Am Todestag des mächtigen iranischen Generals Ghassem Soleimani sind in dessen Heimatstadt Kerman bei zwei Explosionen mindestens 84 Menschen ums Leben gekommen, wie der iranische Gesundheitsminister in einem Interview bekannt gab. 211 weitere Personen wurden verletzt. Der mutmassliche Anschlag vom Mittwoch ereignete sich in der Nähe der Saheb-al-Saman-Moschee, in der sich Soleimanis Grab befindet.
Die staatliche Nachrichtenagentur IRNA hatte am Mittwoch unter Berufung auf den Rettungsdienst in der Stadt Kerman zunächst von 103 Toten gesprochen, dann von 95 und schliesslich von 84. Die Korrekturen seien aufgrund doppelter Namenszählungen vorgenommen worden, sagte der Gesundheitsminister.
Wie iranische Medien am Mittwoch übereinstimmend berichteten, wurden nach der Attacke mehr als 100 Patienten in Krankenhäusern operiert. 27 Verletzte befinden sich in kritischem Zustand. Unter den Todesopfern waren auch Rettungskräfte, wie Medien unter Berufung auf das Gesundheitsministerium berichteten.
Reportierende sprachen von einem «entsetzlichen Geräusch einer Explosion». Es gab auch Berichte iranischer Medien über eine zweite Explosion. Kermans Vizegouverneur sprach von einer Terrorattacke, wie der staatliche Rundfunk IRIB berichtete.
🔴 Another explosion in the area of the cemetery in #Kerman is now being reported in #Iran.
— Schulla (@Schulla007) January 3, 2024
🔹️80 dead in two explosions in #Iran.
🔹️Most of the dead were not injured as a result of the explosion, but because panic began, people ran over each other...
🔹️The cause of… pic.twitter.com/Fx3zYmEWMR
Kerman, das im Zentrum des Landes liegt, ist die Heimat von Ghassem Soleimani, dem früheren Kommandeur der Auslandseinheiten der Revolutionsgarden (IRGC). Die USA hatten ihn am 3. Januar 2020, angeordnet von Donald Trump, im Irak durch einen Drohnenangriff getötet. Von systemtreuen Regierungsanhängern wird Soleimani als Märtyrer verehrt.
Auch am Mittwoch pilgerten Menschenmassen durch Kermans Strassen zu Soleimanis Grabstelle. In einem live im Staatsfernsehen übertragenen Ausschnitt waren ein Knall und Schreie zu hören. Während einer Live-Schalte einer Reporterin waren Retter zu sehen, die mit Verletzten im Hintergrund in ein Spital eilten. Der genaue Grund für die Explosion war zunächst unklar.
Noch sind die Hintergründe der Explosionen unklar. Die iranischen Staatsmedien sowie die iranische Führung sprechen allerdings von einem Terroranschlag, der die Explosionen ausgelöst hat.
Die halbstaatliche Nachrichtenagentur Nournews berichtete, dass «mehrere Gaskanister auf der Strasse zum Friedhof» explodiert seien. Allerdings sei noch unklar, ob es sich um eine Gas-Explosion oder eine terroristische Attacke gehandelt habe.
Die meisten unabhängigen Beobachtenden im Iran gehen von einem terroristischen Anschlag aus, wie die BZ Basel schreibt.
Irans Staatsführung reagierte nach den Explosionen zurückhaltend und vermied Schuldzuweisungen.
Auf X haben sich unbekannte iranische Oppositionsgruppen zu den Anschlägen bekannt, so die BZ Basel weiter.
Die USA haben jegliche Verantwortung für den Anschlag im Iran nahe dem Grab eines getöteten Generals zurückgewiesen. «Die Vereinigten Staaten waren in keinerlei Weise beteiligt, und jegliche Andeutung des Gegenteils ist lächerlich», sagte am Mittwoch in Washington der Sprecher des Aussenministeriums, Matthew Miller.
Man habe ausserdem keinen Grund zu der Annahme, dass Israel an den Explosionen beteiligt gewesen sei, sagte Miller. Man verfolge die Berichte genau und könne sich bislang auf keine unabhängigen Informationen berufen. «Zumindest für uns ist es noch zu früh, um sagen zu können, was die Ursache sein könnte», sagte Miller. Den Opfern und ihren Angehörigen sprach er Mitgefühl aus. Einflussreiche Hardliner im Iran jedoch haben Israel für die Explosionen verantwortlich gemacht: Es gebe viele Gründe anzunehmen, «dass die Zionisten (Israel) in die terroristischen Explosionen verwickelt waren», hiess es in einem am Donnerstag publizierten Leitartikel der erzkonservativen Zeitung «Keyhan».
Irans Präsident Ebrahim Raisi hat die Explosionen, die er als Terrorattacke bezeichnet, aufs Schärfste verurteilt. Er wies laut einer Mitteilung der Regierung am Mittwoch die Behörden an, das Leid der Opfer und Verletzten zu lindern. Gleichzeitig forderte er eine entschiedene Reaktion. «Zweifellos werden die Täter und Befehlsgeber dieser feigen Tat bald ermittelt und (...) für ihre abscheuliche Tat bestraft werden», wurde der Regierungschef zitiert.
Als Reaktion auf die Anschläge liess Irans Regierung eine landesweite Staatstrauer ausrufen.
Irans Innenminister hatte ebenfalls angekündigt, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna sagte Ahmad Wahidi zu möglichen Hintergründen: «Wir haben Informationen, aber sie müssen bestätigt werden.»
Der russische Präsident Wladimir Putin äusserte sein Beileid gegenüber der iranischen Führung und verurteilte «den Terrorismus in all seinen Formen aufs Schärfste». Russland und Iran gelten als enge Verbündete.
Irans Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei hat nach der «Terrorattacke» eine scharfe Reaktion angekündigt. «Sie sollen wissen, dass diese katastrophale Tat eine harte Antwort nach sich ziehen wird, so Gott will», sagte der Religionsführer am Mittwoch laut einer Mitteilung, die in den Staatsmedien veröffentlicht wurde. Den Opfern und Familien sprach der 84-Jährige sein Mitgefühl aus.
Die Deutsche Bundesregierung und der Europäische Auswärtige Dienst verurteilten den Anschlag als Terrorakt.
Ghassem Soleimani kam 1957 im Südiran zur Welt und war bereits früh gegen die Monarchie und den Schah, wie das SRF schreibt. Nach der Revolution trat er den Revolutionsgarden bei und bekämpfte in den 80er-Jahren das Regime von Saddam Hussein. Als Kommandant der Al-Kuds-Brigaden – eine Eliteeinheit, die als Irans Militäreinheit im Ausland gilt und vom Westen als terroristisch eingestuft wird – galt Soleimani als Top-Stratege gegen die Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS).
Bereits vor seinem Tod wurde Soleimani in Iran als Held gehandelt. Der «Oberste Führer» und das religiöse und politische Oberhaupt des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, hatte ihn als «lebenden Märtyrer der Revolution» bezeichnet. Soleimani, der eng mit Chamenei zusammenarbeitete, galt als eine der mächtigsten Figuren des Irans.
Soleimanis Einfluss ging über dessen militärische Funktion als Leiter der Al-Kuds-Brigaden hinaus. So nahm er eine entscheidende Rolle in der Ausweitung des Einflussbereichs des Irans im Nahen Osten ein, wie CNN schreibt.
Die Explosionen steigern die Sorge vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten. Der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah hielt am Mittwochabend eine Rede, die ursprünglich dem vor vier Jahren getöteten Soleimani gewidmet sein sollte, wie die BZ Basel schreibt. Anhänger der proiranischen Schiiten würden eine Kriegsansage an Israel erwarten.
Nach der Tötung des Hamas-Führers Saleh al-Arour am Dienstag, die mutmasslich Israel zuzuschreiben ist, war die Rede mit besonderem Interesse erwartet worden. Die Explosionen an der Grabstätte Soleimanis vom Mittwoch steigerten die politische Brisanz der Rede.
Nach den Explosionen am Mittwoch kam es am Abend zu Protesten. Am Mittwochabend versammelte sich eine Menschenmenge am Anschlagsort und rief «Tod Israel» und «Tod den USA».
(hah/rbu/sda/dpa)
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