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Der Welthit mit Schweizer Wurzeln

Fred Astaires tänzerische Darstellung des Songs «Puttin' on the Ritz» von 1946. Video: Vimeo/Mikel González García

Der Welthit mit Schweizer Wurzeln

César Ritz war nicht nur ein Schweizer Hotelpionier: Er begründete auch einen luxuriösen Way of life, der in einem Lied verewigt wurde. Der entsprechende Song entwickelte sich zum Welthit, als der Namensgeber nach einer jahrzehntelangen Depression gestorben war. Eine traurige Geschichte!
13.05.2023, 19:20
Michael van Orsouw / Schweizerisches Nationalmuseum
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Was haben Robbie Williams, Fred Astaire, die Leningrad Cowboys, Ella Fitzgerald und Neil Diamond gemeinsam? Sie alle sangen oder tanzten den Welthit «Puttin’ on the Ritz», respektive Coverversionen davon. Was viele nicht wissen: Der Titel des jazzigen Songs hat einen Schweizer Hintergrund – «Puttin’ on the Ritz» bedeutet «sich in Schale werfen» und bezieht sich auf den legendären Ruf der Ritz-Hotels, gegründet vom Schweizer César Ritz.

César Ritz im Jahre 1897: Er führte rund ein Dutzend Hotels nebeneinander – bis zum Zusammenbruch.
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César Ritz im Jahre 1897: Er führte rund ein Dutzend Hotels nebeneinander – bis zum Zusammenbruch.Bild: Wikimedia
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Im erfolgreichen Lied heisst es «Wirf Dich in Schale. Hast Du die ganzen Bessergestellten gesehen? (...) Bist Du traurig und weisst nicht wohin? Warum gehst Du nicht dorthin, wo die Mode ist? Wirf Dich in Schale!» Der Song fordert die traurige Zuhörerin oder den traurigen Zuhörer auf, sich feinzumachen und auszugehen: «Sie tragen gestreifte Hosen, Mäntel und Gehröcke, alles sitzt perfekt.» Das Lied macht Mut: «Du wirst erkennen, dass es einfach ist, da oben mitzumischen, und zu hören, wie sie sich dann gegenseitig ihre pikanten Details erzählen. Wirf Dich in Schale!»

Geschrieben und komponiert hat den Song der russisch-amerikanische Musiker und Texter Irving Berlin (1888–1989) im Jahre 1927, zwei Jahre später veröffentlichte er ihn und nochmals ein Jahr später – 1930 – wurde er durch den gleichnamigen Film «Puttin’ on the Ritz» berühmt. Dass «on the Ritz» zum geflügelten Ausdruck wurde, hat eine längere Geschichte, die uns in die Schweiz führt. Genauer ins Wallis.

Ausschnitt aus dem Film von 1930.Video: YouTube/Addehiovy

1850 kommt im Gomser Dorf Niederwald der kleine César als 13. Kind der Familie Ritz zur Welt. Wegen Faulheit aus der Schule geworfen, durchläuft César Ritz die klassische Karriere vom Schuhputzer über den Piccolo zum Zimmerkellner. Schliesslich schafft er es zum Hoteldirektor und führt Hotels in Luzern, London, Cannes, Monte Carlo, Aix-les-Bains, Rom, Biarritz und Frankfurt am Main. 1898 eröffnet er in Paris am noblen Place Vendôme das erste Grandhotel, das seinen Namen trägt.

«Le Ritz» entwickelt sich zum Inbegriff von Glamour und Überfluss sowie zu einem der berühmtesten und besten Hotels der Welt. Das «Ritz» ist damals der weltweit erste Tourismusbetrieb, der in seinen Appartements über Heizung, Bad und – in den sogenannten «Herrenzimmern» (!) – über ein Telefon verfügt. Das Geschäft läuft so gut, dass César Ritz bald in einem Dutzend Metropolen Luxushotels eröffnet, die alle seinen Namen tragen.

Hotel Ritz in Paris, um 1900.
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Hotel Ritz in Paris, um 1900.Bild: Wikimedia

Auch Englands König Edward VII. zählt zu seinen Stammgästen. Dieser bezeichnet César Ritz als «König der Hoteliers und Hotelier der Könige», ein seither sehr häufig zitierter Spruch. Später logieren im «Ritz» die Rothschilds, die Rockefellers, Charlie Chaplin, Marlene Dietrich und Marcel Proust, der sich im Hotel Anregungen für seine literarischen Figuren holte. Und Ernest Hemingway war ein so treuer wie trinkfester Gast der Hotelbar in Paris, dass sie heute noch seinen Namen trägt.

König Edward VII. war ein Fan von César Ritz.
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König Edward VII. war ein Fan von César Ritz.Bild: Royal Collection Trust / © Her Majesty Queen Elizabeth II 2021
Marlene Dietrich in einem Bild aus den 1920er-Jahren.
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Marlene Dietrich in einem Bild aus den 1920er-Jahren.Bild: Wikimedia

Musiker Irving Berlin hatte diesen Ritz’schen Glamour vor Augen, als er den Song «Puttin’ on the Ritz» verfasste. Dabei hätte der Namengeber des Songs sehr gut eine Aufheiterung in Anspruch nehmen können. Denn César Ritz durchlief ein tragisches Ende: Weil der Hotelier mit grossem Einsatz alle seine Hotels selbst führte, erlitt er 1903 im Alter von 53 Jahren einen körperlichen Zusammenbruch, der seinem Höhenflug ein jähes Ende bereitete. 1905 hatte er seinen letzten öffentlichen Auftritt, ab 1906 zog er sich definitiv in Kliniken zurück, heute würde man ihm ein chronisches Burnout diagnostizieren.

Der Texter und Komponist des Welthits: der russisch-amerikanische Irving Berlin.
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Der Texter und Komponist des Welthits: der russisch-amerikanische Komponist Irving Berlin.Bild: Wikimedia

Zuerst kam Ritz in eine Nervenheilanstalt in Lausanne, dann in die kleine Privatklinik von Dr. Gottfried Egli in Küssnacht am Rigi. Ritz, der Hotelier der Royals und High Society, litt an einer tiefen Depression, aus der er bis zu seinem Tod 1918 nicht mehr herausfand. Er war so tieftraurig, da hätte auch die Aufforderung «Puttin’ on the Ritz!» nicht geholfen; sich in Schale zu werfen, war für Ritz in seiner letzten Lebensphase undenkbar. Dass noch heute in der englischen Sprache das Adjektiv «ritzy» auf César Ritz zurückgeht und «nobel», «elegant» und «modern» bedeutet, ist angesichts des traurigen Endes des Hotelkönigs eine geradezu grausame Ironie der Geschichte.

Hier verbrachte der Hotelkönig seine letzten Jahre: in der Nervenklinik an der Grepperstrasse 22 in Küssnacht am Rigi.
Hier verbrachte der Hotelkönig seine letzten Jahre: in der Nervenklinik an der Grepperstrasse 22 in Küssnacht am Rigi.Bild: Fotosammlung Robert Moser/Heimatmuseum Küssnacht
>>> Weitere historische Artikel auf: blog.nationalmuseum.ch
watson übernimmt in loser Folge ausgesuchte Perlen aus dem Blog des Nationalmuseums. Der Beitrag «Der Welthit mit Schweizer Wurzeln» erschien am 11. Mai.
blog.nationalmuseum.ch/2023/05/puttin-on-the-ritz
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6 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Abu Nid As Saasi
13.05.2023 20:10registriert Oktober 2018
"Gomser Dorf Niederwald" heisst richtig Gommer Dorf Niederwald. Genau so, wie es keine Züricher und Baseler gibt, existieren auch keine Gomser
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