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So beurteilen Fachleute die in der Schweiz bekannten Online-Modehändler

Die Schweizer NGO Public Eye schreibt: «Wir wollen Mode, die nichts zu verbergen hat. Mode ohne Ausbeutung. Mode, die nicht im Müll landet.» Doch dafür sei die Politik gefordert.
Die Schweizer NGO Public Eye schreibt: «Wir wollen Mode, die nichts zu verbergen hat. Mode ohne Ausbeutung. Mode, die nicht im Müll landet.» Doch dafür sei die Politik gefordert.screenshot: publiceye.ch

Du kaufst gern in Online-Modeshops? Dann wird dir diese Untersuchung die Augen öffnen

Von Alibaba und Amazon über Galaxus und Shein bis Wish und Zalando: Unabhängige Fachleute haben die zehn bekanntesten Online-Modehändler kritisch unter die Lupe genommen. Das musst du wissen.
23.05.2022, 16:1025.05.2022, 18:13
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Public Eye hat die bekanntesten Online-Modehändler der Schweiz unter die Lupe genommen. Und zwar im Hinblick darauf, wie verantwortungsvoll und transparent sie arbeiten.

Die Nichtregierungsorganisation (NGO) zieht ein ernüchterndes Fazit und verlangt vom Schweizer Parlament rechtliche Leitplanken. Hier sind die wichtigsten Fakten.

«Wir wollen Kleider, die nichts zu verbergen haben.»
Public Eye

Welche Firmen wurden untersucht?

Folgende Unternehmen, bei denen es sich um die zehn bekanntesten Schweizer Online-Anbieter handelt*:

  • About You (Deutschland)
  • Alibaba (China, «formal» sei die Holding auf den Cayman Islands beheimatet, hält Public Eye fest)
  • Amazon (USA)
  • Asos (UK)
  • Bonprix (Deutschland)
  • Galaxus (Schweiz)
  • La Redoute (Frankreich)
  • Shein (China)
  • Wish (USA)
  • Zalando (Deutschland)

* in Klammern ist das Land angegeben, in dem das Unternehmen seinen wirtschaftlichen Hauptsitz hat.

Was wurde untersucht?

Für die am Montag veröffentlichte Studie haben unabhängige Fachleute untersucht, wie verantwortungsvoll und transparent die grossen Online-Modehändler arbeiten.

Konkret ging Public Eye folgenden Fragen nach:

  • «Sind Lieferketten transparent oder wird die Herkunft geheim gehalten?»
  • «Sorgen die Onlinehändler für existenzsichernde Löhne in den Lieferketten, oder dulden sie Armutslöhne?»
  • «Wie transparent ist die Logistik der Firmen, und sind die Arbeitsverhältnisse sicher oder prekär?»
  • «Und was passiert mit Retouren? Werden diese vernichtet, oder sorgen die Firmen dafür, dass sie weiterverwendet werden?»

Analysiert wurden also Lieferkettentransparenz, Lohnpolitik in den Produktionsländern, Arbeitsverhältnisse in der hiesigen Logistik und der Umgang mit Retouren.

Welche Anbieter haben ein Problem?

Kurz gesagt: alle.

Zu den Herstellerbetrieben der Eigenmarken liefern laut Untersuchung 6 der 10 Online-Händler Angaben. Keine Transparenz gebe es hier bei Alibaba, La Redoute, Shein und Wish.

Bei Fremdmarken sei die Herkunftstransparenz in keinem der Onlineshops ein Aufnahmekriterium, schreibt die NGO.

Zudem fehle die Verpflichtung zur Sicherstellung von Existenzlöhnen bei den meisten Unternehmen. Transparenz über existenzsichernde Löhne in der Lieferkette würden alle untersuchten Firmen nicht bieten.

«Bei keinem Onlinehändler fanden wir Hinweise, dass auch nur ein Teil der Arbeiter*innen, die Bekleidung herstellen, einen existenzsichernden Lohn erhält.»
quelle: publiceye.ch

Etwas besser steht es laut Bericht um die Transparenz in der hiesigen Logistik. Public Eye kritisiert allerdings, dass Belege fehlen, dass Arbeitsverhältnisse überwiegend sicher und geregelt seien.

«Sichere, nicht-prekäre Arbeitsverhältnisse in der Logistik? Nirgends fanden wir Hinweise, dass dies für den Grossteil der Beschäftigten zutrifft.»

Kritik gibt es auch für den Umgang mit Rücksendungen. Nur 4 der untersuchten Firmen veröffentlichen Statements zur Vermeidung der Vernichtung von Retouren. Verbindliche Richtlinien würden fehlen, so die NGO.

Was hält Public Eye zum einzigen Schweizer Anbieter fest?

Im Bericht der NGO ist von einem «grossen Nachholbedarf» die Rede, den die Migros-Tochter Galaxus habe. Konkret:

«Das Unternehmen sollte sein Geschäftsmodell anpassen, um konsequentem Menschenrechts- und Ressourcenschutz Priorität vor Wachstum und Sortimentsausweitung zu geben. Lieferkettentransparenz und eine zeitgebundene Strategie zur Sicherstellung existenzsichernder Löhne wären dabei wichtige Bestandteile.»
quelle: publiceye.ch

Mediensprecher Alex Hämmerli antwortet watson:

«Wir sehen unsere Verantwortung in der Information. Am Ende hat bei uns die Kundschaft die Wahl, ob sie nachhaltige Produkte kauft – oder eben nicht.»

Galaxus stelle den Kundinnen und Kunden zum Beispiel bei weit über 100 Produkttypen einen «Nachhaltigkeits-Filter» zur Verfügung, so auch bei Modeartikeln. Bei den Produkten selbst sei unter «Nachhaltigkeit» aufgelistet, welchen Label-Standards sie genügten (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

Bei vielen Produktgattungen seien solche Labels «leider noch wenig verbreitet», zum Beispiel bei Elektronik, Uhren oder Schmuck. Weiter verweist der Galaxus-Sprecher auf einen Beitrag im Firmenblog, dort könne man erfahren, was das Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit tue.

«Diese Nachhaltigkeitsziele hat Public Eye bei der Recherche zum aktuellen Bericht offenbar nicht oder zu spät gefunden.»
Galaxus-Sprecher Alex Hämmerli

Und Amazon?

Der Konzern des US-Multimilliardärs Jeff Bezos hat wiederholt für negative Schlagzeilen gesorgt – wegen fragwürdiger Geschäftspraktiken und Arbeitsbedingungen.

Die aktuelle Analyse von Public Eye ist ebenso deutlich:

«Wir sehen keine Strategie zur Sicherstellung existenzsichernder Löhne in den Lieferketten. Amazon scheint auch keine ernsthaften Nachhaltigkeitsanforderungen an die Produkte auf seiner Plattform zu implementieren und nichts zu unternehmen, um exzessiven Konsum einzudämmen. Ganz im Gegenteil wird dieser durch Rabattschlachten wie ‹Prime Day› oder ‹Black Friday› massiv gefördert. Führungsrolle bei der Nachhaltigkeit? Fehlanzeige.»
publiceye.ch

Oder doch Alibaba?

Zweifelsohne habe Alibaba unzähligen kleineren Unternehmen technisch den Weg geebnet, um an klassischen Zwischen- und Grosshändlern vorbei neue Kundinnen und Kunden in der ganzen Welt zu erreichen, hält Public Eye fest.

Doch damit habe sich Alibaba selbst in die Position «eines der mächtigsten Gatekeeper in der Konsumgüterindustrie» gebracht – wenn nicht des mächtigsten überhaupt.

«Angesichts dieser enormen Marktmacht ist es frappierend, dass wir bei Alibaba weder Hinweise auf eine Strategie zur Verbesserung der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit, noch ein Problembewusstsein in Bezug auf fehlende existenzsichernde Löhne finden konnten.»
publiceye.ch

Was lernen wir daraus?

Zalando, Amazon, Shein und Co. hätten sich in wenigen Jahren zu dominierenden Akteuren im Modemarkt entwickelt, hält Public Eye fest. Die Untersuchung zeige:

«Auf freiwilliger Basis kümmern sie sich viel zu wenig um Nachhaltigkeit. Sie müssen zu mehr Verantwortung und Transparenz verpflichtet werden.»

Das schlechte Abschneiden der Unternehmen zeige die Notwendigkeit von klaren rechtlichen Leitplanken auf. Darum fordert die NGO vom Schweizer Parlament:

  • eine gesetzliche Pflicht zur Einhaltung von existenzsichernden Einkommen und die Schaffung von Herkunftstransparenz,
  • ein Vernichtungsverbot für neuwertige Kleider und
  • besseren Schutz der Arbeitsrechte in der Logistik.

Was du tun kannst

Gehirn und Gewissen einschalten beim Online-Shopping.

Und auf der Public-Eye-Website kann man eine Online-Petition unterzeichnen, um beim Parlament «ein Gesetzespaket für Verantwortung und Transparenz» zu bestellen.

Quellen

Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA/AWP.

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88 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Boogie
23.05.2022 16:37registriert April 2014
Ihr wollt mir also klar machen, dass alle diese Händler sich nicht um Nachhaltigkeit kümmern und einfach so viel Profit wie nur irgendwie möglich machen wollen? Ich bin schockiert! ;)
23010
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Deacon Blue
23.05.2022 17:19registriert Januar 2022
Ich bin völlig einverstanden damit, dass das ein Problem ist. Aber ist das nicht generell ein Problem der schnellebigen Modeindustrie insgesamt als des Online-Modehandels? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es um die ethische und ökologische Korrektheit der Lieferketten in den Filialen von H&M, C&A, Tally, Esprit und Co. viel besser aussieht. Die Frage scheint mir also weniger, wo man die Mode kauft, als wie oft und wie viele Kleider man kauft und ob man dabei auf ihre Herkunft achtet.
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goschi
23.05.2022 16:21registriert Januar 2014
KAUFT. KEINE. FAST. FASHION!!!


So einfach!

abgesehen davon, dass das alles miese Qualität hat, ist das Umwelttechnisch eine Katastrophe, die Modeindustrie produziert mehr Umweltschäden alleine als ganz Europa.
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