Italien will bis Ende 2027 einen Plan fertigstellen, der die Nutzung der Kernenergie wieder zulässt. Dies sagte Energieminister Gilberto Pichetto Fratin in einem am Donnerstag von der italienischen Wirtschaftszeitung «Il Sole 24 Ore» veröffentlichten Interview.
«Italien ist bereit, zur Kernenergie zurückzukehren. Dies ist eine wichtige Entscheidung, die die erneuerbaren Energien nicht ersetzen, sondern ergänzen wird», sagte er. Ein Rahmengesetz zur Rückkehr zur Atomenergie soll von der Regierung noch bis Ende Januar verabschiedet werden.
Die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat kürzlich erklärt, dass kleine modulare Reaktoren und fortschrittliche modulare Reaktoren dazu beitragen könnten, Italiens umweltschädlichste Industriezweige, darunter die Stahl-, Glas- und Fliesenindustrie, zu dekarbonisieren. Kernkraftwerke sind in Italien nach Referenden in den Jahren 1987 und 2011 verboten, aber die Regierung arbeitet derzeit an Regeln, um das Verbot durch den Einsatz neuer Kernkrafttechnologien aufzuheben.
Italien schätzt, dass es bis 2050 insgesamt 17 Milliarden Euro an Kosten für die Dekarbonisierung der Wirtschaft einsparen würde, wenn der Anteil der Kernenergie an seinem Energiemix mindestens 11 Prozent betragen würde. Der staatlich kontrollierte Energieversorger Enel betreibt Kernkraftwerke in Spanien und der Energiekonzern Eni investiert in ein Projekt zur Entwicklung eines Kernfusionsreaktors in den Vereinigten Staaten.
Die Italiener hatten sich 1987 – ein Jahr nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl – in einem Referendum für den Ausstieg aus der Atomenergie ausgesprochen. Die letzten Atomkraftwerke wurden 1990 stillgelegt.
2009 hatte der damalige Regierungschef Silvio Berlusconi angekündigt, wieder in die Kernkraft einsteigen zu wollen, legte sein Vorhaben nach der Katastrophe von Fukushima aber auf Eis. 2011 sprachen sich rund 94,5 Prozent der Italiener in einem weiteren Referendum gegen den Bau neuer Atomkraftwerke aus. (sda/apa)