
Sag das doch deinen Freunden!
Die Street Parade ist und bleibt ein Mega-Event. Was ist die Street Parade für Sie?
Christian Kobel: Der Anlass ist für uns etwas ähnliches wie eine normale Party, einfach grösser. An solchen hat es dann jeweils vielleicht 1000, 2000 Menschen, an der Street Parade sind es gegen eine Million. Wir bieten das Drug Checking an, können wegen der grossen Nachfrage aber nicht alle Anfragen bewältigen. Während der Street Parade machen wir gegen 90 Analysen, mehr geht nicht. Allerdings konsumiert nur ein kleiner Teil der Raver illegale Drogen.
Wie hoch ist dieser Anteil?
In der Gesamtbevölkerung sind es schätzungsweise zwei, drei Prozent, die Erfahrungen mit Partydrogen haben. Darunter sind auch Leute, die nur einmal Drogen versucht haben. Weil das Durchschnittsalter an der Street Parade etwas tiefer ist, dürfte der Anteil leicht höher bei etwa fünf Prozent liegen. Jüngere Menschen konsumieren mehr als der durchschnittliche Schweizer.
Was fällt alles unter Partydroge?
Das ist kein so wirklich definierter Begriff. Eine Partydroge fängt bei Alkohol an, Cannabis gehört auch noch dazu. Womit wir jedoch am meisten zu tun haben sind Klassiker wie Kokain, Amphetamin (Speed), Extasy und unter Umständen noch LSD.
Was macht Streetwork an der Street Parade?
Wir sind am Bürkliplatz mit einem Stand, zu dem unser mobiles Labor gehört, präsent. Nebst Informationsmaterial jeglicher Art können sich die Street Parade-Gänger bei uns mit Gehörschutzpfropfen oder Kondomen eindecken. Jeder, der eine Droge testen lässt, muss sich übrigens beraten lassen.
Was bringen diese Tests?
Eine Analyse ist aufwändig und dauert etwa 20 Minuten. Dafür ist das Resultat sehr genau. Beim Kokain können wir dann zum Beispiel sagen, wie hoch der Anteil von reinem Kokain ist und wie viel der Anteil von Streckmitteln, den so genannt psychoaktiven Streckmitteln, beträgt.
Und die Streckmittel bereiten Ihnen Sorgen.
Zuerst möchte ich festhalten, dass in letzter Zeit der Anteil an reinem Kokain im Kokain gestiegen ist. Gleichzeitig haben aber auch die psychoaktiven Streckmittel zugenommen. Die Händler mischen sie bei, um eine bessere Qualität der Ware vorzutäuschen. Früher mischten sie Lidocain dazu. Das betäubt örtlich. Wenn die potenziellen Kunden auf der Strasse das Kokain probieren, es zum Beispiel auf das Zahnfleisch reiben, hat es – wie das Kokain selber – eine leicht betäubende Wirkung. Die Leute haben dann das Gefühl, es sei gutes Kokain. Heute verwenden die Händler andere Streckmittel. Bei 80 Prozent sind es Streckmittel mit einer Wirkung, oft Levamisol. Dieses kann massive Auswirkungen auf die Gesundheit haben.
Welche?
Kurzfristig kann es zu starkem Durchfall führen. Konsumiert man es häufig, kommen Blutbildveränderungen vor. Es schwächt das Immunsystem. Bei Konsumenten, die es über Monate zu sich nehmen, können Durchblutungsstörungen vorkommen, es kann gar zu Nekrose führen. Das heisst, Gewebe stirbt ab, was sich als schwarze Flecken auf der Haut zeigt. Das sieht richtig übel aus. Ich habe das verschiedentlich gesehen. Und zwar nicht bei Menschen, die auf der Gasse leben. Es waren Personen, die gut eingebunden sind in unserem System und Kokain nur an den Wochenenden an Partys konsumierten. Streckmittel mit ähnlicher Wirkung gibt es diverse, sie verstärken die Kokainwirkung. Diese Streckmittel sind die grösste Veränderung beim Kokain in den letzten Jahren.
Wie sieht es beim Extasy aus?
Bei den Extasy-Pillen, also beim MDMA, ist es so, dass im Moment sehr hoch dosierte Pillen auf dem Markt sind. Bei Dreiviertel hat es gar keine anderen Substanzen drin; das heisst, sie sind in diesem Sinne rein. Das kann sehr problematisch sein. Konsumiert eine zierliche Frau mit etwas mehr als 50 Kilogramm Gewicht zum Beispiel eine Pille mit 250, 300 Milligramm MDMA drin, ist das äusserst gefährlich. Kreislaufprobleme sind die Folge. Damit kämpfen übrigens auch die Clubs in der Stadt. Sie müssen vermehrt Gäste von der Sanität abholen lassen, weil es diesen so schlecht geht.
Warum fragen die Konsumenten heute nach solch hochdosierten Pillen?
Der MDMA-Markt hat sich aus unserer Sicht stark verändert. Zwischen 2009 und 2011 hatten Zweidrittel der Extasy-Pillen kein MDMA mehr drin. Es wurde durch andere Wirkstoffe ersetzt. Das bemerkten die Partygänger, denn diese Wirkstoffe führten zu Übelkeit. Die Leute kauften diese Pillen nicht mehr, der Markt hat wohl darauf reagiert. Heute haben wir deshalb so viele Pillen mit sehr hohem MDMA-Gehalt.
Was raten Sie Personen, die an der Street Parade Drogen nehmen wollen?
Die Street Parade ist kein geeigneter Anlass, um Drogen zu konsumieren. Es ist meistens sehr heiss und der Anlass findet in einer unglaublichen Menschenmasse statt. Dies alleine überfordert rasch. Hat man dann noch Substanzen konsumiert, von denen man nicht genau weiss, wie sie zusammengesetzt sind, kann das zu einem negativen Erlebnis führen. An der Street Parade lässt man die Finger besser ganz von Drogen.
Konsumiert wird trotzdem. Was raten Sie diesen Personen?
Zuerst einmal bringt jeder Konsum von Substanzen gewisse Risiken. Deshalb sollten sie wenn möglich von uns getestet werden lassen. Geht das nicht, sollte man wenigstens die Saver-Use-Regeln beachten: Konsumiert jemand eine Pille, sollte dies höchstens eine halbe sein, heute empfehlen wir wegen den hohen Dosierungen sogar eher einen Drittel. Danach lange genug auf die Wirkung warten, etwa zwei Stunden. Es gibt Substanzen, bei denen es sehr lange geht, bis sie wirken. Schmeisst man zu früh nach, ist die Dosierung nach über zwei Stunden so hoch, dass es wirklich gefährlich werden kann. Weiter sollten sie keine Substanzen mischen, auch nicht mit Alkohol. Viel Wasser trinken, in den Schatten sitzen und viele Pausen machen ist ebenfalls wichtig.
Ist es denn so, dass an der Street Parade viele das erste Mal in Kontakt mit Drogen kommen?
Es ist bei Jungen halt schon immer noch ein Schlüsselanlass bei dem sie sich sagen, da gehe ich jetzt Mal hin und probiere etwas. Aber eben, es ist ein denkbar schlechter Anlass, um zu experimentieren. Nur schon bis Hilfe da ist, dauert es länger als normal. Es gibt zwar viel Sanität, aber die kommt bei den vielen Ravern nicht so rasch an gewisse Stellen.
Sie haben aufgezeigt, wie sich der Drogenmarkt verändert hat. Wie hat sich die Street Parade selber gewandelt in den letzten Jahren?
Ganz am Anfang, in den 90er-Jahren war in der Techno-Szene Alkohol verpönt. Heute, wo die Street Parade ein Anlass für die Massen ist, ist Alkohol wichtig. Und der Alkohol ist es auch, der am meisten Probleme verursacht. Gewalt und Scherben, die zu Schnittverletzungen führen, sind nur zwei Beispiele dafür.
Die Street Parade ist also kein Drogenfest?
Nein, das ist sie nicht. Auf diese Masse von Menschen wird wie gesagt nicht mehr konsumiert als an anderen Anlässen. Es ist ein Teil unserer Gesellschaft, dass gewisse Leute im Ausgang Drogen brauchen um sich zu berauschen. Und Street Parade ist Ausgang am Tag. Dass es Jahr für Jahr gelingt, einen solchen Mega-Event durchzuführen ohne grössere Probleme, das ist schon eindrücklich. Die Leute schätzen diesen Termin, die Street Parade ist ein Teil von Zürich geworden. Zwischendurch mieden Szenies die Party. Heute darf man wieder sagen, dass man an die Street Parade geht.