Anfang 2025 waren die Tage von Jelmoli, dem ersten und berühmtesten Kaufhaus der Deutschschweiz gezählt. Nach über 120 Jahren schloss die Grande Dame der Schweizer Warenhäuser für immer ihre Tore.
Jelmolis Geschichte begann in den 1880er-Jahren mit Hans Peter Jelmoli, der eigentlich Giovanni Pietro Guglielmoli hiess. Er kam aus einer italienischen Bauernfamilie, wuchs unweit der Schweizer Grenze auf, heiratete die Tochter eines italienischen Kaufmanns und lernte so den Beruf und die Branche kennen. Sein erstes Geschäft befand sich in Zürich an der Schipfe. Dort konnte man nicht mehr feilschen, es gab nur noch Fixpreise – eine absolute Neuheit!
Sein Sohn Franz Anton baute dann von 1897 bis 1899 den imposanten Glaspalast in der Nähe der Bahnhofstrasse. Das Gebäude fand sein Vorbild in den Chicagoer Hochhäuser und war damals neu in Europa. Vom Stil her war es den Grand Magasins in Paris nachempfunden, die dort ab 1855 entstanden waren und den Warenkonsum neu definiert hatten.
Für den Tages-Anzeiger hatte das neue Warenhaus «grossstädtischen Charakter», was zum Anspruch Zürichs passte, eine wirkliche Grossstadt zu werden. Im langen Schatten dieser Geschichte entfaltete sich weiter nordwestlich, in Sissach im Kanton Basel-Landschaft, Ähnliches, wenn auch nicht in denselben Dimensionen.
Seit 1230 führte die wichtigste Handelsroute von Basel nach Chiasso an Sissach vorbei. In diesem Teil der Gotthard-Route zog man durch die Hauptstrasse (damals Landstrasse), die dann auch bald wichtige Bauten links und rechts flankierten, beispielsweise das Wachthaus oder das Gefängnis. Ab 1854, mit dem Eisenbahnbau durch die Schweizerische Centralbahn (SCB), war Sissach ein wichtiger Transitort. Davon sollte später auch das erste Warenhaus profitieren.
Ebenfalls einer neu eröffneten Eisenbahnlinie zu verdanken ist die Geschichte der Familie Meyer-Kunz, die eng verknüpft ist mit dem ersten Warenhaus des Kantons Basel-Landschaft. Als die Bahnlinie Basel-Olten 1858 eröffnete, kam der fahrende Händler Joseph Meyer (1829–1894) aus Hergiswil (NW) mit seiner Frau Marie (geborene Kunz) nach Sissach. Dort zog Meyer als Hausierer von Haustür zu Haustür, um verschiedene Waren an Ansässige zu verkaufen. Der spätere reiche Negoziant fing also klein an, genauso wie der Italiener Jelmoli in der Region Zürich.
Die Meyers kauften sich ein paar Liegenschaften an der heutigen Hauptstrasse, weil sie einen Krämerladen eröffnen wollte. Neben der Warenhalle gab es auch eine Metzgerei und die Wirtschaft Sternen. Das grosse Warenangebot der Hergiswiler, das aus Artikeln des täglichen Bedarfs wie Möbel, Stoffe, Kleider und Lebensmittel bestand, kam bei den Baselbieterinnen und Baselbietern gut an. In seiner Zeit als Hausierer hatte Meyer den Geschmack und die Bedürfnisse der Oberbaselbieter erkannt und sein Warenkonzept entsprechend ausgestaltet.
Der Laden war ein voller Erfolg – nicht nur bei den Oberbaselbieterinnen und Oberbaselbietern. Sein Ruf für gute Waren machte ihn vom Fricktal über Basel bis in den Schwarzwald bekannt. Besonders Meyers exzellenter Käse hatte es den Kundinnen und Kunden angetan, weswegen Josef Meyer fortan nur noch Cheesmeyer genannt wurde. Der Name blieb bis heute. Die Familie baute mit der Zeit ein Vermögen auf und finanzierte so beispielsweise das erste Wasserleitungssystem im Dörfchen Sissach.
Josef Meyer starb 1894 und sein Erbe wurde unter seinen Töchtern und Söhnen aufgeteilt. Es kam in der Folge zu komplizierten Grund- und Mieteigentumsverhältnissen. Nichtsdestotrotz schafften es Meyers Kinder und Kindeskinder den Cheesmeyer zum ersten Warenhaus im Kanton auszubauen.
1901 erweiterten sie mit Architekten aus Basel den eingeschossigen Laden zu einem Warenhaus mit mehreren Stockwerken. Im Erdgeschoss und im ersten Stock wurde verkauft, im zweiten und dritten Stock wurde gewohnt. Damit nur die besten Waren in die Auslagen des Cheesmeyers kamen, fuhr Seppi, ein Enkel des Gründers, in den 1920er- und 30er-Jahren selbst nach Basel auf den Markt. Die benachbarte Wirtschaft Sternen sowie der gegenüberliegende Bauernbetrieb bildeten zusammen mit dem Warenhaus ein regelrechtes Einkaufszentrum.
Der Sissacher Bahnhof und der Vorplatz, deren Besitzerin die SCB war, sowie der Cheesmeyer wurden dank eines Fusswegs, der mit der Zeit zwischen den beiden Gebäuden entstand, zu einem grösseren Gebäude-Ensemble. Dieser Weg wurde fortan das «Cheesmeyer-Wegli» genannt. Personen, die per Eisenbahn von auswärts nach Sissach fuhren, lösten das Billett «Cheesmeyer-retour». So ist es zumindest überliefert. Dieser Umstand weist auf die Bedeutung des Warenhauses Cheesmeyer für Sissach als wichtigen Wirtschaftsstandort in der Nordwestschweiz des frühen 20. Jahrhunderts hin.
Obwohl die Familie Meyer-Kunz später in zwei Teile (Meyer auf der einen und Kunz auf der anderen Seite) zerfiel und mitunter jahrzehntelange Erbstreitereien das Schicksal des Warenhauses prägten, schafften es Meyers Erbinnen und Erben, das erste Warenhaus des Kanton Basel-Landschaft ein Jahrhundert lang in Betrieb zu halten, ehe es 1995 als Kaufladen die Tore schloss.
Das Cheesmeyer-Gebäude beherbergte seither unterschiedliche Angebote. Heute ist es ein Kulturhaus, dem man, wenn man gut hinschaut, seinen Warenhauscharakter immer noch ansieht.