Während Polizisten auf den österreichischen Strassen Covid-Zertifikate überprüfen, bereitet man sich in Salzburg auf eine weitaus schwierigere Massnahme vor: Triage. Oder eben die Frage: Welcher Patient wird zuerst behandelt? Und welcher dafür nicht?
Österreich wird gerade mit voller Wucht von der nächsten Corona-Welle getroffen. Aufgrund der rasant steigenden Infektionszahlen gilt seit Montag für Ungeimpfte im ganzen Land ein Teil-Lockdown. Während zehn Tagen dürfen Personen, die weder geimpft noch genesen sind, ihr Zuhause nur aus dringenden Gründen verlassen, beispielsweise um zur Arbeit zu gelangen, den täglichen Einkauf zu tätigen oder sich zu erholen. Betroffen sind rund zwei Millionen der etwa neun Millionen Bürgerinnen und Bürger.
Der 7-Tage-Schnitt der bestätigten Neuinfektionen liegt derzeit bei 11'732 neuen Fällen. Zum Vergleich: In der Schweiz beläuft sich der 7-Tage-Schnitt der bestätigten Corona-Fälle aktuell auf 3710.
Die aktuellen Fallzahlen in Österreich bedeuten einen neuen Höchststand seit Beginn der Pandemie. Es dürfte nicht der letzte gewesen sein: Die Fallzahlen «werden in den nächsten Tagen weiter ansteigen», prognostizierte Gernot Filipp, Leiter der Landesstatistik.
Das rasant steigende Infektionsgeschehen wirkt sich nun auch auf die Belastung des Gesundheitssystems aus. 466 Menschen befinden sich in Österreich derzeit aufgrund einer Covid-Erkrankung auf der Intensivstation. 890 weitere Betten werden von Nicht-Covid-Patienten belegt. Zusammen entspricht dies einer Intensiv-Auslastung von 64 Prozent. Das klingt zunächst einmal noch wenig bedrohlich.
Doch die Auslastung variiert je nach Bundesland stark. Besonders betroffen von der aktuellen Corona-Welle ist Salzburg. Die Mozartstadt verzeichnet derzeit die höchste Sieben-Tage-Inzidenz unter den österreichischen Bundesländern. Die Intensiv-Auslastung beträgt dort 82 Prozent.
Jüngste Patientin ist aktuell ein vierjähriges Mädchen, welches im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion auf der Intensivstation in Salzburg behandelt werden muss. Die Infektion hat bei dem Mädchen eine Multiorgan-Entzündung (PIMS) ausgelöst. Weitere vier Kinder mussten auf der Normalstation aufgrund einer Covid-Infektion behandelt werden.
Die Situation in den Salzburger Spitälern ist derart angespannt, dass die Geschäftsführung der Salzburger Landeskliniken (SALK), ein Zusammenschluss von sechs Krankenhäusern, nun reagiert. Die Behandlung aller nach bisherigen Standards könne bald nicht mehr garantiert werden, nicht zuletzt wegen fehlendem Personal. Die Landeskliniken stellten nun ein sechsköpfiges Triage-Team zusammen. Der Begriff Triage leitet sich von dem französischen Wort «trier» ab. «Trier» bedeutet soviel wie «sortieren» – oder auch «aussortieren».
Bei der Triage muss also ein Ärzte-Team entscheiden, wem sie zuerst helfen – und wen sie (zunächst) aussortieren.
Das Team besteht aus fünf Medizinern aus unterschiedlichen Fachbereichen, darunter ein Internist (Innere Medizin), ein Intensivmediziner und ein Palliativarzt (Behandlung schwerkranker Patienten in ihrem letzten Lebensabschnitt) sowie eine Juristin.
Mit der Triage sind ethisch heikle Fragen verbunden, gerade auch in diesen aufgeheizten Zeiten. Für die Geschäftsleitung der Salzburger Landeskliniken sei aber klar, dass man sich bei der Triage nicht zwischen Covid oder Non-Covid und geimpft oder ungeimpft entscheiden werde. Das wäre ethisch nicht vertretbar.
«Die Situation ist sicherlich so, dass ab einer gewissen Schwere der Erkrankung und Aussichtslosigkeit eine Triagierung stattfindet», sagt der Geschäftsführer der Landesklinik. Derzeit hätten jedoch noch keine Triagierungen stattgefunden. Warum Patientenüberweisungen an andere Bundesländer nicht in Betracht gezogen werden, wird nicht kommuniziert.
Um die Spitäler zu entlasten, will Salzburg mit weiteren Massnahmen gegensteuern. Dazu zählt ein stationärer Bereich für genesene Covid-Patienten, die aus verschiedenen Gründen noch betreut werden müssen. Covid-Patienten, welche nicht auf eine stationäre Betreuung in den Spitälern angewiesen sind, sollen in einer Reha-Anstalt aufgenommen werden. Zudem soll die Auffrischungsimpfung bereits vier Monate nach der zweiten Dosis für alle ermöglicht werden.
Noch einen Schritt weiter gehen will Walter Hasibede, Präsident der Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI). Er forderte für die Hochinzidenz-Bundesländer kurzzeitig einen generellen Lockdown. Die Lage soll am Mittwoch neu bewertet werden.
Aber es ist ethisch vertretbar Querschwurbler aufgrund eines einfach vermeidbaren Notfalls (mit einer Impfung) evtl. vernünftigen Menschen vorzuziehen?
Muss man nicht verstehen