Gut 42 Prozent der Weltbevölkerung leben in den Brics-Staaten, gemeinsam sind sie schätzungsweise für einen Viertel der globalen Wirtschaftsleistung verantwortlich. Zu den Brics-Staaten gehören Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, seit 2009 treffen sich die Länder einmal jährlich.
Der diesjährige Brics-Gipfel geht am Donnerstagabend zu Ende. Neben der Ankündigung, dass die Brics-Vereinigung Zuwachs von sechs Staaten erhalten wird, wurde besonders ein Thema gross diskutiert: die angestrebte Entkoppelung der Schwellenländer vom US-Dollar.
Nun stellen sich Fragen: Wie sollte das überhaupt gelingen? Und hat eine Abkehr von einer derart übermächtigen Währung wie dem Dollar überhaupt Chancen? Eine Einordnung in fünf Punkten.
Neben der angekündigten Erweiterung zu «Brics Plus» stand vor allem der Zusammenhalt der Mitgliedsstaaten sowie der Ausbau ihrer ökonomischen Kooperation im Fokus des Treffens in Johannesburg. Hier fielen die Diskussionen um den US-Dollar auf: Mehrere Staatsoberhäupter und andere einflussreiche Personen haben sich für eine Abkehr von der globalen Leitwährung ausgesprochen. Diese Entwicklung ist an sich nicht neu – aber das Bestreben wurde diesmal intensiv diskutiert.
Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva wurde dabei besonders spezifisch: Am Mittwoch rief er die Brics-Staaten dazu auf, eine gemeinsame Währung für den Handel und die Investitionen untereinander zu schaffen. Und der zugeschaltete Wladimir Putin sagte, der Prozess der «Entdollarisierung» sei bereits jetzt «unumkehrbar» und gewinne an Tempo.
Zwar belegen die meisten Studien bereits jetzt einen Rückgang der Bedeutung des US-Dollars. Trotzdem gilt die Währung noch immer als eine Art globale Leitwährung: Etwa 60 Prozent aller Devisenreserven in den Zentralbanken werden in Dollar gehalten. Devisen sind ausländische Zahlungsmittel, die in Fremdwährung notieren. Private in Staaten mit einer unsicheren Währung halten ihre Ersparnisse in der amerikanischen Währung. Und in über 40 Prozent aller globalen Finanztransaktionen ist der Dollar involviert.
Für Schwellenländer wie die Brics-Staaten gibt es mehrere Gründe, diese Macht des Dollars reduzieren zu wollen:
Gerade der globale Süden ist seit Jahrzehnten der Geldpolitik der USA ausgesetzt. Das heisst: Verändern die USA ihren Leitzins, hat das immer auch in mehrfacher Hinsicht einen Effekt auf diese Länder. Ein Beispiel: Viele Länder haben Staatsschulden, die in US-Dollar notiert sind. Bei einer Leitzinserhöhung werden die Kosten dieser Schulden eines Landes – also der Zins, der regelmässig darauf verrichtet werden muss – auf einen Schlag steigen. Und je höher die Schulden oder die Reserven in Dollar, desto stärker ist ein Land betroffen.
Entscheide wie diese werden von den USA ohne Rücksprache mit anderen Ländern gefällt. Das brachte dem Land gerade in letzter Zeit, als der Leitzins mehrmals erhöht wurde, grosse Kritik von Schwellen- und Entwicklungsländern ein.
Die Dominanz des Dollars bringt den USA einen wichtigen Vorteil: Sanktionen können besser durchgesetzt werden. Einige sprechen auch vom Dollar als US-amerikanische Sanktionswaffe. Dabei kann die USA zum Beispiel den Dollarhandel einschränken oder, wie im Falle von Russland, die Devisenreserven in Dollar blockieren.
Verschiedene Zentralbanken, wie zum Beispiel die russische, haben bereits auf den zunehmenden Druck reagiert und ihre Abhängigkeit zum Dollar reduziert. Dies, indem sie Dollars als Reservewährung verkauften und zum Beispiel durch Goldreserven ersetzten.
Eine Minimierung des Dollar-Einflusses wäre für die Brics-Staaten auch aus politischer Sicht wünschenswert. Schon länger monieren sie die Vormachtstellung des Westens und insbesondere der USA. «Wir wollen auch eine Multipolarität der Wahlmöglichkeiten, eine multipolare Finanzwelt; wir wollen nicht an eine oder zwei Währungen als bevorzugte Währungen gekoppelt sein», erklärte zum Beispiel Anil Sooklal, Brics-Botschafter aus Südafrika.
Und Chinas Präsident, Xi Jinping, sagte es so: «Es gibt ein Land, das seine Hegemonie aufrechterhalten will und alles getan hat, um die Schwellen- und Entwicklungsländer zu lähmen.» Wer sich schnell entwickle, werde von ihnen eingedämmt. Wer aufhole, werde behindert.
Kurz: Eine finanzielle Unabhängigkeit würde solchen Ländern dabei helfen, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch eine unabhängigere Rolle einzunehmen.
Bislang gibt es noch keine konkreten Pläne, auf die sich die Brics-Staaten geeinigt hätten. Im Raum stehen aber eine eigene Währung, ein gemeinsames Zahlungssystem sowie die Stärkung von lokalen Währungen bei Finanztransaktionen.
Das kühnste Projekt wäre die Schaffung einer neuen und eigenen Währung. Diese würde eine enge Koordination der Geldpolitik – oder gar eine gemeinsame Geldpolitik – voraussetzen. Ausserdem wäre die Einführung alleine noch nichts wert: Es bräuchte genügend Vertrauen in diese und sie müsste auch genutzt werden. Eine Möglichkeit wäre es, diese Währung an Gold zu koppeln. So könnte man grosse Schwankungen minimieren.
Es ist vor allem Brasiliens Präsident Lula da Silva, der sich aktiv für eine solche Währung ausgesprochen hat. Indien liess im Juli noch verlauten, dies sei «kein Thema» und China hat sich bislang nicht konkret dazu geäussert.
Eine andere Möglichkeit wäre die Einführung eines alternativen Zahlungssystems. Dieses sollte insbesondere dem Nachrichtensystem Swift (kurz für Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) Konkurrenz machen. Über Swift werden täglich und weltweit tausende grenzüberschreitende Finanztransaktionen abgewickelt, die Plattform leitet und erleichtert Transaktionen zwischen tausenden von Banken, Börsen und anderen Finanzinstituten.
Wie genau dieses Zahlungssystem aussehen sollte, ist aber unklar. In diesem Zusammenhang wurde jedoch auch von einer eigenen Kryptowährung gesprochen.
Mit einem neuen Zahlungssystem könnten die Brics-Staaten ihre eigenen Bedingungen aufstellen. Ausserdem würde es ihnen erleichtern, Handel zu betreiben, ohne dabei den Dollar benutzen zu müssen. Das wäre insbesondere für den Handel mit Rohstoffen wie Öl, das nach wie vor mehrheitlich in Dollar gehandelt wird, interessant – und damit für viele Brics-Plus-Länder wie Saudi-Arabien, den Iran oder die Vereinigten Arabischen Emirate.
Diese Option wird bereits verstärkt umgesetzt. So werden zum Beispiel rund 80 Prozent des Handels zwischen Russland und China entweder in Rubel oder Renminbi, der chinesischen Währung, durchgeführt. Russland hat zudem begonnen, mit Indien in indischen Rupien zu handeln. Und auch ausserhalb der Brics-Staaten gibt es eine zunehmende Tendenz, den Dollar beim Handel zu vermeiden und auf eine lokale Währung zu setzen.
Bis auf die Stärkung der lokalen Währungen stecken solche Ideen noch in den Kinderschuhen. Praktisch alle Ökonominnen und Experten sind sich einig: Gerade eine eigene Währung ist, zumindest in der nahen Zukunft, höchst unwahrscheinlich.
Die Einführung des Euro hat gezeigt, wie schwierig es ist, eine gemeinsame Währung ins Leben zu rufen – und sie am Leben zu halten. Der Grund ist, dass es eine koordinierte Geldpolitik bräuchte, also wohl eine gemeinsame Zentralbank. Das setzt aber voraus, dass sich die Länder, zumindest ökonomisch, ähnlich sind. Sonst wäre beispielsweise eine Leitzinserhöhung im einen Fall vielleicht wünschenswert, während sie gleichzeitig die Wirtschaft eines anderen Landes gefährden würde.
Dabei sind die Unterschiede zwischen den Brics-Ländern noch um einiges grösser als zwischen den Euro-Ländern. Mit Ausnahme der Ablehnung der Vormacht der USA haben die Brics-Staaten nach wie vor wirtschaftlich und politisch kaum Gemeinsamkeiten.
Hinzu kommt: «Wenn sie eine gemeinsame Währung hätten, würde diese von der grössten und mächtigsten Volkswirtschaft in der Gruppe, nämlich China, dominiert werden», sagte ein Analyst gegenüber «Al Jazeera». «Und warum sollten kleinere Länder ihre Geldpolitik und Aspekte ihrer Steuerpolitik mit der chinesischen Wirtschaft verknüpfen wollen?»
Immerhin: Es gibt bereits eine eigene Entwicklungsbank, eine Art Brics-Bank (New Development Bank, NDB), sowie einen eigenen Fonds (Contingent Reserve Arrangement, CRA) – als Konkurrenz zur Weltbank und zum Weltwährungsfonds. Zwar stecken beide noch eher in den Kinderschuhen und haben global gesehen wenig Macht. Aber theoretisch könnte sich diese Brics-Bank um die Einführung einer neuen Währung kümmern. Wie das konkret funktionieren soll und was dann mit den heutigen Währungen geschieht, ist hingegen unklar.
Konkret bleibt den Brics-Ländern also vorerst die Option, Zahlungen vermehrt in den eigenen Währungen abzuwickeln. Die Bedeutung des Dollars hat bereits abgenommen, das zeigt sich zum Beispiel anhand der sinkenden Währungsreserven in Dollar der Nationalbanken. Es ist zwar ein Beweis dafür, dass diese Strategie bereits Früchte trägt.
Doch auch das ist ab einem gewissen Volumen nicht unproblematisch: Mehr Handel würde bedeuten, dass die Länder auch auf mehr Fremdwährungen von Brics-Ländern sitzen würden. Das ist aber mit Risiko behaftet – zum Beispiel, wenn eine solche Währung stark in ihrem Wert schwankt.
Gegenüber «Al Jazeera» meinte ein weiterer Analyst, mehr Reserven in lokalen Währungen zu halten – diese Strategie sei «höchst fragwürdig». Der Grund: Eine Reservewährung sollte möglichst stabil und sehr schnell umtauschbar sein – sonst wird sie eher zum Risiko. «Der Dollar ist im Moment die einzige Währung, die all diese Vorteile bietet», so der Experte.
Keine Frage: Für die USA wäre eine «Entdollarisierung» sowohl politisch als auch ökonomisch höchst unerwünscht.
Allerdings scheint man sich noch keine Sorgen zu machen. Angesprochen auf entsprechende Äusserungen von Brasiliens Lula da Silva sagte Janet Yellen, Finanzministerin der USA und Ex-Chefin der US-amerikanischen Notenbank Fed, bereits im Juni: «Es gibt einen sehr guten Grund, warum der Dollar im Handel weit verbreitet ist, und das ist, weil wir stark ausgebaute, liquide, offene Kapitalmärkte sowie Rechtsstaatlichkeit und starke Finanzinstrumente haben.»
Es würde für die Länder sehr schwierig sein, eine geeignete Alternative für eine Währung zu finden, die den globalen Handel für Jahrzehnte dominiert hat, so die Fed-Chefin.
Swiftalternative scheint mir schon sinnvoller. Aber gegen Sanktionen sind die Länder trotzdem nicht gefeit. China ist noch in Swift und kriegt trotzdem keine Topp-Chips mehr. Keine andere Staaten überfallen wäre die bessere Lösung, um Sanktionen zu vermeiden.