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Russischer U-Boot-Kommandeur beim Joggen erschossen: Das steckt dahinter

Russischer Offizier und mutmasslicher Kriegsverbrecher beim Joggen erschossen

Der ukrainische Militärgeheimdienst veröffentlicht ein Video, in dem russischen Kriegsverbrechern mit Vergeltung gedroht wird. Kurz darauf ereignet sich ein Anschlag auf einen Ex-U-Boot-Kommandeur.
11.07.2023, 10:2412.07.2023, 09:02
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In Russland ist am Montag ein mutmasslicher Kriegsverbrecher beim Joggen erschossen worden. Seine tägliche Morgen-Route war dank Social-Media-Postings öffentlich bekannt.

Fast zeitgleich veröffentlichte die Ukraine ein vielsagendes Video zu ihren verdeckt operierenden Militär-Spezialeinheiten. Die Botschaft am Ende des Kurzfilms lautet:

«Die Zeit der Vergeltung ist gekommen.»

Woher wissen wir das?

Das russischsprachige Newsportal 93.ru berichtete am Montag über den «aufsehenerregenden Mordfall», wie auch die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS. Die Tat ereignete sich in der südrussischen Stadt Krasnodar.

Bei Twitter wies Igor Sushko auf die besonderen Umstände der Tötung hin. Er ist ein in der Ukraine geborener US-Amerikaner und früherer Autorennfahrer, der sich als unabhängiger Blogger mit Russlands Angriffskrieg befasst.

Zum Video des ukrainischen Militärgeheimdienstes konstatiert Igor Shusko:

«Das obige Video wurde etwa zur gleichen Zeit veröffentlicht, als ein russischer Kriegsverbrecher, der für den Abschuss von Kalibr-Marschflugkörpern und die Ermordung ukrainischer Zivilisten verantwortlich war, auf russischem Boden getötet wurde.»
quelle: twitter

Wer ist das Opfer?

Beim Getöteten handelt es sich gemäss den Berichten um den russischen Offizier Stanislaw Rschitski. Dieser war offenbar der frühere Kommandant des mit Kalibr-Marschflugkörpern ausgerüsteten russischen U-Bootes Krasnodar.

Am 14. Juli 2022 soll es vom Schwarzen Meer aus Raketen auf die ukrainische Grossstadt Winnyzja abgefeuert und fast 30 Menschen – darunter viele Zivilisten – getötet und mindestens 100 weitere zum Teil schwer verletzt haben.

Ukrainischen Medien fügten Rschitski zur Liste der U-Boot-Kapitäne hinzu, die ihrer Meinung nach den Angriff mit den seegestützten Raketen befehligt haben könnten.

Der hochdekorierte Marine-Offizier (Jahrgang 1980) war zuletzt stellvertretender Leiter der städtischen Abteilung für Mobilisierungsarbeit – im Büro des Bürgermeisters.

Was wissen wir zur Tat?

Der Mann wurde während eines morgendlichen Laufs in einem Park mit mehreren Schüssen in den Rücken und die Brust getötet. Der Täter entkam unerkannt.

Die Uhr und Kopfhörer des Opfers seien am Tatort gefunden worden, von einem Raubüberfall sei also keine Rede, berichtete das russische Nachrichtenportal 93.ru.

Die «Hinrichtung» Rschitskis scheine von langer Hand geplant worden zu sein, heisst es. Der Attentäter habe die Strecken gekannt und alle Überwachungskameras umgangen, sodass es wohl keine Bilder oder Videoaufnahmen gebe.

Der Getötete hatte seine Jogging-Routen offenbar auf der Social-Media-Plattform Strava geteilt. Die Standort-Daten stammten wahrscheinlich von einer Fitness-Uhr.
Der Getötete hatte seine Jogging-Routen offenbar auf der Social-Media-Plattform Strava geteilt. Die Standort-Daten stammten wahrscheinlich von einer Fitness-Uhr.screenshot: twitter

Was hat die Ukraine mit dem Fall zu tun?

Dazu war zunächst nichts bekannt (siehe Update, unten).

Gemäss Schilderungen bei Twitter ist das Vergeltungsvideo der ukrainischen Militär-Spezialeinheiten am Morgen des 10. Juli veröffentlicht worden. Am Abend seien dann erste Berichte über die Tötung des Russen publik geworden.

Bei Twitter wurde in der Folge auf eine frühere Ankündigung von Kyrylo Budanow, dem Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes (GUR), hingewiesen:

«Jeder Täter, der Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine begangen hat oder auch nur sehr ungeheuerliche Verbrechen, wie die Gruppenvergewaltigung oder die Tötung von Zivilisten und Kindern, wird in jedem Teil der Welt gefunden und eliminiert werden.»
Kyrylo Budanowquelle: twitter

Nach dem Raketenangriff auf das Zentrum der Grossstadt im Westen der Ukraine im Juli 2022 hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj Russland als «Terrorstaat» bezeichnet.

Er erwarte, dass der ukrainische Militärgeheimdienst die Verantwortung für die gezielte Tötung übernehme, twitterte nun Igor Sushko. Eine solche Ankündigung könnte russische Kommandeure davon abhalten, Kriegsverbrechen zu begehen.

Neue Entwicklungen zur Story (Update)

Budanow äusserte sich laut einem Tweet des osteuropäischen Online-Mediums Nexta am Dienstag zum Anschlag wie folgt: Seine Behörde habe «nichts mit der Ermordung des russischen Armeekapitäns Stanislaw Rschitski zu tun».

Das pro-ukrainische Freiwilligenprojekt «InformNapalm» hatte den Anschlag zuvor schon am Montagabend bei Telegram kommentiert: Um russische Kriegsverbrecher zu erwischen, sei es nicht notwendig, Spezialeinheiten einzuschalten. Es genüge, die Dienste einer russischen Verbrecherorganisation in Anspruch zu nehmen, die «für relativ wenig Geld gerne alle notwendigen Arbeiten der Rächer» übernehme.

«Die Russen haben die Büchse der Pandora geöffnet, so dass die Jagd auf die russischen Militärs nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch in deren tiefem Hinterland stattfindet.»
quelle: telegram / informnapalm

Laut BBC-Bericht vom Dienstagabend sagten russische Ermittler, sie hätten in Zusammenhang mit dem Mord einen Mann festgenommen, einen gebürtigen Ukrainer.

In einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung schreibt das ukrainische Verteidigungsministerium, der Kommandant des an den Raketenangriffen auf die Ukraine beteiligten U-Bootes «Krasnodar» sei in Krasnodar getötet worden. In der Mitteilung werden auch Details zur Tat genannt:

«Gegen sechs Uhr morgens wurden aus einer Makarov-Pistole sieben Schüsse auf ihn abgefeuert. Rschitski starb an den Folgen seiner Schussverletzungen.»
quelle: gur.gov.ua

Quellen

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76 Kommentare
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Campino
11.07.2023 11:39registriert Februar 2015
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NEIN!
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Rivka
11.07.2023 11:24registriert April 2021
Well, ich würde die Ukrainer nicht als Feinde haben wollen. Die werden sich für jedes Kriegsverbrechen rächen. Das muss nur noch Putin und seinen Lakaien klar werden.
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Pontifax
11.07.2023 11:20registriert Mai 2021
Sich damit herausreden "Ich habe nur Befehle befolgt" ist vorbei. Nicht nur für russische Kriegsverbrecher.
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