Für die Dirigentin des ersten afghanischen Frauenorchesters, Negina Chpalwak, grenzt es an ein Wunder: Sie und ihre Kolleginnen spielen am Donnerstag und Freitag am Weltwirtschaftsforum in Davos.
Ohne ihre Eltern hätte sie nie die Musikschule besuchen können, sagte Chpalwak der Nachrichtenagentur AFP. «Meine Grossmutter drohte meinem Vater, dass er nicht mehr ihr Sohn sein werde, wenn er mich weiter in die Schule schickt», berichtete die bald 20-Jährige.
«Mein Onkel sagte, ich sei eine Schande für die Familie und er werde mich töten, wo immer er mich trifft.» Ihre Familie sei schliesslich aus ihrer Heimatprovinz Kunar in die Hauptstadt Kabul gezogen, damit sie ihre Ausbildung fortsetzen könne.
Viele Waisen
In Chpalwaks Orchester Zohra spielen 35 Musikerinnen im Alter von 13 bis 20 Jahren. Viele sind Waisen oder stammen aus ärmsten Verhältnissen. Für ihre Leidenschaft nehmen sie in ihrem Land Morddrohungen und Diskriminierung in Kauf, manche werden von ihren Familien verstossen.
«Für die Mädchen in Afghanistan ist das sehr schwer. Einige Väter lassen ihre Töchter nicht einmal in die Schule gehen, geschweige denn, in eine Musikschule. Für sie gehören Frauen ins Haus und an den Herd», sagte der Musikwissenschaftler und Zohra-Gründer Ahmad Sarmast.
Chance auf Veränderung
Den Mädchen und jungen Frauen von Zohra bot die Musik aber auch eine Chance, ihr Leben zu ändern - viele von ihnen mussten früher auf der Strasse arbeiten, ihre Mütter haben nie Lesen und Schreiben gelernt.
Auch die Mutter von Sarifa Adiba hat nie eine Schule besucht. Ihre Tochter dagegen trat mit ihrer Geige bereits in der New Yorker Carnegie Hall auf. Nun darf die 18-Jährige beim Abschlusskonzert in Davos vor tausenden Würdenträgern sogar vier Stücken dirigieren.
Trotz der persönlichen Gefahren in ihrem Land will sich die junge Schiitin für eine bessere Zukunft ihrer afghanischen Geschlechtsgenossinnen einsetzen. «Ich möchte in Yale studieren, oder in Harvard oder Stanford. Ich will meine Persönlichkeit entwickeln und dann nach Hause zurückkehren», sagte Adiba. «Es liegt an meiner Generation, etwas für unser Land zu tun».
«Ich habe alle ihre Reden gehört»
Enttäuscht ist Adiba, dass Michelle Obama nicht nach Davos kommt. Sie hätte die scheidende First Lady gerne kennengelernt: «Ich habe alle ihre Reden gehört», sagte sie, «wenn ich ihr zuhöre, bin ich stolz darauf, eine Frau zu sein.» (sda/afp)