Die Sozialdemokraten um ihren Vorsitzenden Antti Rinne kam nach Auszählung von 100 Prozent der Stimmen in der Nacht zum Montag auf 40 der 200 Sitze im finnischen Parlament. Die vorläufigen Berechnungen seien abgeschlossen, teilte das finnische Justizministerium mit. Das offizielle Endergebnis sollte bis Mittwoch veröffentlicht werden.
Rinne erklärte, seine Partei sei erstmals seit 1999 wieder die stärkste Kraft in Finnland geworden. Bis Ende Mai wolle er eine Regierung bilden. «Wir wollen das Vertrauen der finnischen Bevölkerung wiederherstellen», sagte der Parteivorsitzende Rinne am Wahlabend. Der Ex-Finanzminister und frühere Gewerkschaftschef kündigte an, «vor Ende Mai» eine Koalitionsregierung bilden zu wollen.
Offen liess Rinne die Frage, ob er mit den rechtspopulistischen Finnen zusammenarbeiten könnte. Er habe «Fragen» an die Partei, die mit einem scharfen Kurs gegen Einwanderung Wahlkampf gemacht hatte. Dabei gehe es unter anderem um «Werte».
Bei der Wahl auf Platz zwei und drei landeten die rechtspopulistische Partei Die Finnen und die konservative Nationale Sammlungspartei mit 39 und 38 Mandaten. Die Rechtspopulisten halten damit neu mehr als doppelt so viele Sitze wie die bislang 17. Der bisherige Ministerpräsident Juha Sipilä und seine liberale Zentrumspartei kamen mit kräftigen Verlusten und 31 Sitzen nur auf Rang vier.
«Ich hätte ein solches Ergebnis nicht erwartet, keiner hätte dies erwartet», sagte der «Die Finnen»-Parteichef Jussi Halla-aho. Seine Partei sei bereit, in eine Regierungskoalition einzutreten, aber nicht «um jeden Preis». Die Rechtspopulisten hatten sich im Wahlkampf unter anderem dafür ausgesprochen, die Aufnahme von Asylbewerbern auf «fast null» zu begrenzen.
Keine der Parteien erreichte ein Fünftel der Stimmen - das ist ungewöhnlich in Finnland. Die vorläufigen 17,7 Prozent sind für die Sozialdemokraten dennoch ein Plus im Vergleich zur Parlamentswahl 2015 um 1,2 Prozentpunkte. Sie haben zuletzt 1999 eine Parlamentswahl gewonnen und bis zum Jahr 2003 zum bislang letzten Mal den Ministerpräsidenten gestellt.
In dem Wahlergebnis vom Sonntag spiegelt sich nach Ansicht von Beobachtern die wachsende Besorgnis unter der Bevölkerung über den Umgang mit der Immigration und über die Zukunft des Sozialsystems.
Der Wahlausgang stellt die Weichen für das Sozialsystem in Finnland. Das linke Lager um Rinne will es durch Steuererhöhungen erhalten. Mitte-Rechts will es eindampfen wegen steigender Kosten. Sipiläs Regierung war Anfang März am Streit über eine geplante Gesundheitsreform zerbrochen.
Rinnes Suche nach einer mehrheitsfähigen Regierung wird kein einfaches Unterfangen: Trotz der Zugewinne seiner Sozialdemokraten sowie der Grünen und Linken hätte ein linkes Regierungsbündnis keine Mehrheit. Der 56-Jährige dürfte also auch auf eine der anderen grossen Parteien zugehen, wahrscheinlich auf Sipiläs Zentrum. Ein Bündnis mit den Rechtspopulisten galt bisher als unwahrscheinlich.
Das starke Abschneiden der Rechtspopulisten mit ihren vorläufigen 17,5 Prozent ist auch hinsichtlich der Europawahl am 26. Mai interessant. Es könnte ein Signal sein, dass auch der nationalistische und eurokritische Block im EU-Parlament wächst.
Die Finnen-Partei gehört neben der deutschen AfD und der italienischen Lega zu den Parteien, die im EU-Parlament eine neue Allianz der Rechtspopulisten bilden wollen. Finnland tritt am 1. Juli zudem turnusmässig die EU-Ratspräsidentschaft an. Statt mit EU-Themen befassten sich die Finnen im Wahlkampf aber vor allem mit einer gescheiterten Gesundheitspflege- und Sozialreform, dem Klimawandel sowie dem Umgang mit dem Nachbarn Russland.
Die Wahlbeteiligung lag bei 72 Prozent. 2015 hatte sie 70,1 Prozent betragen. Kurios: Am Sonntag gaben etwas weniger Finnen ihre Stimme ab als vor dem eigentlichen Wahltermin. Mehr als 36 Prozent der knapp 4,5 Millionen wahlberechtigten Finnen und damit so viele wie nie zuvor hatten schon vorzeitig abgestimmt.
Nach dem Scheitern der Gesundheitspflege- und Sozialreform Sote war das Kabinett von Sipilä Anfang März zurückgetreten. Der Wahltermin hatte zu dem Zeitpunkt aber schon lange festgestanden. Bei der Wahl vor vier Jahren waren Sipiläs Liberale mit 21,1 Prozent noch stärkste Kraft geworden, woraufhin sie eine Mitte-Rechts-Koalition mit den Konservativen und den Rechtspopulisten eingegangen waren. 2017 spalteten sich die Populisten auf: Die Partei Blaue Zukunft von Aussenminister Timo Soini blieb in der Regierung, die Finnen-Partei um ihren neuen Vorsitzenden Jussi Halla-aho ging in die Opposition.
Sipilä zeigte sich deutlich zerknirscht: «Das Zentrum ist der grösste Verlierer dieser Wahl. Dieses Ergebnis ist eine grosse Enttäuschung für uns», sagte er bereits früh am Abend. Der Liberale wollte aber nicht sagen, ob seine Partei in die Opposition wechseln werde.
Die Grünen legten ebenso um mehrere Mandate zu wie die Linken. «Das ist das beste Resultat für die Grünen jemals», sagte Grünen-Spitzenkandidat Pekka Haavisto bereits nach der ersten Prognose des Abends. (sda/afp/dpa/reu)