Vor genau 125 Jahren wurde das Landesmuseum in Zürich feierlich eröffnet und vor genau 25 Jahren übernahm ich dort eine Führung für eine Reisegruppe aus London. Die erste Frage unserer Gäste war: «Who was the former Swiss King of this Castle?» «No King?» «No Queen?» Nach anfänglicher Enttäuschung waren die Briten aber sehr schnell fasziniert von den prächtigen Exponaten, die sie zu sehen bekamen.
In der Zwischenzeit hat sich das Museum gemausert. Hinter seinen Mauern wurde gerumpelt, gehämmert, genagelt, um-, an-, ausgebaut und umorganisiert. Viele Objekte befinden sich heute in anderen Räumen, viele wurden ins Sammlungszentrum Affoltern ausgelagert. Kommen Sie mit auf einen kurzen Rundgang wie vor 25 Jahren:
Der Eingang ins Museum ist das mit reichem gotischem Masswerk geschmückte Portal neben der Gotthard Postkutsche von 1849. Mitarbeitende registrieren ihren Arbeitsbeginn und -schluss an einem Zeiterfassungsapparat, Aufsichten und Führungen werden vom Sicherheitsdienst in der Portalloge vermerkt.
Der Eintritt ist frei. Mäntel, Taschen und Schirme werden an der betreuten Museums Garderobe abgegeben. Jede Besucherin, jeder Besucher wird mit einem Handzähler erfasst.
Durch die «Sakrale Kunst» geht es direkt zu Raum 3. Hier hängt die «Die Glocke der Bürger» von St. Peter. Von 1294 bis 1880 hing sie mit ihren fünf Schwestern in der Glockenstube der Zürcher St. Peter Kirche.
Vermutlich wurde sie wegen ihres Gewichtes in unmittelbarer Nähe der Pfarrkirche gegossen. Abends um 20:30 Uhr vernahm man ihren dumpfen Ton. Und wer nach 21 Uhr in der Zunftstube immer noch beim Bechern sass oder ohne Licht den Heimweg suchte, wurde gebüsst. Übrigens: Eine gute Glocke muss mehr als zwei Minuten nachhallen.
Der zweiminütige Nachklang der Glocke begleitet uns ins Untergeschoss zu einer Mühle aus dem 19. Jahrhundert. Das Ansehen des Müllers war lange Zeit nicht gut. Es wurde behauptet, neben jeder Mühle stände ein Sandberg, mit dem das Mahlgut gestreckt würde.
Im ersten Stock tritt Regula Rollenbutz (1545-1607), die 38-jährige Gattin des Stadthalters Salomon Hirzel, als «Syn Ehelich Husfrow» auf. Die weisse Haube mit Stirnschleier kennzeichnet sie als verheiratete Frau. Sie trägt ein braunes Kleid hochgeschlossen bis zum Hals, schwarze Jacke, schwarze Schürze. Am Gürtel hängt an einer Kordel ein silbernes Besteck (Messer, Wetzstahl). Die Nelke in der Hand zeigt eine Schwangerschaft an.
Vorbei an den Historischen Zimmern kommen wir zum Hirzel-Raum mit seinen beiden prächtigen Kachelöfen, Baujahr 1698. Hier darf die Gruppe das Gemälde der Familie Bodmer aus dem Jahr 1643 nicht verpassen.
Conrad Bodmer sitzt mit seiner zweiten Frau Anna Barbara Gossweiler an der Stirnseite des Mittagstisches. Sie sprechen mit den von beiden in die Ehe mitgebrachten Kindern das Tischgebet.
Schauen wir aber mal auf die Sitzordnung: sechs Knaben sitzen rechts vom Vater, sechs Mädchen links von der Mutter. Logisch! «Der Mann ist Ordnung, Licht, der Himmel – die gute rechte Seite. – Die Frau ist das Dunkel. Das Chaos, die Erde – die unreine linke Seite.»
Die Waffenhalle ist mit ihrer Fläche von 51 mal 18 Meter und einer Höhe von 16 Metern das damalige Herzstück des Museums und zeugt von Ehre und Ruhm der Nation. Als erwachsene Person betritt man sie mit gemischten Gefühlen. Zu sehr erinnert sie einen an den oft sehr mühsamen und teilweise langweiligen Geschichtsunterricht der eigenen Schulzeit.
Die Hauptattraktion der Halle ist ohne Frage Ferdinand Hodlers Fresko Rückzug bei Marignano an der Westwand. Das heroische Ausmass der Niederlage der Schweizer wird in einen moralischen Sieg umgewandelt. Die vier mächtigen Bilder und die präsentierten Exponate entschädigen – zumindest in der kalten Jahreszeit – für den ungeheizten Raum.
Und wenn Sie uns verlassen, vergessen Sie bitte Mantel, Tasche und Schirm nicht!
Und ans Management des Landesmuseums: würdigt diese hervorragende Arbeit eures Mitarbeitenden finanziell dementsprechend! Diese Person trägt beträchtlich zu der Gesamtanzahl Besuche bei!