Noch nie haben so viele Journalistinnen und Journalisten wegen ihrer Arbeit die Freiheit verloren wie in diesem Jahr. Der Verein Reporter ohne Grenzen (RSF) zählte mit Stand 1. Dezember 2022 insgesamt 533 Medienschaffende weltweit, die hinter Gittern waren, nur weil sie berichtet haben.
«Mehr als ein Viertel von ihnen wurde im Verlauf des Jahres inhaftiert.» Das geht aus der «Jahresbilanz der Pressefreiheit 2022» hervor, die die Menschenrechtsorganisation am Mittwoch veröffentlicht hat.
Die drei Länder mit den meisten Gefangenen aus der Medienbranche sind demnach China, Myanmar (früher Birma) und der Iran. Aber auch zum Beispiel in Russland greife der Staat hart durch.
Reporter ohne Grenzen hat bisher nie eine so hohe Zahl registriert. «Schon im vergangenen Jahr hatte die Zahl der Inhaftierten um 20 Prozent zugenommen, damals auf 470. In diesem Jahr fiel der Anstieg mit 13.4 Prozent etwas geringer aus.» Doch die enorm hohe Zahl zeige eines erneut:
Nur etwas mehr als ein Drittel der inhaftierten Medienschaffenden wurde verurteilt. Die verbleibenden zwei Drittel sitzen ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis. «Manche von ihnen warten seit mehr als 20 Jahren auf ihren Prozess», so Reporter ohne Grenzen.
«In China haben Zensur und Überwachung ein extremes Ausmass erreicht. Nach wie vor ist das Land das grösste Gefängnis für Medienschaffende weltweit», so RSF. Hongkong inbegriffen, sitzen 110 Medienschaffende dort in Haft.
Am 13. Juli hatte sich zum fünften Mal der Tod des Friedensnobelpreisträgers und RSF-Preisträgers Liu Xiaobo gejährt. Der chinesische Journalist war an Krebs gestorben, nachdem ihm in der Haft eine Behandlung verweigert wurde.
«In Myanmar ist Journalismus inzwischen faktisch eine Straftat, wie die grosse Zahl der nach dem Militärputsch vom Februar 2021 verbotenen Medien zeigt.» 62 Inhaftierte aus der Branche gibt es dort.
«Das Regime im Iran wiederum hat nur wenige Wochen gebraucht, um sein Land auf dieser Liste auf den dritten Platz zu bringen. Dort sitzen knapp zwei Monate nach dem Ausbruch der massiven, landesweiten Proteste momentan 47 Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis.»
Auch in Russland greift die politische Führung seit dem Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 hart durch, wie die Organisation berichtete. «Fast alle unabhängigen Medien in Russland wurden im Laufe des Jahres verboten, gesperrt, zu »ausländischen Agentinnen und Agenten« erklärt – oder alles zusammen.»
Die meisten der im Land gebliebenen Medienleute seien gezwungen, angesichts der drakonischen Strafen im Untergrund zu arbeiten: Wenn sie «falsche Informationen» über die russische Armee verbreiten, drohen ihnen bis zu 15 Jahre Gefängnis.
Im arabischen Austragungsland der Fussball-Weltmeisterschaft 2022 ist Pressefreiheit ein Fremdwort. Auch während der Grossveranstaltung der FIFA wurden mehrfach Medienschaffende an der Berichterstattung gehindert.
Christoph Deloire, RSF-Generalsekretär:
Sprich: Es gilt Politikerinnen und Politiker, respektive Parteien, zu wählen, die sich für die Medienfreiheit einsetzen. Und über die Website von Reporter ohne Grenzen kann man Online-Petitionen unterzeichnen und Geld spenden.
(dsc/sda/dpa)