Die meisten Widerstandskämpfer aus der Region Ossola flohen im Herbst 1944 in die nahe Schweiz. Nach dem Zusammenbruch der Partisanenrepublik, welche zwischen dem 10. September und dem 23. Oktober als freie Zone existierte, und der Rückeroberung des Gebiets durch deutsche und faschistische Truppen blieb den Partisanen nur noch dieser Ausweg.
Es waren verzweifelte Freiheitskämpfer, die an den letzten harten und hoffnungslosen Kämpfen teilgenommen hatten, um die faschistisch-deutsche Rückeroberung des Ossolagebiets aufzuhalten. Diese begann am 10. Oktober 1944 und endete bereits vier Tage später in Domodossola sowie am 23. Oktober, als die letzten Partisanen in die Schweiz kamen.
Nach diesem schnellen Sieg behaupteten die Faschisten, dass rund 50'000 Menschen in die Schweiz geflohen seien. Das ist bei einer Gesamtbevölkerung der Region von damals 80'000 Personen masslos übertrieben und sollte den faschistischen Sieg grösser erscheinen lassen, als er wirklich war. Heute geht man von maximal 10'000 Flüchtlingen aus, davon ungefähr 3000 Partisanen.
Die Rettung dieser geflohenen Partisanen war hauptsächlich dem Willen und Agieren einzelner Kantonspolitiker zu verdanken: Nationalrat Karl Dellberg für das Wallis, dem Tessiner Nationalrat Guglielmo Canevascini oder Giovan-Battista Rusca, Bürgermeister von Locarno. Sie alle bewegten sich auf sehr dünnem Eis, denn die Aufnahme von kämpfenden Personen, was die Partisanen ja de facto waren, hätte die Schweizer Neutralität infrage gestellt und zu ernsthaften Problemen mit den Deutschen führen können.
Deshalb argumentierte beispielsweise Karl Dellberg gegenüber Bundesbern, dass die Flüchtenden politisch verfolgt wurden und sich in einer humanitären Notlage befänden. Diese unkomplizierte Hilfe am Rande der Legalität rettete tausenden von Menschen das Leben. Ohne dieses Eingreifen wären die ergriffenen Zivilisten deportiert und die gefassten Partisanen exekutiert worden.
Die Grenzbevölkerung im Wallis und im Tessin, die von den Ereignissen sehr betroffen war und am ehesten wusste, was die deutsche Besatzung und die faschistische Präsenz an der Süd-Grenze wirklich bedeuteten, war sicherlich ein Hebel-Effekt, der die lokalen und kantonalen Politiker dazu brachte, Entscheidungen zu treffen, die im Grunde genommen ausserhalb ihrer Kompetenz lagen. Auf der anderen Seite wurden die Kirche, das Rote Kreuz und verschiedene andere Organisationen aktiv, um beispielsweise der Partisanenrepublik zu helfen. Doch was die erschöpften Partisanen in der Schweiz erwartete, war keine warme Gastfreundschaft.
Die Flüchtlinge, die oft unter schlechten hygienischen Bedingungen gelebt hatten, wurden vielfach von Läusen geplagt. Sie und ihre Kleidung wurden nach dem Grenzübertritt sofort desinfiziert. Danach folgten lange Verhöre. Es wurden militärische Informationen abgefragt, mögliche Kontakte in der Schweiz eruiert und die Vermögenswerte (Geld) kontrolliert. Alles wurde in sogenannten Einvernahmeprotokollen notiert, damit die militärischen Informationen an Major Max Waibel weitergegeben werden konnten.
Waibels Büro analysierte in bester Geheimdienst-Tradition den Wert der militärischen Informationen. Der Grund für diese spartanische Behandlung: das Schweizer Flüchtlingssystem wurde seit 1939 direkt von der Armee geleitet. Im Mittelpunkt standen dort nicht die Flüchtlinge, sondern geopolitische und strategische Überlegungen, die teilweise von einer diffusen Angst vor der Ausbreitung des Kommunismus geprägt waren.
Die Schweiz hatte seit Kriegsbeginn ein differenziertes System von Internierungslagern geschaffen, um mit den zahlreichen Flüchtlingen umzugehen. Es gab vier Haupttypen von Lagern: Selektionslager zur Registrierung, Quarantänelager zur medizinischen Überprüfung, Auffanglager für unklare Fälle und sogenannte Endlager, auch Arbeitslager genannt, wo die Internierten schliesslich unter militärischer Aufsicht festgehalten wurden.
Nach dem Verhör wurde ein Partisan in eines der vielen Endlager in der Schweiz gebracht. Wenn der Betreffende ins Tessin oder ins Wallis eingereist war, wurde er in der Regel auf die andere Seite der Alpen gebracht, um eine möglichst grosse Distanz zu seinem Einreiseort und der Grenze zu schaffen.
Die Ossola-Partisanen landeten deshalb fast alle in Internierungslagern in der Deutschschweiz, viele im Kanton Bern: bei Thun, in Mürren, Finsterhennen, Gurnigel, Büren an der Aare oder Langenthal. Einige verschob man in den Kanton Zürich (Wetzikon, Girenbad und Wald bei Hinwil, Adliswil, Nänikon) oder in den Kanton Aargau (Bremgarten). Die Lager wurden meistens an abgelegenen Orten errichtet, um den Kontakt mit der Zivilbevölkerung möglichst zu vermeiden.
Die Bedingungen in den Schweizer Internierungslagern waren meist rau. Die Unterkünfte bestanden aus einfachen, schlecht isolierten Baracken, die im extrem kalten Winter 1944/45 besonders ungeeignet waren. Heizungen fehlten in den meisten Lagern, was das Leben zusätzlich erschwerte. Die Verpflegung war knapp, und viele Partisanen mussten trotz Erschöpfung und Unterernährung Zwangsarbeit verrichten. Insbesondere kommunistische Widerstandskämpfer, die Garibaldini, wurden an besonders abgelegene und unwirtliche Orte wie das Lager am Schwarzsee (FR) verlegt, wo sie zusätzlich isoliert waren.
Mit dem Beginn des Frühjahrs 1945 änderte sich die Situation ein wenig. Die Lager wurden nach und nach entvölkert. Es waren vor allem Partisanen, die zu Hunderten nach Italien zurückkehren wollten, um wieder zu kämpfen. Technisch gesehen handelte es sich dabei um Fluchten aus Internierungslagern, bei denen die Schweizer Behörden jedoch oft beide Augen zudrückten. Hauptsache, der Partisan verliess ganz zügig und für immer die Schweiz.
Für diejenigen, die blieben, waren die Arbeitsmöglichkeiten weiterhin sehr begrenzt. Das Militär, welches dafür verantwortlich war, bearbeitete Jobangebote von Schweizer Unternehmen nur sehr langsam. Arbeit wäre genügend vorhanden gewesen, vor allem in der Land- und Forstwirtschaft, da die meisten Schweizer Männer zu dieser Zeit im Aktivdienst standen.
Bewerbungen und Anträge auf Arbeit wurden allerdings nicht schnell bearbeitet, und bei der Analyse von Hunderten Akten der Internierten gewinnt man den Eindruck, dass die Bürokratie besonders langsam war, vor allem gegen Ende des Krieges. Diese ist aus heutiger Sicht jedoch ein Segen für die historische Forschung, denn sie erlaubt es, den Aufenthalt eines Flüchtlings präzise nachvollziehen zu können.
Die «Gastfreundschaft» für die internierten Partisanen aus Ossola endete mit der Niederlage Deutschlands. In Italien, auch dank geheimer Verhandlungen im März 1945 in Ascona, offiziell am 2. Mai, in Deutschland am 8. Mai. Die anschliessende Rückkehr der Partisanen war eine Odyssee. Die Schweiz, froh diese Menschen loszuwerden, organisierte sehr schnell endlose Zugkonvois. In den ersten Mai-Wochen wurden fast alle italienischen Internierten nach Como gebracht. Von dort aus mussten die Menschen selbstständig in ihre Heimat zurückkehren. Das war nicht ganz einfach, war doch das Strassennetz mehrheitlich zerstört. Teilweise dauerte diese Heimkehr Tage oder gar Wochen.
Zusätzlich beherbergte meine Grossmutter noch Offiziere während mein Grossvater am Belchen auf die Deutschen wartete.
Keine einfache Zeit, man musste irgendwie durchkommen.