Mit der Ankündigung, ihr Land aus dem europäischen Binnenmarkt zu führen, hat die britische Premierministerin Theresa May im In- und Ausland kontroverse Reaktionen ausgelöst. Schlecht kommt eine Drohung in Steuersachen an.
May hatte am Dienstag bei einer Grundsatzrede zum Brexit gesagt, Grossbritannien strebe «keine Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt an». Ihr Land sei dann nicht mehr verpflichtet, «enorme Summen zum EU-Haushalt» beizutragen. Sie wolle stattdessen einen umfassenden Freihandelsvertrag mit der Europäischen Union schliessen. Zudem kündigte sie eine Reduktion der Zuwanderung aus der EU an.
Gleichzeitig sprach sie eine scharfe Warnung an die EU aus. Sollten Grossbritannien auf dem Weg zu einem Freihandelsabkommen Steine in den Weg gelegt werden, könne das Land einen zerstörerischen Wettlauf um niedrige Steuersätze für Unternehmen in Gang setzen.
«Kontraproduktive Verhandlungstaktik»
Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten. Die EU sei für die Austrittsverhandlungen gerüstet, twitterte Ratspräsident Donald Tusk. Er sprach von einem «traurigen Vorgang in surrealistischen Zeiten».
«Damit zu drohen, Grossbritannien in ein dereguliertes Steuerparadies zu verwandeln, wird nicht nur dem britischen Volk schaden, sondern ist auch eine kontraproduktive Verhandlungstaktik», schrieb der Europaabgeordnete Guy Verhofstadt auf Twitter.
Der deutsche Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte: «Rosinen picken wird es nicht geben.» Wer am EU-Binnenmarkt teilhaben wolle, müsse Teil der Gemeinschaft sein. Aussenminister Frank-Walter Steinmeier sprach sich für konstruktive Verhandlungen aus.
Neues Unabhängigkeitsreferendum?
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon kündigte Widerstand gegen die Pläne Mays an. Gefragt, ob der Brexit-Kurs der britischen Regierung ein zweites Referendum unausweichlich mache, sagte sie der BBC: «Ich glaube das ist sehr wahrscheinlich der Fall». Die Mehrheit der Schotten hatte sich beim Brexit-Referendum im vergangenen Juni für einen Verbleib Grossbritanniens in der EU ausgesprochen.
Der nordirische Sinn-Fein-Abgeordnete John O'Dowd warnte der BBC zufolge vor einer festen Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland, sollte Grossbritannien aus dem Binnenmark und der Zollunion austreten.
Ball beim Gericht
Das zuletzt schwer angeschlagene Pfund erholte sich während und nach der Grundsatzrede. Es legte um rund zwei Prozent bis auf 1.2390 US-Dollar zu. Damit wurden Verluste zuvor mehr als wettgemacht.
Noch im Januar steht eine weitere wichtige Brexit-Entscheidung an. Das höchste britische Gericht muss klären, ob das Parlament seine Zustimmung geben muss, bevor die Regierung den EU-Austritt förmlich bekannt gibt.
May will die Scheidung von der EU bis Ende März in Brüssel einreichen. Sollten die Parlamentarier mitbestimmen dürfen, könnte das den Zeitplan durcheinanderbringen. Ein genauer Termin für das Gerichtsurteil steht noch nicht fest. (sda/dpa)