein.
Oft als «Ratten der Lüfte» verächtlich gemacht, dienten Tauben zahlreichen Armeen als schnelle Botentiere, die grosse Distanzen zurücklegen konnten. Schon Cäsar machte sich den ausgeprägten Orientierungssinn dieser Zugvögel im Gallischen Krieg zunutze. Tauben können bis zu 100 Kilometer pro Stunde fliegen und besitzen einen hervorragenden Sehsinn.
Besonders im Ersten Weltkrieg wurden Brieftauben in grosser Zahl sowohl von den Entente-Mächten wie den Deutschen eingesetzt; allein auf deutscher Seite sollen es mehr als 120'000 Vögel gewesen sein. Man gewöhnte die Tauben an mobile Holzkisten als Heimatschlag und stellte diese 15 bis 20 Kilometer hinter der Front auf. Während der Einsätze wurden sie in kleinen Körben an die Front mitgenommen. Bei Bedarf konnte man sie mit Botschaften zurück in die Etappe schicken.
Ihr Einsatz war besonders wertvoll, wenn die Kommunikation über Telefon- und Telegrafenleitungen durch feindliche Einwirkung unterbrochen war. Im Oktober 1918 rettete die Brieftaube Cher Ami fast 200 amerikanischen Soldaten das Leben, als sie die Nachricht überbrachte, dass diese Truppe unter Sperrfeuer der eigenen Artillerie lag. Die bei ihrem Flug schwer verletzte Taube erhielt das Croix de guerre und wurde nach ihrem Hinschied ausgestopft.
Die deutschen Truppen setzten die Tauben aber auch zur Luftaufklärung ein. Ihnen wurde eine kleine Kamera umgehängt, die beim Flug über die Frontlinien zu vorher bestimmten Zeiten automatisch auslöste.
Kriegselefanten – bevorzugt wurden männliche Tiere, die schwerer und aggressiver waren – trugen befestigte Aufbauten, aus denen Speerwerfer und Bogenschützen die Feinde attackierten. Sie verstanden bis zu 30 Kommandos, darunter auch jenes zum «Zertrampeln der Feinde». Elefanten waren jedoch sehr teuer im Unterhalt, denn sie benötigten grosse Mengen an Wasser und Nahrung, für deren Verzehr sie zudem mehrere Stunden pro Tag benötigten.
Die mächtigen Tiere wurden in verschiedenen Schlachten eingesetzt. Der weitaus bekannteste fand im Zweiten Punischen Krieg zwischen Rom und Karthago statt: Der karthagische Feldherr Hannibal überquerte mit seinen Dickhäutern 218 v. Chr. die Alpen und brachte den Römern in Italien mehrere vernichtende Niederlagen bei, bevor sich das Blatt wendete und Rom den Krieg gewann. Die Römer passten sich schnell an die Bedrohung durch die Elefanten an; sie bildeten Gassen in ihren Reihen, durch die sie die Elefanten vorstossen liessen, um sie dann von allen Seiten anzugreifen. Ohnehin überlebten die Elefanten im ungewohnten Klima des norditalienischen Winters nicht lange – 217 v. Chr. lebte nur noch eines von ursprünglich 37 Tieren.
Die Römer waren allerdings schon früher Kriegselefanten begegnet. Im Krieg gegen König Pyrrhos (280–275 v. Chr.) sollen sie die Dickhäuter mit einer perfiden List in die Flucht geschlagen haben: Sie rieben Schweine mit einer brennbaren Tinktur ein, setzten sie in Brand und trieben sie auf die Elefanten zu, die durch die vor Schmerz quiekenden Schweine in Panik gerieten und durch die eigenen Reihen davon stürmten. Wie auch immer; mit der Zeit wurden die Elefanten immer weniger im Krieg eingesetzt, auch weil sie zu teuer im Unterhalt waren.
Schon in den Sechzigerjahren, im Zuge des Rüstungswettlaufs während des Kalten Krieges, richteten die Amerikaner und die Sowjets Programme zur Verwendung von Delfinen in ihrer Marine ein. Die Amerikaner setzten sie im Vietnamkrieg und im Irakkrieg ein; die Russen verwenden offenbar aktuell Delfine, um ihre Flotte im Schwarzmeerhafen Sewastopol auf der Krim zu schützen. Auch die israelische Marine setzt Delfine ein.
Die intelligenten und geschickten Meeressäuger können sich unter Wasser mit dem Echo von hochfrequenten Klicklauten orientieren, die sie ausstossen. Die US-Marine trainierte die Tiere darauf, mittels dieser Echoortung Seeminen aufzuspüren und mit einer freigesetzten Boje zu markieren. Auf diese Weise kann ein sicherer Korridor für die Durchfahrt von Schiffen markiert werden. Mit Kameras ausgerüstet können die Delfine auch dazu eingesetzt werden, U-Boote auszuspähen.
Auch zum Angriff auf feindliche Froschmänner werden Delfine trainiert. Die Trainer der US-Marine brachten ihnen bei, den Tauchern das Mundstück zu entreissen und sie mit Messern anzugreifen, die an den Flossen der Tiere befestigt wurden. Neben Delfinen trainieren die Seestreitkräfte der USA und Russlands auch Robben, etwa Seelöwen.
Ratten waren stets Begleiter des Kriegs, freilich durchaus unwillkommene. In den Schützengräben des Ersten Weltkriegs waren sie eine derartige Plage, dass die Offiziere den Mannschaften aus Sorge um den Munitionsvorrat verbieten mussten, auf die verhassten Nager zu schiessen. Heute aber werden Ratten zum Aufspüren von Minen ausgebildet und eingesetzt. Riesenhamsterratten können Sprengstoff am Geruch erkennen und zeigen dann ihren Fund durch Kratzen am Boden an. Die Nagetiere sind viel leichter zu züchten als Minensuchhunde, und sie lassen sich auch leichter transportieren und kostengünstiger ernähren. Überdies lösen sie durch ihr vergleichsweise geringeres Gewicht keine Minen aus.
Es dauert etwa sechs bis zwölf Monate, bis eine Riesenhamsterratte für ihre Aufgabe ausgebildet ist. Seit zwanzig Jahren sind sie in Mosambik im Einsatz, seit 2010 auch in Thailand und mittlerweile auch in Kambodscha. Die Suche nach Minen ist eine wichtige Aufgabe, denn diese heimtückischen Überbleibsel von Kriegen bleiben lange nach dem Ende eines Konflikts eine tödliche Gefahr, die weltweit jedes Jahr hunderte von Todesopfern fordert.
Bereits lange vor der römischen Zeit wurden Kamele und Dromedare im militärischen Bereich als Reit- und Lasttiere eingesetzt. Domestiziert wurde das Dromedar bereits zwischen 2000 und 1000 v. Chr. auf der Arabischen Halbinsel. Die Römer nutzten sie in ihren östlichen und südlichen Wüstenprovinzen als Last- und Reittiere; die berittenen Hilfstruppen hiessen Dromedarii. Vereinzelt brachten die Römer die Wüstentiere sogar auf die Alpennordseite, wie ein 2018 in Basel gefundener Kamel-Unterkiefer zeigt.
Die weiträumige und schnelle Expansion der muslimischen Araber beim Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter verdankte sich zu Teilen diesem genügsamen Tier, auch wenn die schnelle arabische Reiterei militärisch wichtiger war. Der Umgang mit den Dromedaren war nicht gerade zimperlich, wie eine Legende über den arabischen Feldherrn Chalid Ibn al-Walid zeigt: Als er mit seiner Truppe eine weite Strecke durch die Wüste zurücklegen musste und nicht über genügend Wassersäcke verfügte, liess er beim letzten Wasserloch 20 Kamelstuten durstig machen, indem er ihnen in die Lippen stechen liess. Nachdem die Tiere so viel getrunken hatten, dass ihre Bäuche prall waren, wurden ihre Mäuler zugebunden. Als die Wasservorräte zur Neige gingen, liess Chalid den Tieren den Bauch aufschlitzen, und die Männer und Reittiere tranken ein paar Schlucke aus dem Mageninhalt.
Auch Napoleon Bonaparte nutzte während seiner Expedition nach Ägypten eine Kamelreiterei, das Régiment de Dromadaires. Und die Briten nutzten die Tiere im Ersten Weltkrieg auf ihren Feldzügen im Sinai und Palästina, etwa für den Transport von Verwundeten.
Die genannten Tierarten sind bei weitem nicht die einzigen, die von Menschen für kriegerische Zwecke eingespannt wurden oder immer noch werden. Selbst Schlangen sollen laut antiken Berichten als «Biowaffe» eingesetzt worden sein: Der von den Römern geschlagene Hannibal, der nach Bithynien in Kleinasien geflohen war und den König dieses Reiches beriet, gewann dank dieser Reptilien eine Seeschlacht gegen die Flotte von Pergamon. Er liess eine grosse Menge Schlangen einsammeln und in Tongefässen auf den Schiffen mitführen. Als die Schlacht begann, schleuderten die Bithynier die Tonkrüge auf das feindliche Flaggschiff – mit durchschlagendem Erfolg.
Manche Tiere – meist Katzen oder Hunde – wurden nicht zur Unterstützung im Kampf verwendet, sondern dienten den Soldaten als Maskottchen. Katzen erfüllten beispielsweise auf den Schiffen der britischen Flotte oft eine doppelte Funktion als Mäusejäger und tierischer Kamerad. Eine polnische Einheit, die im Zweiten Weltkrieg in der britischen Armee kämpfte, besass sogar einen Bären als Maskottchen. Andere Tiere wie Kanarienvögel dienten im Ersten Weltkrieg als Gasmelder
In den Kriegen der Menschheit starben Millionen von Tieren. Für sie alle gilt, was auch auf die allermeisten menschlichen Kriegsteilnehmer zutrifft: Sie hatten keine Wahl.