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Cybertruck: Elon Musk und das perfekte Auto für den Weltuntergang

Szene aus «Mad Max» (2015).
Kein Cybertruck, sondern ein Verbrenner aus «Mad Max».Screenshot: YouTube
Analyse

Elon M. und das perfekte Auto für den Weltuntergang

Der Cybertruck illustriert, was beim Tesla-Chef falsch läuft: Ein Weltverbesserer droht zum Menschenfeind zu werden.
05.12.2023, 05:0305.12.2023, 13:17
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Elon Musk liebt die Provokation. Und dafür ist ihm praktisch jedes Mittel recht.

Aus Twitter hat der Techmilliardär in weniger als einem Jahr die bevorzugte Hass- und Antisemitismus-Schleuder für Rechtsextreme, Hamas und Co. gemacht.

Und nun ist Tesla dran. Mit dem Cybertruck.

Der nach Taiwan ausgewanderte deutsche Techblogger Sascha Pallenberg brachte es auf den Punkt:

«Der Cybertruck wirkt wie das sicherste Fahrzeug einer Welt, die nicht gerettet werden konnte.»
quelle: metacheles.de

In seiner lesenswerten Analyse (siehe Quellen) schreibt Pallenberg von einem «faszinierenden» Wandel beim Elektroauto-Pionier. Oder müssen wir von «beunruhigend» sprechen?

Cybertruck von Tesla.
Der Cybertruck soll nicht etwa auf dem Mars herumkurven, sondern auf dem Heimatplaneten Erde. Und das sorgt für Irritationen. Screenshot: tesla.com

Sicher ist: Das US-Unternehmen verkauft mit dem Cybertruck einen «Strassenpanzer», der völlig anders aussieht als alle bisherigen Tesla-Modelle. Gleichzeitig habe sich Musks Rhetorik und der Vibe rund um das Unternehmen von einem «Wir schaffen das»-Narrativ zu einer pessimistischen Untergangsstimmung gewandelt, kommentiert Pallenberg.

Mad Musk

Die «Mad Max»-Schwingungen, die schon bei der Präsentation des ungewöhnlichen Fahrzeugs 2019 zu spüren waren, haben sich weiter akzentuiert. Der Cybertruck kann problemlos in einem dystopischen Science-Fiction-Film mitspielen.

So wie in diesem hier:

Trailer zu «Mad Max: Fury Road» aus dem Jahr 2015.Video: YouTube/Warner Bros. Pictures

Es ist nicht nur das kriegerische Aussehen des Cybertrucks mit seinen scharfen Kanten und dem alles andere als aerodynamischen Design. Es ist vor allem auch das Auftreten des Tesla-Chefs, das Bände spricht.

Musk versichert den Cybertruck-Käufern:

«Wenn Sie einmal in Streit mit anderen Autos geraten, werden Sie gewinnen.»

Während der jüngsten Cybertruck-Präsentation sprach der Tesla-Chef tatsächlich auch von «Late Civilization Vibes», was mit «Endzeitstimmung» übersetzt werden kann.

Tesla Motors CEO, Chairman and Product Architect Elon Musk, left, and chief designer Franz von Holzhausen, pose for photos at the unveiling of the Tesla Model S all-electric 5-door sedan, in Hawthorne ...
Da hatten sie noch «rundere» Auto-Visionen: Elon Musk und Tesla-Chefdesigner Franz von Holzhausen im März 2009 bei der Präsentation des Model S.Bild: AP

Dazu passt, dass die Stahlhülle des Cybertrucks kugelsicher sein soll. Als Videobeweis wurde sie mit Maschinenpistolen beschossen. (Wobei anzumerken ist, dass diese «Tests» mit 9-Millimeter-Pistolenmunition erfolgten, nicht mit Sturmgewehr-Munition, die viel durchschlagskräftiger ist.)

Nun hat der Cybertruck im Strassenverkehr aber ein viel zu gravierendes Problem, um sich darüber lustig zu machen. Es ist seine sogenannte «Knautschzone».

Sascha Pallenberg warnt in einer düsteren Prognose, der Cybertruck werde «eine Menge Menschen umbringen»:

«Er ist im Grunde ein schnell beschleunigendes Messer aus rostfreiem Stahl mit begrenztem Sichtfeld und sieht aus, als hätte man bei der Konstruktion keine Rücksicht auf das Risiko für Fussgänger, Radfahrer und andere ungeschützte Verkehrsteilnehmer genommen.»

Mit der Idee eines friedlichen Miteinanders im Strassenverkehr habe das wenig zu tun, konstatierte auch das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». «Es klingt nach Aufrüsten für einen Überlebenskampf auf der Strasse.»

Tatsächlich verdreifacht sich die Wahrscheinlichkeit, wenn man zu Fuss oder auf einem Velo unterwegs ist, bei einem Zusammenprall mit einem Pick-up zu sterben. Aber auch die Insassen kleinerer Autos sind gefährdet.

Kritische Stimmen rufen in Erinnerung, dass Elon Musk selber Ende 2019 mit einem Cybertruck-Prototyp «ein Hinweisschild in Kindergrösse» überfuhr, als er nach einem Restaurantbesuch ein Abbiegeverbot missachtete.

«Es wirkte fast wie eine Marketingaktion, als Demonstration einer Mir-doch-egal-Mentalität.»
quelle: spiegel.de

Muss uns das (in Europa) kümmern?

Panzerglasscheiben, Exoskelett, kugelsichere Karosserie: Mit dem Cybertruck macht Tesla ein militarisiertes Fahrzeug für «normale» Leute zugänglich. Vorerst in den USA.

Aber wann hält der Monster-Pick-up hier Einzug? watson hat beim Bundesamt für Strassen (Astra) nachgefragt.

Astra-Sprecher Lorenzo Quolantoni erklärt:

«Derzeit liegen noch relativ wenige technische Daten über den Tesla Cybertruck vor. Es ist noch zu früh, um verlässliche Aussagen über die Chancen des Cybertrucks auf eine Typenzulassung in der Schweiz zu machen.»

Ende 2020 hiess es, dass der Cybertruck nur für den nordamerikanischen Markt verfügbar sein werde, «da er in seiner damaligen Form, aufgrund der sehr steifen Karosserie mit dem dadurch bedingten mangelnden Insassen- und Fussgängerschutz, in Europa nicht zulassungsfähig wäre».

Tesla Cybertruck
Ganz egal, wie viel Gepäck der Cybertruck schlucken mag: Wenn die Karosserie praktisch «unzerstörbar» ist, gibt sie bei einem Aufprall nicht nach.Bild: Tesla

Ein deutscher TÜV-Experte erklärte:

«Unserer Einschätzung nach ist der Tesla Cybertruck in seiner jetzigen Form ohne grössere Umbauten in Deutschland nicht zulassungsfähig.»
quelle: spiegel.de

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit von Direktimporten. Wer das US-Auto unbedingt auf hiesigen Strassen fahren möchte, könnte dies über eine sogenannte Einzelgenehmigung erreichen, wie der «Spiegel» schreibt.

Dürfen nach Deutschland oder in ein anderes europäisches Land importierte Cybertrucks das Schweizer Strassennetz befahren? Auch bei dieser Frage relativiert das Astra:

«Wenn jemand einen Cybertruck direkt aus den USA importieren möchte, das Fahrzeug aber noch keine globale europäische Typenzulassung erhalten hat, kann er in der Schweiz oder in Europa eine individuelle Typenzulassung beantragen. Die Person muss dann den Nachweis erbringen, dass das betreffende Fahrzeug den Normen entspricht, was insbesondere bedeutet, dass sie eine anerkannte Prüfstelle passieren muss, die die Konformität des Fahrzeugs mit unseren technischen Normen bescheinigt.»
Astra-Sprecher Lorenzo Quolantoni

Im Oktober warnten mehrere europäische Interessenverbände vor einem juristischen Schlupfloch, wonach Monster-Pick-ups aus den USA in Europa per «Einzelgenehmigung für Fahrzeuge» (IVA) zugelassen werden können.

Geht das Astra demnach davon aus, dass 2024 Cybertrucks auch in der Schweiz herumfahren werden?

Der Astra-Sprecher schränkt ein:

«Da jedes Land seine eigenen nationalen technischen Standards hat, ist grundsätzlich möglich, dass das eine oder andere Land solche Fahrzeuge zulassen könnte. In der Schweiz müssen die Fahrzeuge die in der Schweiz geltenden Vorschriften (u. a. bezüglich Fussgängerschutz) erfüllen, um zugelassen werden zu können.»

Die Tatsache, dass das eine oder andere europäische Land diese Fahrzeuge zulasse, habe keinen Einfluss auf die Zulassung dieser Fahrzeuge in der Schweiz. Erlange ein Fahrzeug hingegen eine europäische Gesamtgenehmigung, übernehme die Schweiz diese Typengenehmigung.

Diese SUV-Studie hat Toyota bei der Japan Mobility Show präsentiert (Dezember 2023).
Diese SUV-Studie hat Toyota anlässlich der Japan Mobility Show präsentiert.Bild: Toyota

Aber auch wenn es der Cybertruck nicht in grösserer Zahl nach Europa oder sogar in die Schweiz schaffen sollte: Die «aggressive Designsprache» dränge auch hierzulande ins Strassenbild, mahnt der «Spiegel».

Inzwischen setzten mehrere Elektroauto-Hersteller auf auffällig scharfkantige und protzige Luxus-SUV.

Die Aufrüstung auf dem Asphalt geht demnach weiter. Und zwar noch so lange, bis wir «Mad Musk» und Co. auf dem politischen Weg einen Riegel schieben.

Quellen

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195 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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GrüeziMitenand
05.12.2023 05:47registriert September 2022
Dass der Cybertruck jedenfalls eine genug grosse 'nach mir die Sintflut'-Zielgruppe auch hier in der Schweiz hätte, ist unbestritten.
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Ichsagstrotzdem
05.12.2023 06:11registriert Juni 2016
Die Karens dieser Welt werden es lieben, ihre Kiddies mit einem Panzer von der Schule abholen zu können.
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khargor
05.12.2023 06:22registriert Februar 2014
Pickups sind aufgrund ihrer hohen Hauben und der Unübersichtlichkeit sehr gefährlich für Kinder, Fussgänger, Velofahrer und andere Verkehrsteilnehmer. Zudem passen sie nicht in die Parkplätze rein und man gar nicht so viel reinladen wie in einen VW Caddy oder einen üblichen Pritschenwagen.
Also liebe Handwerker: Bleibt bei den Büsslis und Pritschenwagen. Es ist besser für euer Geschäft und die Verkehrssicherheit.

Thank you for coming to my TED Talk.
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