Am Ende kann Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa doch noch einen Erfolg verkünden. Aus fünf wird elf. Aus der Brics-Gruppe wird Brics+. Brasilien, Russland, China, Indien und Südafrika haben sich nach einigem Hin und Her in Johannesburg entschlossen, ihren Kreis zu erweitern. Argentinien, Ägypten, Äthiopien, der Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate werden ab 2024 Teil derer, die, so betonen sie es hier in Südafrika immer wieder, dem Globalen Süden eine starke Stimme geben wollen. Um die Weltordnung gerechter zu gestalten.
Dass es nicht ganz so einfach ist mit der gemeinsamen Linie, wie die stets harmonischen Abschlusspressekonferenzen solcher Gipfel glauben machen wollen, lässt Ramaphosa durchscheinen. Sie seien eine diverse Gruppe von Ländern mit unterschiedlichen Ansichten, sagt er, doch mit einer gemeinsamen Vision. Es ist eine Vision, die den Industrienationen des Westens nicht unbedingt gefallen wird, mit der sie sich aber werden arrangieren müssen.
Schon jetzt übertrifft die Kaufkraft der Brics-Länder die der G7-Nationen. Mit der Erweiterung werden die Brics+ einen erheblichen Anteil am globalen Bruttoinlandsprodukt haben und die G7 auch in diesem Punkt übertreffen. Ihre Forderung, dass sie gehört werden, ist schon lange mehr als berechtigt.
Im vergangenen Jahr lud der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz als Gastgeber der G7 in Elmau Länder des Globalen Südens ein, am Rande mit dabei zu sein. Auch beim diesjährigen Treffen in Japan waren unter anderem Indien und Brasilien mit vertreten.
Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine reisen nicht nur Scholz, Aussenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck fast permanent um die Welt, auf der Suche nach wirtschaftlichen Möglichkeiten und demokratischen Verbündeten. US-Präsident Joe Biden ehrt Indiens Präsident Narendra Modi mit einem Staatsbankett in Washington, empfängt die Präsidenten Japans und Südkoreas und organisiert Demokratiegipfel. Das neue globale Wettrennen um Allianzen hat längst begonnen, der Westen ist womöglich zu spät.
Die Brics-Länder haben in Johannesburg deutlich gemacht, dass sie nicht einfach nur einen Platz am Tisch der Entscheider einfordern, sondern dass sie ihre Rolle selbst definieren werden. Es ist eine Ansage an den Westen – wirtschaftlich wie ideologisch.
Neben ihrer Erweiterung haben die Fünf beschlossen, die von ihnen gegründete New Development Bank und alternative Zahlungsmethoden zum US-Dollar weiter zu prüfen. Es ist ein Vorhaben, das sie schon lange verfolgen.
Den internationalen Handel und seine Gepflogenheiten auszuhebeln und eine gemeinsame Währung einzuführen, ist ein komplexes Langzeitprojekt. Noch muss der US-Dollar als Leitwährung keine Konkurrenz fürchten. Aufgeben werden die Brics ihre Idee aber nicht, Dilma Rousseff, Chefin der Brics-Bank, ist in Johannesburg auf allen wichtigen wirtschaftlichen Foren vertreten.
Politisch haben die Brics sich in der momentan grössten geopolitischen Frage in äusserster Zurückhaltung geübt: Der Krieg gegen die Ukraine findet drei Tage lang kaum Erwähnung. Putin wird, zugeschaltet aus Moskau, als guter Freund und Partner behandelt. Der russische Präsident kann unwidersprochen seine Erzählung des guten russischen Führers gegen den bösen Westen verbreiten.
Auf der Abschlusspressekonferenz am Tag nach dem Absturz des Privatjets der Wagner-Gruppe, bei dem mutmasslich ihr Anführer Jewgeni Prigoschin starb, sind keine Fragen zugelassen. Es sind Wohlfühltage für Putin.
Zwar ging Südafrika im Vorfeld nicht so weit, den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Putin zu ignorieren, um ihn so in Johannesburg empfangen zu können. Aber auch via Leinwand wird deutlich, dass Putin international nicht so isoliert ist, wie es sich der Westen erhoffen würde. In der Abschlusserklärung wird nur allgemein die Besorgnis über Konflikte überall auf der Welt zum Ausdruck gebracht und auf die Einhaltung der Charta der Vereinten Nationen verwiesen. Dass Putin mit seinem Krieg gegen die Ukraine diese permanent verletzt, wird ignoriert.
Die Erweiterung von Brics nutzt ideologisch so vor allem Putin und Chinas Staatspräsident Xi Jinping. Sie waren es, die am stärksten dafür geworben haben. Dass eine für den zweiten Gipfeltag angesetzte Pressekonferenz auf den frühen Donnerstag verschoben wurde, zeigt, dass darüber nicht leicht Einigkeit zu erzielen war. Die Einzelinteressen wiegen schwer, die Ausführungen der fünf Staatschefs werden immer wieder zu Werbeblöcken für ihre Ziele. Indien und Brasilien haben enge wirtschaftliche Bindungen zum Westen, vor allen Dingen zu den USA, Südafrika als wirtschaftlich schwächstes Mitglied setzt auf die Fortführung einer wichtigen Handelsvereinbarung mit den USA, die bislang bis 2025 läuft.
Und auch ideologisch wollen sich diese drei nur ungern von China und Russland in eine Blockbildung drängen lassen. Dass nun gleich sechs neue Länder schon Anfang 2024 aufgenommen werden, zeigt, wer sich bei den nicht öffentlichen Diskussionen durchgesetzt hat.
Für Brasilien, Indien und Südafrika, die sich alle als Demokratien begreifen – Lula da Silva betont, er wolle die Brics nicht als Counterpart gegenüber den G7, den G20 oder den USA sehen – wird es ein zunehmender Balanceakt werden. Denn Xi prangert die Hegemonialmacht der USA zwar nicht direkt, aber doch offensichtlich genug an. Er wird Brics weiter in diese Richtung prägen wollen, mit der Erweiterung stimmen dem alle zumindest indirekt zu.
Was auch die Frage nach der Zukunft der G20 stellt, deren Präsidentschaft Brasilien 2024 übernimmt. Eine Gruppe, der alle Brics-Länder angehören, die also Lager vereint, zwischen denen die Welt gerade hin- und herpendelt.
Eine aktuelle Erhebung des Bennett Institute for Public Policy Cambridge belegt diese Pendelbewegung zwischen Demokratien und autokratischen Staaten. Nicht erst seit dem Krieg gegen die Ukraine hat sich die ideologische Kluft auf der Welt verschärft. In Entwicklungsländern sind China und Russland beliebter als die Vereinigten Staaten. Es ist eine Spaltung, die der Brics-Gipfel nicht nur manifestiert, sondern weiter forciert.
Dieser Artikel wurde zuerst auf Zeit Online veröffentlicht. Watson hat eventuell Überschriften und Zwischenüberschriften verändert. Hier geht’s zum Original.
Das einzige was die verbindet, ist das Anstinken gegen den Westen. Das ist enorm wenig, um längerfristig zu halten.
"Schon jetzt übertrifft die Kaufkraft der Brics-Länder die der G7-Nationen."
In Summe oder auch pro Kopf? Den was diese Länder in riesigen Mengen haben, sind Menschen. Vor allem auch enorm viele arme Menschen. Und ein grosses Potential für interne grosse Konflikte.
Auf der anderen Seite gönne ich, zumindest den Menschen dieser Länder, mehr Gewicht auf der Weltbühne.
Indien exportiert neuerdings auch Öl, obwohl es in Indien gar kein Öl gibt. Russland zieht wirklich jeden um sich mit runter in die Tiefe..
Schade, hätte die Chinesen für klüger gehalten ..
Das einzige was Russland mit vielen Ländern des globalen Südens gemein hat, ist Autokratie, Korruption und Missachtung von Menschenrechten.