«Alles, nur nicht Macron» oder «Alles, nur nicht Le Pen» – was wird gewinnen?
Das Urteil der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen 2022 wurde gefällt. Abgesehen von der Tatsache, dass die klassische Rechte, die vor fünf Jahren von François Fillon verkörpert wurde, der für die Republikaner den dritten Platz belegte, aus dem Rennen geworfen wurde, sind alle gleich und beginnen von vorn. In der Reihenfolge: Macron, Le Pen, Mélenchon. Mélenchon kommt nicht in die zweite Runde. Es bleiben Emmanuel Macron und Marine Le Pen. Zwischen ihnen liegt ein Abstand von etwa 5 Prozentpunkten. Das ist fast doppelt so viel wie 2017.
Emmanuel Macron hat die Präsidentschaftswahlen noch nicht gewonnen. Auf dem Papier ist er dem Sieg näher als Marine Le Pen. Alles dreht sich nun um die Stimmreserven. Wenn Marine Le Pen einiges zusammenkratzen kann, wird sie auf etwas mehr als 35 Prozent der Stimmen hoffen können. Dies schliesst die Stimmen von Éric Zemmour mit ein. Zemmour hatte gleich nach Bekanntwerden der ersten Hochrechnung seine Unterstützung zugesagt.
Der scheidende Präsident kann seinerseits auf die Unterstützung von Valérie Pécresse (Republikaner), Yannick Jadot (Grüne), Fabien Roussel (Kommunistische Partei) und Anne Hidalgo (Sozialistische Partei) zählen. Selbst Jean-Luc Mélenchon, der darauf hämmerte, dass keine Stimme aus seinem Lager an die extreme Rechte gehen dürfe, gab einen klaren Kurs vor.
Was bedeutet der Ausgang der ersten Runde für die Zukunft?
Die realpolitische Stimme, die auch aus Angst vor der extremen Rechten und aus Angst vor dem Krieg in der Ukraine abgegeben wurde, diente Emmanuel Macron. Er gilt als Garant der Demokratie und der Kontinuität Frankreichs.
Die Umfragen für die erste Runde, die Valérie Pécresse noch 8 Prozent gaben, wurden an den Wahlurnen halbiert. Es besteht kein Zweifel, dass Emmanuel Macron davon profitiert hat. Ebenso wird Marine Le Pen Eric Zemmour Stimmen weggenommen haben, der jedoch besser abschnitt als Pécresse.
Die quälende soziale Frage
Wie geht es weiter? Was für den ersten Wahlgang galt, gilt auch für den zweiten: Die Rechtsextremen bleiben eine Gefahr und der Krieg in der Ukraine ist in vollem Gange. Aber es gibt noch die soziale Komponente. Ein Thema, bei dem Marine Le Pen geschickt und verbindend wirkt. Ebenso wie Jean-Luc Mélenchon, der in diesem Bereich punkten kann. Er möchte zwar, dass keine Stimme seiner Wähler an Le Pen geht, hat seine Wähler aber nicht explizit dazu aufgerufen, am 24. April für Emmanuel Macron zu stimmen.
Da die Wähler ihre Stimme frei abgeben können, könnte nun auf das «Alles, nur nicht Le Pen» ein «Alles, nur nicht Macron» folgen, der sowohl bei Le Pen als auch bei Mélenchon als Präsident der Reichen wahrgenommen wird. Dieses «alles ausser Macron» könnte den amtierenden Präsidenten noch in arge Bedrängnis bringen.