Christine Lambrecht hat am Sonntag eine Neujahrsansprache auf ihrem Instagram-Profil geteilt. Die Verteidigungsministerin steht dabei vor einer ungewöhnlichen Kulisse. Während sie unbeirrt vor der Handykamera über den Krieg spricht und das vergangene Jahr bilanziert, knallen hinter ihr Raketen und Böller und übertönen sie an einigen Stellen. In den sozialen Netzwerken hagelte es später Kritik und Häme für den Auftritt.
Das Jahr 2022 habe die Menschen vor unglaubliche Herausforderungen gestellt, sagte Lambrecht in ihrer Botschaft. Indes knallte es hinter ihr. Und weiter: «Mitten in Europa tobt ein Krieg.» Sie fährt fort: «Damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte. Viele, viele Begegnungen mit interessanten, tollen Menschen. Dafür sage ich ein herzliches Dankeschön.»
In den sozialen Netzwerken trendete der Gruß einige Zeit später. Manche Beobachter zeigten sich verärgert. «Das ist so unerträglich taktlos. ‹Es herrscht Krieg in Europa› – und ich stehe mitten im Silvesterfeuerwerk. Bumm», kritisierte die Sicherheitsexpertin Ulrike Franke auf Englisch bei Twitter. «Haben die in Berlin den Verstand verloren?» Auch der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje kritisiert: «Politische Kommunikation braucht in erster Linie politisches Gespür. Der Rest ist Handwerk. Beides fehlt im Video von #Lambrecht.»
Die Sicherheitsexpertin Ulrike Franke von der Berliner Denkfabrik European Council on Foreign Relations findet die Ansprache «unerträglich unsensibel». Und der Satiriker Jan Böhmermann klinkt sich scherzend in die Debatte ein: «Morgen tritt Christine Lambrecht das Amt der Selbstverteidigungsministerin an.»
Morgen tritt Christine Lambrecht das Amt der Selbstverteidigungsministerin an.
— Jan Böhmermann 🤨 (@janboehm) January 1, 2023
Die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler legte Kanzler Olaf Scholz (SPD) nahe, Lambrecht zu entlassen.
Sie schrieb auf Twitter mit Hinweis auf den Ukraine-Krieg:
Es gehe schon lange nicht mehr um die Außenwirkung einer Ministerin, sondern um Deutschlands Wahrnehmung in Europa und der Welt. «Wer soll uns so noch ernst nehmen?», schrieb Güler.
Wahnsinn. Was darf Satire? #Lambrecht
— Serap Güler (@SerapGueler) January 1, 2023
„Mitten in Europa tobt ein Krieg& damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte. Viele Begegnungen mit interessanten und tollen Menschen. Dafür sage ich herzliches Dankeschön!“ https://t.co/4XL7TeTzE3
Die Bundesregierung will die Jahresbilanz der Verteidigungsministerin nicht kommentieren. «Ich sehe jetzt keinen Anlass, das hier zu bewerten», sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in Berlin.
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte, es handele sich um ein privat aufgenommenes Video, für das keine Ressourcen des Ministeriums verwendet worden seien. Auf die Frage, ob die Filmaufnahme angesichts des Kriegs in der Ukraine eine angemessene Form sei, das neue Jahr zu begrüssen, sagte er: «Die Worte der Ministerin im Video stehen für sich. Es ist nicht an mir, das zu kommentieren.»
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), äußerte sich am Montag distanziert: «Das betreffende Neujahrsvideo ist eine Sache der Ministerin und ihres Kommunikationsstabes. Ich selbst finde das Setting etwas unglücklich. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.»
Die Reaktion von CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler löste allerdings ebenfalls Kritik aus. Ein Nutzer vermutet Wahlkampftaktik der Berliner CDU vor der anstehenden Wahlwiederholung in der Hauptstadt. «Immer nur mit dem Finger auf andere zeigen, anstatt eigene Fehler anzuerkennen, scheint besonders beliebt bei der CDU zu sein», schreibt der Nutzer «Rogério» und erinnert an die Bilder aus dem Ahrtal und meint, die langjährige Russlandpolitik der CDU sei «vergeigt» worden.
Gülers Parteikollege und Bundestagsabgeordneter Matthias Hauer postet derweil in ähnlichem Ton wie die Politikerin: «Noch schlimmer als die Ansprache ist allerdings die Performance der Ministerin in 2022 – zumindest ist für 2023 viel Luft nach oben. #Bundeswehr.» (t-online)
Das Video ist am falschen Platz und zur falschen Zeit aufgenommen. So weit, so gut - aber deshalb gleich wieder im Netz herum pöbeln? Das muss nun auch nicht sein.