Digital
Google

Google installiert Nacktbild-Scanner auf Android-Handys – das wissen wir

Smartphone mit Google Messages Logo (Symbolbild)
Schon gehört? Auf Android-Geräten gibt es eine neue System-App, die Chat-Nachrichten überwachen kann.Bild: imago-images.de

Google installiert einen Nacktbild-Scanner auf deinem Handy – das steckt dahinter

Auf immer mehr Android-Mobilgeräten taucht eine System-App namens «SafetyCore» auf und verunsichert die User. Es gibt auffällige Parallelen zu Apples missglückter Einführung von «On-Device-Scans».
27.02.2025, 17:1028.02.2025, 13:57
Mehr «Digital»

Android-User stellen vermehrt fest, dass auf ihrem Mobilgerät eine App namens SafetyCore installiert ist. Dabei handelt es sich – vereinfacht ausgedrückt – um einen Nacktbild-Scanner der Android-Entwicklerfirma Google, der mehr oder weniger unbemerkt per Sicherheits-Update im Oktober 2024 lanciert wurde.

Hier erfährst du, wie die Anwendung deaktiviert werden kann. Und warum dahinter ein grundlegendes Problem steckt, bei dem auch Apple schlecht aussieht.

Was ist passiert?

Eine auf vielen Android-Smartphones installierte App namens «SafetyCore» sorgt für Verunsicherung. Es soll sich um einen Nacktbild-Scanner handeln. Auf der Social-Media-Plattform X machten alarmierende Meldungen die Runde, die ziemlich viele Fragen aufwerfen.

Offensichtlich war und ist den meisten Android-Usern nicht bewusst, dass sie betroffen sind. Das amerikanische IT-Nachrichtenportal ZDNet konstatiert:

«Wenn Sie ein neues Android-Gerät oder eines mit Software-Updates seit Oktober 2024 haben, ist SafetyCore mit ziemlicher Sicherheit auf Ihrem Handy installiert.»

Einer der umstrittensten Aspekte von SafetyCore ist, dass es ohne ausdrückliche Zustimmung im Hintergrund installiert wird. Dieses Vorgehen hat bei vielen Usern Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre und der Kontrolle über ihre eigenen Geräte und Daten geweckt.

Google versichert, dass alles mit rechten Dingen zugehe und kein Grund zur Besorgnis bestehe. Es handle sich um Komponenten des mobilen Betriebssystems, die die Sicherheit erhöhen sollen und optional sind.

Weiter heisst es, dass die User die Kontrolle behalten, dass sie SafetyCore deaktivieren oder deinstallieren können und dass sie die On-Device-Scans nicht aktivieren müssen, wenn sie offiziell lanciert werden.

Interessanterweise stand vor nicht allzu langer Zeit schon der Google-Rivale Apple wegen des gleichen fragwürdigen Vorgehens in der Kritik. Im Kern geht es darum, dass die marktbeherrschenden Techkonzerne auf den Geräten der Kundschaft weitreichende KI-Funktionen installieren. Doch es mangelt an Transparenz.

Was wissen wir zu SafetyCore?

Am 5. Oktober 2024 veröffentlichte Google ein Sicherheitsupdate für Android 9 und neuere Versionen des weitverbreiteten mobilen Betriebssystems. Und dieses auf den ersten Blick unscheinbare Update beinhaltete eine App namens «Android System SafetyCore».

Android System SafetyCore»
Das Symbol der Android-Systemkomponente.Screenshot: Google Play Store

Wie wir inzwischen wissen, schafft Google mit der neuen Android-Systemkomponente die technischen Voraussetzungen für Apps, um Bildüberprüfungen auf dem Gerät selbst (und nicht in der Cloud) durchzuführen.

Der App-Beschrieb im Google Play Store erklärt:

«SafetyCore ist ein Google-Systemdienst für Android 9+-Geräte. Es stellt die zugrunde liegende Technologie für Funktionen wie die kommende Funktion ‹Warnungen zu sensiblen Inhalten› in Google Messages bereit, mit der Benutzer sich schützen können, wenn sie potenziell unerwünschte Inhalte erhalten (...).»

Beim hauseigenen Messenger-Dienst «Google Messages» ermöglicht der «SafetyCore»-Dienst, dass auf dem Gerät empfangene Nacktfotos (und Nacktvideos) automatisch erkannt und unkenntlich gemacht werden.

Laut Google geht es erst richtig los.

«Während SafetyCore letztes Jahr mit der Einführung begann, ist die Funktion ‹Warnungen zu sensiblen Inhalten› in Google Messages eine separate, optionale Funktion und wird 2025 schrittweise eingeführt.»

Wo ist das Problem?

Das Ausrollen der neuen Funktion erfolgt gestaffelt. Für Verwirrung sorgte wohl insbesondere die mangelhafte Kommunikation durch den US-Techkonzern.

«Viele Android-Nutzer, die sich im Netz an Diskussionen über das fragwürdige Update beteiligten, bemängelten auch, dass sich das Update automatisch installiert hat – ohne nach Zustimmung zu fragen.»
quelle: futurezone.at

Google versichert, dass die Filterung auf dem Gerät stattfindet und keine Daten an externe Server geschickt werden, fasst futurezone.at zusammen. Doch das bedeute nicht zwangsläufig, dass der Dienst nicht mit anderen Google-Servern kommuniziere – und möglicherweise könnte so auch gemeldet werden, dass ein User sensible Bilder aufnehme, was darauf zu sehen sei, und vielleicht sogar, welche Personen abgebildet sind.

Die Entwickler des unabhängigen, als besonders sicher geltenden Android-Betriebssystems GrapheneOS zeigten sich in einer Stellungnahme kritisch, weil der Google-Programmcode nicht frei einsehbar ist:

«Es ist bedauerlich, dass es nicht Open Source ist und als Teil des ‹Android Open Source Project› veröffentlicht wird, und die Modelle sind auch nicht offen, geschweige denn Open Source. Es wird für GrapheneOS-Nutzer nicht verfügbar sein, es sei denn, sie machen sich die Mühe, es zu installieren.»

Gleichzeitig betonen die unabhängigen Entwickler, dass es sich bei SafetyCore von Google nicht um das höchst umstrittene Client-Side-Scanning handle, wie es etwa Apple 2021 fürs iPhone einführen wollte, aber nach massiven weltweiten Protesten zurückkrebste.

Apple scheint die Lehren aus dem damaligen Schlamassel allerdings schon fast vergessen zu haben, wie wir weiter unten noch sehen werden...

Wie deaktiviert man den Nacktbild-Scanner?

Irritierend: SafetyCore hat offenbar kein eigenes App-Symbol und wird auch nicht in der üblichen Liste der laufenden Anwendungen angezeigt. Doch das Deinstallieren sollte im besten Fall ziemlich einfach sein.

Dazu erklärt futurezone.at:

  • «Gehe zur Einstellungen-App deines Geräts.
  • Tippe auf ‹Apps› oder ‹Apps & Benachrichtigungen›.
  • Wähle ‹Alle Apps anzeigen› und tippe dann oben rechts auf das Drei-Punkte-Menü, um ‹Systemprozesse anzeigen› auszuwählen.
  • Suche in der Liste nach ‹SafetyCore›.
  • Tippe auf ‹Android System SafetyCore› und dann auf ‹Deinstallieren›, falls verfügbar.
  • Falls die Deinstallationsoption ausgegraut ist, kannst du es möglicherweise nur deaktivieren.
  • Falls du den Dienst nicht deinstallierst, kannst du ausserdem versuchen, dessen Berechtigungen – insbesondere den Internetzugriff – zu entziehen.»

Aber: Laut ZDNet berichten User, dass sich SafetyCore während System-Updates oder über Google Play Services selbst nach der Deinstallation des Dienstes neu installierte. In diesem Fall müsse man SafetyCore erneut (manuell) deinstallieren, was ärgerlich sei.

Google betont, dass die User die Kontrolle behalten, dass sie SafetyCore deaktivieren oder deinstallieren können und dass sie die On-Device-Scans nicht aktivieren müssen, wenn sie offiziell lanciert werden.

Was hat Apple damit zu tun?

Apple verfolgt bei seinem eigenen Messenger-Dienst «Nachrichten» (früher «iMessage») vergleichbare Pläne: Bildüberprüfungen sollen sicher und datenschutzfreundlich auf den Geräten der User stattfinden.

Für User in Australien wurde im Oktober 2024 ein entsprechendes Update veröffentlicht. Die Betriebssystem-Version iOS 18.2 beinhaltet eine neue Sicherheitsfunktion, die zugeschickte Nacktbilder automatisch ausblendet oder durch Verwischen («Blurring») entschärft.

Wie der «Guardian» berichtete, handelt es sich um eine Erweiterung der sogenannten «Kommunikations-Sicherheitsmassnahmen», die seit iOS 17 für minderjährige Apple-User (unter 13 Jahren) standardmässig aktiviert sind, aber allen Usern zur Verfügung stehen.

Dank der Sicherheitsfunktionen erkenne ein iPhone automatisch Bilder und Videos mit Nacktheit, die Kinder möglicherweise in iMessage, AirDrop, FaceTime und Fotos erhalten oder zu senden versuchen. Die Erkennung solcher Inhalte erfolge durch Machine-Learning-Algorithmen auf dem Gerät selbst. Der Datenschutz sei gewährleistet, es gingen keine sensiblen Daten an Apple-Server.

Die Lancierung in Australien fiel mit einer Verschärfung der nationalen Gesetzgebung zusammen. Seit Ende 2024 müssten Apple und andere Techkonzerne die von ihnen betriebenen Cloud-Speicher- und Messaging-Dienste überwachen: auf Darstellungen von sexuellem Kindesmissbrauch und auf «terroristische Inhalte».

Dass die staatlichen Überwachungs-Bemühungen unvermindert weitergehen, zeigt der Blick nach Grossbritannien. Dort sieht sich Apple gezwungen, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von iCloud-Backups zu stoppen.

Was lernen wir daraus?

Der «Forbes»-Kolumnist Zak Doffman kommentiert an die Adresse von Apple und Google gerichtet:

«Wenn Sie unsere Telefone in KI-gesteuerte Maschinen verwandeln wollen, dann lassen Sie uns vorher wissen, was Sie tun, und geben Sie uns die Möglichkeit, ja oder nein zu sagen. Sonst schürt das die Angst vor dem Unbekannten.»

Dass die Kundinnen und Kunden von den führenden Techkonzernen Transparenz verlangen, erscheint nichts als logisch. Schliesslich vertrauen sie ihren Mobilgeräten höchst sensible Daten (wie Fotos) an und müssen sich darauf verlassen, dass diese geschützt sind.

Wie man es nicht machen sollte, stellte zuletzt (erneut) Apple unter Beweis. Mit iOS 18.2 und macOS 15.2 führte das Unternehmen eine neue KI-Funktion namens «Erweiterte visuelle Suche» ein. Diese ist in die «Fotos»-App integriert und erfordert im Gegensatz zu anderen Apple-Intelligence-Funktionen, die auf dem Gerät selbst laufen, einen Datenaustausch mit Apple-Servern.

Zwar werden nur verschlüsselte Daten übermittelt und keine persönlichen, sondern anonymisierte Informationen, eine Art mathematische Darstellung der Bildinhalte. Doch das datenschutzfreundliche Verfahren vermochte die Gemüter nicht zu besänftigen. Denn Apple lancierte die an sich praktische Funktion ohne die explizite Zustimmung der Nutzerinnen und Nutzer. Sie wurde mit dem Update standardmässig aktiviert und muss bei Bedenken in den Einstellungen auf dem jeweiligen Gerät (iPhone, iPad, Mac) manuell ausgeschaltet werden.

Screenshot: iPhone-Einstellungen «Fotos», Deaktivieren der Funktion «Erweiterte visuelle Suche».
Die «Erweiterte visuelle Suche» lässt sich in den «Fotos»-Einstellungen deaktivieren. Bild: watson

Quellen

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So aktiviert man die erweiterte iCloud-Verschlüsselung
1 / 17
So aktiviert man die erweiterte iCloud-Verschlüsselung
Was ist das Wertvollste, das du auf deinem Apple-Gerät hast? Sind es Fotos, Chatnachrichten, Sprachmemos, Notizen oder andere Dateien? Und damit zur wichtigsten Frage ...
quelle: apple
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Ich stelle mein Handy nie auf lautlos» – Oksana erzählt von ihrem Leben seit der Flucht
Das könnte dich auch noch interessieren:
96 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Pbel
27.02.2025 18:55registriert April 2017
Bekommt man dafür in Photos direkt eine "My Nudes" Gallerie?
1021
Melden
Zum Kommentar
avatar
s'Paddiesli
27.02.2025 18:53registriert Mai 2017
Alles ist immer so kompliziert und versteckt, und niemand weiss als normaler Benutzer darüber Bescheid.
Danke für den Artikel, auch über den zum Entfernen der Werbe-ID. 👍

Jetzt kann ich wieder sorgenlos Nacktmulle fotografieren.
792
Melden
Zum Kommentar
avatar
Antinatalist
27.02.2025 18:22registriert September 2019
Verdammt. Es kann doch niemand wollen, dass Google die täglichen Popo-Kontroll-Fotos scannt und dann von den Hämorrhoiden weiss und womöglich auch noch Werbung für Hämorrhoidensalbe aufschaltet.
753
Melden
Zum Kommentar
96
    Teslas Gewinn bricht ein
    Tesla hat in den vergangenen Monaten deutlich weniger Autos verkauft. Das zeigt sich nun auch in den sehr schwachen Quartalszahlen.

    So gespannt wird selten auf Quartalszahlen geblickt: Der US-Elektroautohersteller Tesla steht derzeit aber vor allem auch wegen seines Chefs, Multimilliardär und Trump-Freund Elon Musk, unter Beobachtung.

    Zur Story