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Es ist das mysteriöseste Machtzentrum des Sports. Um dieses Gremium ranken sich mehr Legenden als um das FBI und die CIA zusammen. Seine Sitzungen sind geheimer als jene des sowjetischen Politbüros unter Obmann Stalin Josef. Und es beeinflusst seinen Sport stärker als Ecclestone Bernie die Formel 1.
Dabei ist die Bezeichnung so uncool und holprig, als handle es sich um eine Unterabteilung des Bundesamts für Statistik: Einteilungskampfgericht. Diesem Gremium verdankt das Schwingen die Attraktivität. Aber eben auch den bösen Ruf, es werde gemauschelt.
Wenn in einem Kampfsport der Sieger aus über 250 Einzelkämpfern am Abend des zweiten Tages feststeht, wenn sich die Spannung während der zwei Tage aufbaut und sich schliesslich in einem Finale, dem sogenannten Schlussgang, entladen soll, dann muss eben eingeteilt werden. Es ist nicht möglich, dass jeder gegen jeden kämpft. Wer gegen wen kämpft, entscheidet dieses legendäre Einteilungskampfgericht.
Sechs Männer mit Stimmrecht sitzen beim Eidgenössischen Schwingfest in Estavayer in diesem Gremium: die technischen Leiter (Sportchefs) der fünf Teilverbände Bern, Nordostschweiz, Südwestschweiz, Nordwestschweiz und Innerschweiz plus der technische Leiter des eidgenössischen Gesamtverbandes.
Diese Männer sind unerbittliche Rivalen und mit allen Wassern gewachsen. Sie vertreten beim Eidgenössischen mit allen Mitteln das Interesse ihres Teilverbandes. Sie versuchen alles, damit ihre Schwinger möglichst einfache Gegner erhalten.
Diese Einteilung läuft nach zwei einfachen Grundsätzen. Erstens: Es sollen immer die Besten, jene mit den meisten Punkten aus den bisherigen Kämpfen, gegeneinander antreten. Zweitens: So lange wie möglich sollen es aber nicht zwei Schwinger aus dem gleichen Teilverband sein. Um die Paarungen der zweiten Ranglistenhälfte gibt es kaum je eine Diskussion. Gefeilscht wird nur um die für den Ausgang des Fests entscheidenden Kämpfe. Der Präsident schlägt die Paarung vor, die Mitglieder des Einteilungskampfgerichts können Einwände erheben.
Diese Einteilung ist so entscheidend, weil nur selten ein Schwinger so stark, so böse und so überlegen ist, dass er ein Eidgenössisches gewinnt, egal welche Gegner ihm das Einteilungskampfgericht zuweist. Unbesiegbare sind rar. Auch in Estavayer gibt es keinen unbesiegbaren Titanen, selbst König Sempach Matthias muss sich vorsehen. Schwinger sind nicht in Gewichtsklassen unterteilt. Je nach Grösse, Gewicht, Kraft und Beweglichkeit bevorzugen sie völlig unterschiedliche Kampfstile.
Es gibt Gegner, die einer aufgrund seiner Kampfweise einfach nicht besiegen kann, andere, die ihm dafür perfekt liegen. Wenn beispielsweise der Vertreter der Berner im Einteilungskampfgericht alles über seine und die gegnerischen Schwinger weiss, dann kann er blitzschnell seinem Favoriten jenen Gegner zuschanzen, gegen den er die grössten Siegeschancen hat.
Stans 1989 bleibt auf alle Zeiten das klassische Beispiel, wie ein Eidgenössisches durch die Schlauheit eines Einteilungskampfrichters entschieden worden ist. Im Schlussgang wird der haushohe Favorit Hasler Eugen sensationell vom Berner Käser Adrian besiegt. Aber es ist eine logische Sensation. Für die Berner sitzt nämlich der schlaue Metzgermeister Seiler Heinz im Einteilungskampfgericht.
Adrian Käser ist nur den Bernern ein Begriff. Er liegt nach dem ersten Tag lediglich auf dem 65. Rang. Er hat nun im fünften und sechsten Gang relativ leichte Gegner, punktet und steht am Sonntag nach sechs Kämpfen plötzlich in der Spitzengruppe. Klar ist, dass Käser Adrian nun im siebten Durchgang einen starken Gegner bekommen muss.
Es gibt einen ganz unangenehmen Gegner: den ungelenken Zwei-Meter-Riesen Jehle Clemens vom nordostschweizerischen Teilverband. Der ehemalige Judoka, 11. bei den olympischen Spielen von 1984 in Los Angeles, 1986 (3.) und 1987 (2.) EM- Medaillengewinner, ist technisch unbeholfen. Aber er ist so kräftig (einer der kräftigsten Bösesten aller Zeiten), dass er jedem einen Gestellten (ein Unentschieden) abtrotzen kann. Die Vertreter aus der Südwest-, Nordwest- und Innerschweiz im Einteilungskampfgericht sträuben sich dagegen, ihre Favoriten im zweitletzten Durchgang gegen dieses schwingerische Ungeheuer antreten zu lassen.
Der schlaue Seiler Heinz aber hat zur allgemeinen Überraschung seiner Einteilungskampfgerichts-Kollegen nichts dagegen, seinen heimlichen Favoriten Käser Adrian gegen den wehrhaften Riesen laufen zu lassen. Er weiss, dass der technisch brillante Käser Adrian den hüftsteifen Titanen in die Flanken gelangen und mit einem Hüfter leichter fällen kann als einen wendigen, technisch versierten Gegner. Und wenn er den Riesen fällt, ist die Maximalnote (10.00) sicher und der Schlussgang möglich.
Käser Adrian fällt den mächtigen Gegner vom Schwingklub Glatt und Limmattal wie einen Baum, zieht in den Schlussgang ein, besiegt Hasler Geni und wird als 18-Jähriger der jüngste Schwingerkönig der Geschichte. Hasler Geni war mit der gleichen Punktzahl Erstgekrönter. Seiler Heinz war im Einteilungskampfgericht der heimliche Vater dieser Sensation.