Schweizer Firma startet mit Natur-Hightech für Tesla und Co. durch
Flachs ist eine uralte Kulturpflanze – und seine Fasern sind das perfekte Material für Hightech-Produkte: Dies stellt die Westschweizer Firma Bcomp unter Beweis.
Sehr wahrscheinlich heben in Zukunft Raketen aus Naturfasern in den Weltraum ab. Das innovative Start-up kooperiert seit einiger Zeit mit der European Space Agency (ESA).
Noch wird geforscht, doch auf dem Heimatplaneten Erde ist die technologische Revolution durch den umweltfreundlichen «Verbundwerkstoff» bereits voll in Gang.
Jüngstes Beispiel: der EGT Tesla mit Karosserie aus Naturfaser, der ab Ende Jahr an einer neuen Rennserie teilnimmt:
So sieht der Renn-Tesla aus ...
Und letzte Woche war die Schweizer Innovation beim epischen Pike's Peak Rennen in den USA vertreten: Im Gillet Vertigo, gefahren von der Belgierin Vanina Ickx. Die Karosseriearbeit war die gleiche wie beim EGT Tesla – «alles Naturfasern».
Das Video zeigt, wie die Karosserie aus Naturfasern gebaut wurde
Ebba Carlson, zuständig für Marketing und Business Development bei Bcomp, hat die brennendsten Fragen des watson-Redaktors rund um die Naturfasern beantwortet:
Wie hat Bcomp das geschafft?
Das neuartige Material, das weltweit kein anderes Unternehmen in dieser Qualität herstellen kann, ist leichter, dämpft besser und hat eine höhere Biegfestigkeit als Kohlefaser (Karbon). Und vor allem ist es nachhaltig: Flachs wächst immer wieder nach.
Dazu muss man wissen, dass die Westschweizer Firma mit verschiedenen Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammenarbeitet. Seine Existenz verdankt das Start-up allerdings der grossen Neugier eines Skifahrers (siehe unten).
Werden die meisten Elektroautos in Zukunft aus Flachsfasern gebaut?
Unabhängig vom elektrischen Antrieb werde die Mobilität zunehmend durch Faktoren wie minimale Abgase, Kraftstoffverbrauch und Autonomie bestimmt, schreibt die Bcomp-Vertreterin. Alle diese Faktoren seien direkt von einem möglichst tiefen Fahrzeuggewicht abhängig. Und da punkte man mit Naturfasern:
Ein Anwendungsgebiet sei eben der Motorsport. Hier biete der Ersatz von Kohlefaser durch Flachsfaser in Karosserieteilen viele Vorteile: «Sie ist leichter bei gleichbleibender Leistung, sicherer ohne scharfe Schläge, kostengünstiger und nachhaltiger.»
Aber auch für die Automobilindustrie und ihre Grossserienfertigung sei dies interessant. «Wir haben derzeit Projekte mit vielen der weltweit führenden Automobilmarken.»
Wie zum Beispiel Volvo Cars.
Der schwedische Autohersteller hat kürzlich angekündigt, seine Fahrzeuge in Zukunft viel umweltfreundlicher zu bauen. Ab 2025 sollen mindestens 25 Prozent des in Neuwagen verbauten Kunststoffs aus rezycliertem Ozean-Plastik bestehen. Möglich machen dies die Naturfaserverstärkungen von Bcomp.
Die Bcomp-Managerin erklärt:
Haben Flachsfasern das Potenzial, die Autoindustrie zu revolutionieren?
Die Bcomp-Vertreterin antwortet bescheiden, aber bestimmt:
Welche anderen Branchen könnten durch Naturfasern revolutioniert werden?
Abgesehen von der Automobilindustrie und der Weltraumforschung zum Beispiel die zivile Luftfahrt: «Die Innenausstattung von Passagierflugzeugen ist eine weitere Anwendung, mit der wir uns beschäftigen», verrät die Bcomp-Vertreterin. Je leichter ein Flugzeug ist, desto tiefer der Treibstoffverbrauch und die Umweltbelastung.
Mit Skiern fing es an?
Es begann mit «unruhigen» Skiern: Der leidenschaftliche Freerider Cyrille Boinay nervte sich über hochwertige Bretter, die beim Fahren flatterten und vibrierten. Darum begann er mit den damaligen ETH-Doktoranden Christian Fischer und Julien Rion – den heutigen Firmenchefs – zu tüfteln. Ihr Ziel: Einen steiferen «Ski-Kern» zu entwickeln, der nicht viel wiegt.
Nach der Gründung 2011 liess sich Bcomp in Fribourg in der Blue Factory nieder. Das ist ein «Innovationsquartier» mitten im Zentrum, wo früher eine Brauerei stand.
2016 gewann Bcomp am Swiss Economic Forum den Jungunternehmerpreis in der Sparte Hightech/Biotech. Es folgten weitere internationale Auszeichnungen und Kooperationen.
Längst haben grosse multinationale Unternehmen das Potenzial von Bcomps patentierter Naturfaser-Technologie erkannt. Und wir sind gespannt, was noch alles aus Fribourg kommt.
Sind Bcomp-Naturfasern wirklich umweltfreundlich?
Ein watson-User meint kritisch:
Die Antwort von Ebba Carlson:
Aus ökologischer Sicht sei die Verwendung von Naturfasern anstelle von Karbon- oder Glasfasern oder Aluminium aus verschiedenen Gründen zu empfehlen:
- Mit den Bcomp-Verstärkungen werde weniger Material benötigt, d.h. es müsse weniger Material produziert werden und es entstehe weniger Abfall.
- «Unsere Fasern sind erneuerbar, im Gegensatz zu den Materialien, die sie ersetzen. Sie benötigen weitaus weniger Ressourcen für die Produktion und haben minimale Auswirkungen auf die Umwelt.»
- Am Ende des Lebenszyklus könnten Verbundteile mit Bcomp-Fasern innerhalb des Standard-Abfallsystems behandelt werden, betont Ebba Carlson: «Sie können sie sogar mit Hausmüll verbrennen und die Wärme zum Heizen Ihres Hauses nutzen, oder sie können abgeschliffen werden und ein neues Material bilden.» Dies im Gegensatz zu Verbundwerkstoffen mit Kohle- oder Glasfasern.
- Die deutlich leichteren Materialien bedeuteten einen geringeren Kraftstoffverbrauch – dies sei von grosser Bedeutung für die Automobil- und Luftfahrtindustrie.
Die Antworten wurden aus dem Englischen übersetzt.