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Osama Najeem: Italien lässt vom IStGH gesuchten Kriegsverbrecher frei

Osama Najeem, Chef der libyschen Kriminalpolizei
Sein Fall sorgt international für Aufruhr: Osama Najeem.Bild: x

Italien entlässt libyschen Kriegsverbrecher in die Freiheit – das ist passiert

Am vergangenen Wochenende verhaftete die italienische Polizei einen vom Internationalen Strafgerichtshof gesuchten Kriegsverbrecher aus Libyen. Wenige Tage später wurde er in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zurück nach Tripolis verfrachtet – und freigelassen.
24.01.2025, 15:1824.01.2025, 16:24
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Was ist passiert?

Die italienische Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sieht sich nach der Freilassung eines Libyers mit Kritik von der Opposition und Menschenrechtsgruppen konfrontiert.

Beim Freigelassenen Osama Najeem, auch bekannt als Osama Almasri, handelt es sich um den Chef der libyschen Kriminalpolizei. Er wird aufgrund eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs wegen des Vorwurfs der Kriegsverbrechen gesucht. Weitere Vorwürfe sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie angebliche Vergewaltigung und Mord.

FILE - Italian Premier Giorgia Meloni holds a year-end press conference in Rome, Jan. 9, 2025. (AP Photo/Alessandra Tarantino, File)
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni steht in der Kritik.Bild: keystone

Wie kam es zur Festnahme?

Am Sonntag hatte die italienische Anti-Terror-Einheit Digos den Libyer, der zugleich Leiter eines Gefangenenlagers in der libyschen Hauptstadt Tripolis ist, in Turin nach einem Hinweis von Interpol festgenommen. Der Guardian berichtet, dass Najeem am Samstag mit einem in Deutschland zugelassenen Mietwagen aus Frankreich nach Italien eingereist war. In Begleitung anderer Libyer besuchte er am Abend ein Fussballspiel zwischen Juventus und der AC Mailand im Turiner Stadion. Danach konnte er in einem Hotel in der Stadt gefasst werden.

AC Milan's Rafael Leao, left, and Juventus' Khephren Thuram fight for the ball during the Serie A soccer match between AC Milan and Juventus at the San Siro stadium in Milan, Italy, Saturday ...
Das «Juventus Stadium» in Turin. Hier schaute Najeem ein Fussballspiel, bevor er verhaftet wurde.Bild: keystone

Warum wurde er freigelassen?

Nur wenige Tage nach der Inhaftierung, am Mittwoch, wurde Najeem wegen eines «juristischen Formfehlers» wieder freigelassen. Dass Problem war laut der Behörden, dass die Polizei nicht, wie vorgeschrieben, direkt das Justizministerium in Rom informiert hatte, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa.

Najeem wurde in einem Flugzeug des italienischen Geheimdienstes zurück nach Tripolis geflogen. Die Nachricht über die Freilassung des Generals wurde den italienischen Medien erst etwa 20 Minuten nach dem Abflug der Maschine vom Turiner Flughafen Caselle übermittelt.

Najeem wurde bei seiner Ankunft in Libyen wie ein Held gefeiert, wie ein Video auf der Facebook-Seite der libyschen Kriminalpolizei zeigte.

Die Szene im Video:

Video: extern/la stampa

Von einer Menge wurde er mit Jubelrufen willkommen geheissen, die zugleich die Italiener verhöhnten.

Das sagt der Internationale Strafgerichtshof

Najeem wird vom Internationalen Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag seit 2015 gesucht. Trotzdem wurde dieser von Italien nicht informiert. Das Gericht erinnerte das Land an seine Pflicht, umfassend mit ihm bei seinen Ermittlungen und der Strafverfolgung zusammenzuarbeiten. Italien ist Vertragsstaat des Gerichts.

Nach eigenen Angaben war der Internationale Strafgerichtshof vorab nicht über die Freilassung des Gesuchten konsultiert worden. Bisher habe Italien das Gericht ausserdem nicht einmal darüber informiert, heisst es.

War die Freilassung politisch motiviert?

Die Festnahme von Najeem wurde zunächst von Menschenrechtsgruppen begrüsst. Nach ihren Angaben werden in dem von Najeem geleiteten Gefangenenlager in Tripolis Menschen unter grausamen Bedingungen festgehalten. Der Haftbefehl des IStGH bezieht sich dementsprechend auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die dort begangen worden sein sollen.

FILE - View of the ICC, the International Criminal Court, in The Hague, Netherlands, Monday, Sept. 16, 2024. (AP Photo/Peter Dejong, File)
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag.Bild: keystone

Der italienischen Regierung von Giorgia Meloni wird nun vorgeworfen, den General unter einem Vorwand freigelassen zu haben, um die guten Beziehungen zu Libyen nicht zu gefährden. Italien ist in hohem Masse auf libysche Sicherheitskräfte angewiesen, um Migranten daran zu hindern, das nordafrikanische Land in Richtung Süditalien zu verlassen. Immer wieder nimmt die Küstenwache des Landes Migranten, welche die Fahrt über das Mittelmeer nach Europa wagen, an Bord und bringt sie zurück nach Libyen. Rom beobachtet dies mit Wohlwollen.

Oppositionsabgeordnete mehrerer Parteien äusserten sich nach der Freilassung Najeems empört. Ex-Regierungschef Matteo Renzi warf Meloni wegen ihres erklärten Ziels, Menschenhändler zu bekämpfen, Heuchelei vor: «Wenn nun ein Menschenhändler ankommt, von dem uns der Internationale Strafgerichtshof sagt, dass er ein gefährlicher Verbrecher ist, dann bringen Sie ihn nicht zur Strecke, sondern lassen ihn mit einem Staatsflugzeug nach Hause fliegen.» Auch Senator Giuseppe De Cristofaro von der Partei Grünes-Links-Bündnis fand klare Worte: «Sie stürzen unser Land in völlige Schande. Sie reden von juristischen Formfehlern, aber Sie haben eine präzise politische Entscheidung getroffen.»

Ausserdem wird die Freilassung von Menschenrechtsgruppen scharf kritisiert. Mediterranea Saving Humans bezeichnete den Schritt als «beschämenden Schutz», den die rechte Regierung in Rom einem «Menschenhändler und Folterer» gewähre.

So rechtfertigt sich die Regierung

Der italienische Innenminister Matteo Piantedosi sagte, Najeem sei «sozial gefährlich». Deshalb habe er ihn nach der ungültigen Verhaftung aus Gründen der Staatssicherheit habe ausweisen.

Italian Interior Minister Matteo Piantedosi addresses the Senate in Rome, Thursday, Jan. 23, 2025. (Roberto Monaldo/LaPresse via AP)
Matteo Piantedosi spricht zum Senat in Rom, 23. Januar 2025.Bild: keystone

Antonio Tajani, Italiens Aussenminister, nahm die Einwände des Internationalen Strafgerichtshofs auf die leichte Schulter und erklärte gegenüber Reportern, der internationale Gerichtshof sei «nicht das Wort Gottes und nicht die Quelle aller Wahrheit».

«Italien ist ein souveränes Land und wir treffen unsere eigenen Entscheidungen»
Antonio Tajani, italienischer Aussenminister

(lzo, mit Material der sda/dpa)

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16 Kommentare
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Ein Honigdachs (1)
24.01.2025 15:49registriert Juli 2020
Ja ja Ordnung muss sein, ausser es ist politisch opportun.
es zeigt deutlich das rechte Regierungen gerne vom moralischen verfall sprechen wenn sie in der opposition sitzen aber wenn gewählt öffnen sie der korruption Tür und tor.
würde mich nicht überraschen wenn alles muss raus Meloni den Lybiern nicht noch ein paar Häfen verkauft hätte.
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