Es klopft an der Tür. Es ist der Pfarrer, der örtliche Indian Agent oder ein Polizist. Sie sind gekommen, um die Kinder der Indigenen, der Inuit und der Métis zu holen. Der Bus zur Internatsschule fährt an diesem Morgen los. Fährt sie in ihr neues, fremdes Leben abseits ihrer Familien.
Im Norden der Provinz Alberta kämpft Vitaline Elsie Jenner darum, bei ihrer Mutter zu bleiben. Sie schreit und tobt, «Mama, verlass mich nicht!» Dann nimmt sie die Nonne mit.
Dort, wo sie nun hinkommt, darf sie kein Cree mehr sprechen. Sie wird nicht mehr essen, nicht mehr riechen und sehen, was sie kennt. Alles Vertraute ist auf einen Schlag weg. Da ist bloss dieses riesige Haus mit den Frauen davor, die in lange schwarze Umhänge mit weissen Kragen gekleidet sind und ihnen die Kleider, die Haare, die Namen nehmen.
Brüder wurden von Brüdern, Schwestern von Schwestern und Brüder von Schwestern getrennt. Man sorgte dafür, dass ihnen alles genommen wurde, was ihr Leben bisher geprägt hatte.
Was auch immer für Gefühle jene Kinder vor diesem Tag begleitet haben mochten, nun war es nur noch eines: Angst. Angst vor Demütigungen, Angst vor Schlägen und Missbrauch. Angst vor den Aufsehern, den Lehrern und den Mitschülern.
Einige der mindestens 150'000 Kinder, die über ein Jahrhundert lang ihren Familien entrissen wurden, landeten in der Internatsschule in Kamloops.
Dort, wo man kürzlich die Überreste von 215 Kindern fand. Manche von ihnen wurden nur drei Jahre alt. Woran sie starben, ist noch nicht klar. Ihr Tod wurde nie dokumentiert.
1883 markiert den Beginn des kulturellen Völkermords an den First Nations in Kanada.
Es war das Jahr, in dem der Premierminister Sir John A. Macdonald den Bau der sogenannten Residential Schools für Indigene im Westen des Landes autorisierte. 139 sollten es am Ende sein, die letzte schloss 1996.
«Wenn die Schule im Reservat ist, lebt das Kind mit seinen Eltern, die Wilde sind; es ist von Wilden umgeben, und obwohl es vielleicht lesen und schreiben lernt, sind seine Gewohnheiten, seine Erziehung und seine Denkweise indianisch. Es ist dann einfach ein Wilder, der lesen und schreiben kann. Es wurde mir als Leiter des Ministeriums ausdrücklich nahegelegt, dass Indianerkinder so weit wie möglich dem elterlichen Einfluss entzogen werden sollten, und die einzige Möglichkeit dazu wäre, sie in Schulen zu stecken, wo sie die Gewohnheiten und Denkweise der Weissen lernen.»
Sir John A. Macdonald im Unterhaus, 1883
Es galt, sie zu zivilisieren. Der Staat übergab diese Aufgabe der Kirche, deren Personal billig war, weil es sich nicht wegen der Bezahlung, sondern vielmehr aus missionarischem Eifer heraus für die Umerziehung einsetzen liess.
Unter dem Deckmantel der «civilizing mission» geschahen in der ganzen Welt Verbrechen an indigenen Bevölkerungsgruppen. Begangen von Europäern, die im 15. Jahrhundert damit begannen, die Meere zu überqueren und neue Kontinente zu entdecken. Neue Quellen unvorstellbaren Reichtums erschlossen sich damit für die alten Monarchien. Es war der Anfang einer von Europa dominierten Weltwirtschaft, die auf der Ausbeutung ihrer Kolonien beruhte. Erst Spanien und Portugal, im 17. Jahrhundert folgte Holland, zwei Jahrhunderte später war Frankreich zur zweitgrössten Kolonialmacht aufgestiegen, während das British Empire im ausgehenden 19. Jahrhundert fast ein Viertel der Erde beherrschte.
Auch die Kirche beteiligte sich rege im Kampf um neue Besitztümer. Es war Papst Alexander VI., der damals die Welt einteilte, als sich nach Kolumbus' Entdeckungsfahrten Spanien und Portugal um die Gebiete der Neuen Welt zankten. Er zog einen Stich vom Nord- zum Südpol, quer durch den Atlantik, 370 Léguas (ca. 2282 Kilometer) westlich der westlichsten Kapverdischen Inseln und sprach alle Inseln und Länder westlich dieser Linie dem Hoheitsgebiet der Katholischen Könige Isabella und Ferdinand zu. Die östliche Hemisphäre wiederum gab er in die Hände des portugiesischen Königs Johann.
Solche alten Karten zeigen schön die Vorstellung von der Verfügbarkeit der Welt auf: Man behandelte die neu entdeckten Gebiete als «terra nullius», als Niemandsland. Bevor sie die Europäer nicht kannten, nicht kartographisch festhielten und benannten, existierten sie nicht. In jener Doktrin besassen die Ureinwohner jener Gebiete den Boden nicht, sie besetzten ihn lediglich. Wahres Besitzen heisst kultivieren. Es gehört dem, der das wilde, ungezähmte Land zu erfassen vermag, dem, der es durchmisst, aufteilt, ordnet, bebaut und so in die Zivilisation überführt.
Die Menschen aber, die sich ursprünglich darauf befanden, störten. Sie versperrten europäischen Siedlern den Weg und sassen auf den Schätzen, die es in die Heimat abzutransportieren galt. Cortés löschte die Azteken, Pizarro die Inkas aus. Millionen von Afrikanern wurden versklavt und als Zwangsarbeiter auf Zuckerrohr-, Baumwoll-, Kaffee-, Kakao- und Tabakplantagen nach Amerika verschifft.
Im Norden handelte man allerhand Verträge mit verschiedenen Indianervölkern aus, ohne sich daran zu halten. Und während die Siedlerkolonien dort allmählich zu wohlhabenden Gesellschaften heranwuchsen, immer grösser wurden und schliesslich politische Unabhängigkeit erlangten – die USA 1776 und Kanada 1867 –, fuhren sie damit fort, der indigenen Bevölkerung das Land unter den Füssen wegzurauben und ihnen immer kleiner werdende Reservate zuzuweisen.
Der kulturelle Überlegenheitshabitus, mit dem die Europäer und deren Nachfahren in den USA und in Kanada gegenüber den Natives auftraten, diente dabei als Herrschaftslegitimation. Hier die zivilisierten Weissen, dort die primitiven Roten, Braunen, Schwarzen. Man war gekommen, jene Wilden auf dieselbe Entwicklungsstufe zu heben.
Denn Darwins Evolutionstheorie hatte ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch alle Sozial- und Geisteswissenschaften befruchtet, woraufhin die Ethnologie bald ein Stufenmodell gebar, dass von einer linearen Entwicklung der Menschheit ausging. Diese sei zu allen Zeiten und bei allen Gesellschaften dieselbe; vom Einfachen zum Komplexen. Vom Natur- zum Kulturvolk. Dazu gehörte wesentlich auch die religiöse Entwicklung; weg von den «Naturreligionen» hin zum Christentum. Die armen Seelen der dem Animismus oder einem sonstigen Aberglauben anhängenden Heiden mussten vor der Verdammnis gerettet werden.
Hier kamen dann auch die diversen katholischen und reformierten Missionare ins Spiel, die noch in den entlegensten Ecken der Welt und nicht selten mit gewaltsamen Mitteln unzählige «Primitive» dem Heil zuzuführen suchten.
Solche eurozentrischen Überlegenheitskonzepte hierarchisierten fortan die Welt und am äussersten Ende jener scheinheiligen Errettungsrhetorik stand die Ausrottung unzähliger indigener Völker. Bald mischten sich diese mit rassistischem Gedankengut, das, sich im Gewand der Wissenschaft kleidend, die angeblichen Defizite gewisser Menschen nun am Blut festzumachen begann. Ein Emporkommen auf dieselbe Entwicklungsstufe war so nicht mehr möglich. Und wozu ein technisch vollends entwickeltes, bürokratisch durchorganisiertes und nach seiner Rassenideologie systematisch agierendes Reich fähig ist, dessen führende Partei sich selbst als «Herrenrasse» definiert, hat der Holocaust gezeigt.
Im Schatten solcher Ideen wurden auch die Residential Schools in Kanada gegründet.
Mit dem «Indian Act» setzte sich die Regierung ab 1920 ins Recht, die Kinder der First Nations auch gegen ihren Willen und den ihrer Eltern in jene von der Kirche geführten Einrichtungen zu zwingen.
Dieses Gesetz regelte seit seiner Erlassung im Jahr 1876 alle Belange in Bezug auf die Indianer. Es bestimmte, wer ein Indianer ist und wer nicht: Wenn Frauen einen Nichtindianer heirateten, verloren sie ihren Status, ebenso Männer, die einen Uniabschluss machten.
Die verschiedenen Änderungen des Indian Acts dokumentieren die von der kanadischen Regierung verfolgte Politik des kulturellen Völkermordes: Nach und nach verbot man die Feste und spirituellen Praktiken der Indigenen, man nahm ihnen das Recht auf Selbstverwaltung, setzte Häuptlinge und Ratsmitglieder ab. Man schränkte die Möglichkeiten der Farmer ein, ihre Ernte zu verkaufen und Kredite aufzunehmen. Und man verfügte über das Reservatsland, in manchen Fällen liess man die Bewohner zwangsumsiedeln.
Die Verschärfung des Gesetzes 1920 zielte darauf ab, den Indianern ihren Status gegen ihren Willen abzuerkennen:
Alles Indianische sollte vernichtet werden – damit versuchte die Regierung, sich ihrer rechtlichen und finanziellen Verpflichtungen gegenüber der First Nations zu entledigen, während sie sich ihr Land und ihre Ressourcen aneignete.
Und so wurden den Natives die Kinder entrissen. Ihre kulturellen Werte sollten zerstört, die Weitergabe an die nächste Generation verhindert werden. Dafür waren die Internate da. Sie mochten sich als Bildungseinrichtungen ausgeben, am Ende ging es allein darum, indianische Identitäten vollends auszulöschen.
Auch das Essen schmeckte nicht nach Heimat. In diesem neuen Leben, das die Kinder seit ihrer Ankunft im Internat zu führen gezwungen waren, gab es nichts mehr, dass sie an Zuhause erinnerte.
Die Abendessen in der File Hills Residential School in der Provinz Saskatchewan bestanden aus wässriger, geschmackloser Suppe. Fleisch gab es nie. Einen Winter lang, so erinnert sich Eleanor Brass, gab es jeden Tag Fisch. Um ihre karge Ernährung zu ergänzen, jagten die Jungen bei schönem Wetter Erdhörnchen und rösteten sie über offenem Feuer. Manchmal teilten sie diese mit den Mädchen in der Schule.
Andere fingen an, in den Kantinen zu arbeiten oder im Speisesaal des Personals, denn da kamen sie an deren Reste ran, die immer noch viel besser waren als das, was den Schülern vorgesetzt wurde.
Und wer es nicht schaffte, das Dosenfutter und den labbrigen Fisch herunterzuwürgen, der wurde dazu gezwungen.
Die Mangelernährung schwächte die Kinder und machte sie anfällig für Krankheiten. Die aus billigen Materialien gebauten Schulen taten ihr Übriges. Belüftungssysteme und Heizungen gab es nicht oder kaum, die sanitären Anlagen waren in einem desolaten Zustand und das Wasser verschmutzt. Selbst Feuerschutzmassnahmen fehlten, so dass im Laufe ihrer Existenz 53 Schulen abbrannten. Mindestens 40 Schüler starben in den Flammen.
Die Internate waren Feuerfallen und Krankheitsinkubatoren. Die genaue Anzahl an Kindern, die dort ihr Leben liessen, wird wohl nie bekannt sein. Die Dokumente dazu fehlen, sie wurden grösstenteils vernichtet. Und der Rest weist riesige Lücken auf. Die Schulleiter schrieben gemeinhin nicht mehr als die Zahl verstorbener Kinder in ihren Jahresbericht. Namen schienen nicht von Belang zu sein. Und manchmal starben Kinder, ohne dass ihr Ableben je in irgendeiner Form verzeichnet worden wäre.
Insgesamt geben die noch vorhandenen Dokumente den Tod von 3201 Kindern preis. Die grosse Mehrheit, 2434 von ihnen, starb im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. 74 Prozent an Tuberkulose, doch bei fast der Hälfte der dokumentierten Fälle fehlt die Angabe zur Todesursache.
Die Sterberate war nicht nur in den Residential Schools so hoch, sondern generell unter der indigenen Bevölkerung. Eine direkte Folge der kanadischen Landraub-Politik, die auch die Nahrungsversorgung der in den Reservaten lebenden Menschen drastisch verschlechterte.
1906 war die Todesrate der First Nations doppelt so hoch wie die der allgemeinen kanadischen Bevölkerung, in manchen Provinzen sogar dreimal höher.
Am Ende wurde nichts unternommen, was die Situation massgeblich verbessert hätte. Die Gesundheit der indigenen Bevölkerung hatte für die kanadische Regierung keine Priorität. Und die im Lande wütende Tuberkulose wurde so lange ignoriert, bis sie auch die kanadische Bevölkerung zu bedrohen begann.
Es war nun mal der Preis, den die Indianer zu zahlen hatten, damit sie zivilisiert würden, hiess es. In Wahrheit war es der Preis, den sie zahlten, kolonisiert worden zu sein.
Wie in einem Gefängnis sei es gewesen, so beschreiben viele Überlebende ihr Internatsleben. Die disziplinarischen Massnahmen, unter denen sie zu leiden hatten, wären an keiner der allgemeinen Schulen geduldet worden.
Es gab keine Grenzen. Die Gewalt in jenen Mauern uferte aus. Kinder wurden von ihren Aufsehern gedemütigt, an die Wand geschleudert, getreten, mit Stöcken und Peitschen geschlagen, in Keller gesperrt, kahl rasiert, vergewaltigt – während der Beichte in der Kirche, in den Umkleidekabinen, den Duschräumen, der Kantine.
Viele verstanden nicht, was ihnen da zugefügt wurde, und diejenigen, die es begriffen, dachten, sie wären damit allein. Wieder andere wurden bedroht mit ewigen Höllenqualen, wenn sie jemandem davon erzählten. Andere schämten sich sowieso zu sehr und dachten, sie wären selbst schuld. Manchen, die den Mut fanden, über ihren Missbrauch zu sprechen, wurde nicht geglaubt. Besonders Eltern, die zum Christentum konvertiert waren, konnten sich nicht vorstellen, dass Gottesleute zu solch schrecklichen Dingen in der Lage wären.
Einige brachen lange nach der erlebten Misshandlung ihr Schweigen und sorgten dafür, dass ihre Peiniger bestraft wurden. 40 Gewalt- und Sexualverbrecher wurden auf ihr Betreiben hin verurteilt.
Viele aber kamen davon. Weil Beschwerden ignoriert und Missbräuche vertuscht worden waren. Von der Regierung und von der Kirche. An der Grollier Hall Residential School in Inuvik verging seit ihrer Eröffnung 1958 bis 1979 kein Jahr, in dem kein Schlafsaal-Aufseher eingestellt worden wäre, der später nicht wegen sexuellen Missbrauchs von Schulkindern verurteilt worden wäre.
Ein eindeutiges Tätermuster gab es nicht. Jungen und Mädchen wurden gleichermassen Opfer von Übergriffen, begangen von Mitarbeitern sowohl des anderen als auch des gleichen Geschlechts wie sie selbst.
48 Prozent der ehemaligen Internatskinder stellten einen Entschädigungsanspruch wegen physischen und sexuellen Missbrauchs an die Regierung. Und das waren bloss diejenigen, die vor Mai 2005 noch lebten.
Gewalt war an diesen Schulen die Norm. Umarmungen gab es nicht, nur Schläge. Und diese wurden weitergegeben. Die stärkeren Schüler liessen ihre Wut und ihren Sadismus an den Schwächeren aus. Schüler zwangen Schüler, ihr Essen und ihr Geld abzugeben oder an sexuellen Handlungen teilzunehmen. Die Neuankömmlinge wurden verprügelt, so sah der Initiationsritus aus.
Willkommen in deinem neuen Leben.
Einige Kinder liefen davon. Und einige von ihnen schafften es tatsächlich nach Hause und weigerten sich erfolgreich, in die Schule zurückzukehren.
Andere nicht.
Der Fluchtversuch von 33 Schülern endete tödlich. Die meisten starben an Erschöpfung, was hätte verhindert werden können, wenn nach den Ausreissern gesucht worden wäre.
Mindestens 37 Kinder haben versucht, ihre Schule niederzubrennen. Zwei dieser Verzweiflungstaten endeten mit toten Schülern und Personal.
Gegen ein solches von oben dirigiertes System anzukommen, war schwer. Jegliche Zuwiderhandlungen wurden mit Strafmassnahmen belegt. Und dennoch geschah es immer wieder, dass Eltern ihre Kinder gar nicht erst für die ab 1920 obligatorisch gemachten Residential Schools einschrieben. Diese Strategie war sogar so effektiv, dass manch eine Schule ihre Tore wegen zu geringer Schülerzahlen schliessen musste.
Damit untergruben die Eltern nicht nur die Assimilationspolitik der Regierung, sondern beraubten die Schulen auch der Pro-Kopf-Zuschusseinnahmen und der Arbeitskraft der Schüler. Allerdings bekamen die dadurch entstandenen Defizite am Ende wieder die in den Internaten verbliebenen Kinder zu spüren.
Für die allermeisten Familien hiess der Nichtbesuch jener Schulen aber, dass ihre Kinder nicht lesen und schreiben lernten. Und so setzten sich viele dafür ein, wenigstens deren Infrastruktur zu verbessern, die Versorgung der Schüler mit genügend und gesundem Essen zu gewährleisten oder sie gänzlich durch Tagesschulen in ihren Gemeinden zu ersetzen. Doch diese Versuche wurden von der Regierung grösstenteils unterbunden, sie galten ihr als indianisch; als schädlich und rückständig.
Die letzte Residential School schloss 1996. Den First Nations, Inuit und Métis wurden Entschädigungsgelder für das erlittene Unrecht gezahlt. Die Vereinigte Kirche, der Missionsorden der Katholischen Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria, die Anglikanische und die Presbyterianische Kirche haben sich für ihre Beteiligung am Internatssystem entschuldigt. Der Papst allerdings nicht. Auch nicht, nachdem im Juni 2021 die Überreste von 215 Kindern auf dem Gelände der Kamloops Residential School auftauchten.
2008 richtete der ehemalige kanadische Premierminister Stephen Harper Worte des tiefen Bedauerns an die First Nations, während sein Nachfolger Justin Trudeau bei seiner Wahl 2015 versprach, sich um die Anliegen der Indigenen zu kümmern.
Die Truth and Reconciliation Commission of Canada veröffentlichte im selben Jahr 94 Calls to action, ein Katalog von Handlungsaufforderungen an die Regierung, womit versucht werden sollte, die fortwährenden Ungerechtigkeiten, unter denen die Natives im Lande noch immer zu leiden haben, zu beseitigen. Viele von ihnen bleiben bis heute offen.
Das Trinkwasser in manchen indigenen Dörfern muss noch immer abgekocht werden. Die gesundheitliche Kluft, die sich als direkte Folge von Kanadas Kolonialpolitik zwischen den Natives und der generellen kanadischen Bevölkerung aufgetan hat, ist noch lange nicht geschlossen.
Die Kindersterblichkeit war 2018 bei den Inuit 3,9 Mal höher, bei den First Nations 2-3 Mal höher und bei den Métis 1,9 Mal höher als bei der nicht-indigenen Bevölkerung. Noch immer sind sie am stärksten von Armut betroffen und auch die höhere Suizidrate, besonders bei jungen (15 bis 24 Jahre) Männern der First Nations und den Inuit beider Geschlechter, ist zu einem grossen Teil auf sozioökonomische Merkmale zurückzuführen: Einkommen, Erwerbsstatus und Bildungsniveau sind generell auf einem tieferen Niveau als bei nicht-indigenen Kanadiern.
Die Internate mögen verschwunden sein, die indigenen Kinder Kanadas sterben aber weiterhin an den Folgen jener fatalen kolonialen Praktiken.