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Das Silvester-Chaos in Deutschland in 5 Punkten

Das Silvester-Chaos in Deutschland und die Folgen

Zum ersten Mal seit zwei Jahren wurde Silvester in Deutschland wieder mit Shows und Feuerwerken gefeiert. Dass dies in vielen Städten gehörig schiefging, zeigen die vielen Videos, die in den sozialen Medien kursieren.
03.01.2023, 14:5803.01.2023, 17:05
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Die letzten zwei Jahre mussten die Deutschen aufgrund der Corona-Pandemie auf Feuerwerke verzichten. Dieses Jahr war die Böllerei wieder erlaubt. Auch wenn die Feuerwerkskörper vielerorts für schönes Schauspiel gesorgt haben, machten sie letztendlich vor allem negative Schlagzeilen. Dass es beim Hantieren mit Böllern zu Unfällen kommt, ist an sich nicht mehr überraschend, aber was an Neujahr in Deutschland passiert ist, geht weit darüber hinaus. Eine Übersicht.

Der milde Start in den letzten Tag des Jahres

Sowohl in der Schweiz auch in Deutschland wurden aufgrund der milden Temperaturen einige Wärmerekorde gebrochen. Das ausgesprochen milde Wetter zog diesmal auch Kälteempfindliche ins Freie. Selbst nachts wurden vielerorts noch zweistellige Werte erreicht, nachdem der Deutsche Wetterdienst tagsüber in vier Orten sogar 20 Grad und mehr gemessen hatte. Der höchste Wert wurde demnach gegen 14 Uhr mit 20,8 Grad im oberbayerischen Wielenbach erreicht.

«Mild» startete zunächst auch der Tag der Einsatzkräfte. Im Laufe des Tages kam es nur vereinzelt zu Einsätzen aufgrund von Bränden oder Explosionen. Streng wurde es vor allem ab etwa 18 Uhr.

Um diese Zeit begannen sich die Vorfälle im Zusammenhang mit Feuerwerk und Böllern allmählich zu häufen. Handelte es sich dabei meistens um Brände, die durch einen Unfall mit den Feuerwerkskörpern ausgelöst wurden, mehrten sich gegen Abend absichtlich ausgelöste Brände.

So stiess die Berliner Feuerwehr um 20 Uhr auf zwei Brände, die wohl böswillig verursacht worden waren. In beiden Fällen sei laut Zeugenaussagen ein Müllraum mit Feuerwerk beworfen worden, bis dieser in Flammen aufging. Was die Berliner Feuerwehr zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Das war bloss ein Vorgeschmack auf das, was später noch passieren sollte.

Die feuerwerksfreie Party in Berlin

Kurz nach 20 Uhr begann die auf ZDF ausgestrahlte Silvesterparty vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Die rund 2500 Karten für die Show waren zwar alle vergriffen, laut Polizei kamen am Ende aber nur rund 1300 Menschen, die über Stunden friedlich und ausgelassen zum Sound von DJ Bobo, Sasha und Laurell wippten und klatschten. Auf ein Feuerwerk wurde im Rahmen der Show verzichtet, stattdessen gab es um Mitternacht eine Lichtshow.

Berlin's famous landmark Brandenburg Gate is illuminated during the New Year's celebrations in Berlin, early Sunday, Jan. 1, 2023. (AP Photo/Michael Sohn)
Das Brandenburger Tor während der Lichtshow.Bild: keystone

Doch Tausende Menschen, die es nicht auf den abgesperrten Bereich vor dem Tor schafften, hatten ihre eigenen Raketen – und ihre eigene Party – mitgebracht. Dabei sei es immer wieder zu Zwischenfällen und Konflikten auch mit Einsatzkräften gekommen, sagte ein Polizeisprecher.

Die Zahl der Angriffe auf Einsatzkräfte habe im Vergleich zur Zeit vor Pandemie-Beginn deutlich zugenommen, so der Polizeisprecher weiter. Auf Twitter informierte die Polizei im Minutentakt über ihre Einsätze. Die Beamten rückten unter anderem aus wegen Schlägereien, Schüssen aus Schreckschusspistolen sowie Böller- und Raketenwürfen auf Passanten, Gebäude und Beamte. Nicht wenige Berliner verzichteten angesichts des Chaos auf manchen Strassen und Bürgersteigen lieber darauf, sich ins Getümmel zu wagen.

Die Eskalation

Berlin

Zentrum des Silvesterchaos war Berlin. Dort eskalierte die Lage um Mitternacht gleich an mehreren Orten, wie Videos in den sozialen Medien zeigen.

So versuchten etwa 60 bis 80 Personen im Stadtteil Lichtenrade ein Fahrzeug anzuzünden, indem sie Pyrotechnik darunter platzierten. Im Stadtteil Tempelhof wurde ein Linienbus mit Pyrotechnik und einem Feuerlöscher beworfen. Beim Versuch, einzugreifen, seien auch die Einsatzkräfte von der aggressiven Menschenmenge mit Pyrotechnik beschossen worden, teilte die Polizei mit.

Im Stadtteil Neukölln versuchten Feuerwehrleute ein bereits brennendes Fahrzeug zu löschen. Währenddessen seien sie «massiv mit Böllern angegriffen» worden.

An mehreren Orten wurden Feuerwerke mitten auf der Strasse gezündet. Teilweise wurde sogar mit Absicht auf Menschen und Wohnungen gezielt.

Insgesamt 1717 Mal rückte die Berliner Feuerwehr in der Silvesternacht aus. Dabei sei es zu 38 Übergriffen gekommen, bei denen insgesamt 33 Einsatzkräfte verletzt worden seien, schreibt die Feuerwehr Berlin am 1. Januar auf ihrer Website. Das habe sie überrascht:

«Die Berliner Feuerwehr war auf die einsatzreichste Nacht des Jahres personell und mit Einsatzfahrzeugen sehr gut vorbereitet. Überrascht wurden wir allerdings von der Masse und der Intensität der Angriffe auf unsere Einsatzkräfte.»

Leipzig

Auch in Leipzig zündeten Chaoten ihr Feuerwerk mitten auf der Strasse an. Videos auf Twitter zeigen, wie Feuerwerke in unmittelbarer Nähe von Autos und Menschen explodieren und an manchen Stellen Brände auslösen. Die Polizei war mit einem Grossaufgebot vor Ort.

Bonn

Wie die Polizei berichtet, sei in Bonn kurz nach Mitternacht ein brennender Müllcontainer gemeldet worden. Sie geht davon aus, dass dieser von Jugendlichen in Brand gesteckt worden war. Als die Feuerwehr und die Polizei vor Ort eintrafen, wurden sie von bis zu 40 Vermummten mit Pyrotechnik und Steinen angegriffen.

Die Einsatzkräfte waren gezwungen, sich kurzfristig zurückzuziehen und Unterstützung anzufordern. Die Brände konnten schliesslich gelöscht werden, gegen die Vermummten wird ermittelt.

Duisburg

Auch in Duisburg, im Westen Deutschlands, kam es zu schweren Ausschreitungen. Die Feuerwehr Duisburg vermeldete 381 Einsätze, die Polizei musste 470 Mal eingreifen.

So beispielsweise um 22:30 Uhr, als sich Menschengruppen im Stadtteil Hochheide gegenseitig mit Feuerwerkskörpern beschossen. Beim Eintreffen gerieten die Einsatzkräfte ebenfalls ins Visier und wurden mit Böllern, Steinen und Gasflaschen beworfen.

Die Suche nach den Schuldigen

Die Empörung nach der chaotischen Silvesternacht war gross und entfachte eine Debatte darüber, wer denn jetzt Schuld an der Eskalation gewesen sei.

Die rechten Parteien meinen, hier ganz klar ein Problem in der Migrationspolitik erkennen zu können. Grüne und linke Politikerinnen und Politiker hingegen sehen das Problem in der legalen Böllerei. Diese soll sowohl zum Schutz der Menschen und Tiere als auch aus Rücksicht zur Umwelt abgeschafft werden, fordern sie.

Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Jens Spahn (CDU) weigert sich, das Problem in der Böllerei zu sehen. Viel eher sieht er das Problem in einer gescheiterten Integrationspolitik, wie er gegenüber t-online sagte:

«Da geht es eher um ungeregelte Migration, gescheiterte Integration und fehlenden Respekt vor dem Staat statt um Feuerwerk.»
epa09591055 German Health Minister Jens Spahn attends a press conference about the current pandemic Covid-19 situation, in Berlin, Germany, 19 November 2021. As the number of infections continues to r ...
Jens Spahn.Bild: keystone

Über 100 Tatverdächtige wurden nach den Ausschreitungen in Berlin festgenommen. Diese stammten laut Polizeigewerkschafter Rainer Wendt aus dem «Migrantenmilieu». Er und die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPoIG) fordern eine schonungslose politische Aufklärung der Geschehnisse, berichtet «Focus». Dies gelte auch in Bezug auf die Herkunft der Täter. Gesicherte Informationen zu den über 100 Festgenommenen liegen derzeit aber noch nicht vor. Fest stehe nur, dass hinter den Silvesterkrawallen oft junge, alkoholisierte Männer steckten, so Wendt.

Die Reaktion der Regierung

Die deutsche Regierung verurteilte die Übergriffe. So sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag:

«Diese teils massiven Übergriffe auf Einsätze von Polizei und Feuerwehr, ehrenamtliche Helfer sowie auch auf Journalistinnen und Journalisten in der Silvesternacht verurteilt die Bundesregierung, natürlich auch der Bundeskanzler, auf das Schärfste.»

Die Regierung habe grosses Vertrauen in die Ermittlungsbehörden der Länder, dass die Täter konsequent ermittelt würden. Sie fügte hinzu: «Der Rechtsstaat darf nicht zulassen, dass Menschen, die in unseren Städten friedlich feiern und Einsatzkräfte, die ihren Dienst tun, derartigen Übergriffen ausgesetzt sind.»

Auch die Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich bestürzt:

«Das ist ein Ausmass an Gewalt, das fassungslos und wütend macht – und es zeigt eine Verrohung, die konsequentes Handeln erfordert.»

Trotz allem sieht sie in den Ausschreitungen keinen Anlass für ein nationales Verbot von Pyrotechnik zum Jahresausklang.

Auf die Frage, ob nun ein Verbot von Böllern und Silvesterraketen erwogen werde, verwies Faeser auf bereits existierende Verbotsregeln – etwa in der Nähe von Krankenhäusern und Altersheimen – sowie die Möglichkeit für Länder und Kommunen, sogenannte Böllerverbotszonen einzurichten. (saw mit Material der Nachrichtenagenturen sda und dpa)

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336 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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54er
03.01.2023 15:22registriert Juni 2018
Manchmal verstehe ich uns Linke nicht... man darf auch als Linker das Problem offen und direkt ansprechen und hier ist es sehr offensichtlich!

Wir haben auch Feuerwerk das offen verkauft wird und solche Bilder hab ich bei uns in Zürich noch nie gesehen.
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Snowy
03.01.2023 15:23registriert April 2016
Und die nun diskutierte Lösung ist ein Feuerwerksverbot!
Ironie off.

Natürlich liegt das Problem nicht da, dass man über Jahrzehnte ungebildete junge Männer mit einem patriarchalischen Rechtsverständnis hat Einreisen lassen.

Wir müssen endlich anfangen unsere Migration aktiv zu steuern. Es kann nicht sein, dass ein junger Mann in Marrokko, Eritrea oder Irak mit 8000 Euro in sein Wunschland in Europa migrieren kann.
Unsere Sozialwerke sind bereits heute krass überproportional von Migranten beansprucht.
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du_bist_du
03.01.2023 15:09registriert Mai 2020
Strenge Regeln gibt es schon. Vielleicht sollte man vorhandenes Recht mal durchsetzen, auf der Strasse und vor Gericht, bevor man neue Regeln erlässt. Kleinen Kindern auf dem Lande die Wunderkerze verbieten weil Einsatzkräfte in einer Grossstadt angegriffen, Fahrzeuge geplündert werden und nichts durchgesetzt wird?
Man soll natürlich nicht immer alles auf die Migration und Grossstädte schieben. Aber Täter nicht zu benennen und Angriffe mit allen möglichen Dingen, lediglich auf Feuerwerk zu schieben und zu einem gesamtdeutschen Feuerwerkproblem machen? Ok...
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