Die Demokratische Partei ist in Aufruhr. Zwei Fragen treiben sie besonders um: Soll Joe Biden ihr Präsidentschaftskandidat bleiben? Und wie sollen sie mit Donald Trump umgehen, nachdem dieser ein Attentat überlebt hat?
Eine eindeutige Antwort scheinen die Demokraten vier Monate vor der Präsidentschaftswahl noch für keine der beiden Fragen gefunden zu haben. Nur eines ist klar: Die Lage für sie sieht düster aus. Würden die Wahlen jetzt durchgeführt werden, würde Trump gemäss einer neuen CNN-Prognose klar gewinnen. Die Stimmen von bis zu 330 der 538 Wahlleute würden aktuell an den Republikaner gehen.
Die Demokraten kämpfen gleich an zwei Fronten: Mit Spannungen im Innern und teils vernichtender Kritik von aussen.
Erst sorgte Joe Biden mit einem katastrophalen Auftritt im TV-Duell gegen Donald Trump für Entsetzen. Alter und Fitness des Präsidenten werden seither angezweifelt. Einige Parteikollegen im Repräsentantenhaus haben den Präsidenten inzwischen dazu aufgefordert, nicht mehr um das Präsidentschaftsamt zu kandidieren.
Seit ein paar Tagen macht sich zudem Unmut über einen Plan der Parteispitze breit. Diese will den 81-Jährigen noch vor dem Parteitag Mitte August zum Präsidentschaftskandidaten nominieren. Geplant ist gemäss der «New York Times» eine virtuelle Abstimmung am 21. Juli. Eine Gruppe von Kongressabgeordneten schrieb am Dienstag in einem Brief, sie hätten «ernsthafte Bedenken» über den Plan. Biden selbst hat jedoch mehrmals festgehalten, er sei der beste Kandidat für das Rennen um die Präsidentschaft.
An der Basis seiner Partei sieht das die Mehrheit inzwischen jedoch anders: Laut einer aktuellen Umfrage der Agentur AP wollen gar 75 Prozent der Demokraten unter 45 Jahren, dass Biden auf die Kandidatur verzichtet. Bei den älteren sind es rund 60 Prozent.
«In einer perfekten Welt würde Biden den Platz für Kamala Harris freimachen», sagt Jocelyn Sida im Gespräch mit CH Media. Die 35-Jährige hat in den letzten 15 Jahren an politischen Kampagnen von demokratischen Kongressabgeordneten gearbeitet. Ein solcher Schritt sei aber höchst unwahrscheinlich und müsste so schnell wie möglich geschehen. Im wahrscheinlicheren Fall, dass die Partei an Biden festhält, müsse sein Team darauf vorbereitet sein, «jeden Tag im Krisenmodus zu sein», sagt Sida.
Zumindest die Republikanische Partei scheint sich auf Harris vorzubereiten. Neben Biden wird auch die Vize-Präsidentin immer öfters zur Zielscheibe der Reden am Parteitag der Republikaner in Milwaukee.
Seit dem Attentat auf Donald Trump scheinen die Rufe nach Bidens Rückzug aber vorerst verstummt. Der Vorfall hat den Demokraten jedoch ein weiteres Problem eingebracht: Sie werden für ihre hetzerischen Bemerkungen gegenüber ihren politischen Rivalen kritisiert. Das werfen sie sonst gerne den Republikanern vor. «Die Republikaner sind eine sehr heuchlerische Partei», sagt Jocelyn Sida, die heute Direktorin der Klimaschutz-NGO Sierra Club ist, die in den gesamten USA tätig ist. Dennoch müsse man die Kritik ernst nehmen.
In einem Interview mit dem Fernsehsender NBC entschuldigte sich der Präsident kürzlich für seine frühere Aussage, man müsse Trump «ins Visier» nehmen. Er sagte aber auch, dass die Rhetorik des Republikaners aufrührerischer und Trump immer noch eine Bedrohung für demokratische Institutionen sei.
«Beleidigungen werden die Demokraten nicht zum Sieg führen», sagt Sida. Stattdessen müsse sich die Kampagne jetzt darauf fokussieren, den Leuten die Erfolge der Biden-Regierung näher zu bringen. «Die Botschaft sollte sein: Das alles können wir verlieren, wenn wir nicht abstimmen gehen», sagt die Kampagnen-Managerin.
Während sich Biden zurzeit relativ ruhig verhält, scheint sein Wahlkampf-Team aber einen anderen Plan zu haben. Statt auf Trump fokussiert sich die Kampagne auf dessen Vize-Kandidaten J. D. Vance. Seit dessen Nominierung hat das Team schon über ein Dutzend Posts über ihn publiziert. Von bearbeiteten Bildern im Comic-Stil – in einem wird Vance als «Maga Mini Me» betitelt – über alte Ausschnitte, in denen Vance seinen Chef kritisierte, bis hin zu kontroversen Positionen des 39-Jährigen, beispielsweise zu Abtreibungen.
Seine Berechtigung im aktuellen politischen Klima habe dieses Vorgehen aber «leider», sagt Sida: «Die Herangehensweise bei Wahlen hat sich verändert. Heute wollen die Leute Drama.» An diesem fehlt es aktuell sicherlich nicht.
Dass Biden nicht der geeignete Kandidat ist, hätte man schon vor den Vorwahlen wissen können, oder eigentlich schon seit 4 Jahren.