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Reporter ohne Grenzen: Noch nie waren so viele Journalisten im Gefängnis

epa04054303 Protesters of the organization 'Reporter ohne Grenzen' (lit. Reporters Without Borders, or RWB) hold a placard 'for freedom of press' as they stand in front of the Russ ...
Protest vor der russischen Botschaft in Berlin, 2014. Unter dem Despoten Wladimir Putin wurden die Zensur und der Kampf gegen die Pressefreiheit weiter verschärft.archivBild: EPA/DPA

Noch nie waren so viele Journalisten im Gefängnis – das sind die schlimmsten Länder

Die internationale Non-Profit-Organisation «Reporter ohne Grenzen» zieht Bilanz zur Pressefreiheit. Das sind die wichtigsten Fakten.
14.12.2022, 06:0014.12.2022, 07:34
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Noch nie haben so viele Journalistinnen und Journalisten wegen ihrer Arbeit die Freiheit verloren wie in diesem Jahr. Der Verein Reporter ohne Grenzen (RSF) zählte mit Stand 1. Dezember 2022 insgesamt 533 Medienschaffende weltweit, die hinter Gittern waren, nur weil sie berichtet haben.

«Mehr als ein Viertel von ihnen wurde im Verlauf des Jahres inhaftiert.» Das geht aus der «Jahresbilanz der Pressefreiheit 2022» hervor, die die Menschenrechtsorganisation am Mittwoch veröffentlicht hat.

In welchen Ländern ist es am schlimmsten?

Die drei Länder mit den meisten Gefangenen aus der Medienbranche sind demnach China, Myanmar (früher Birma) und der Iran. Aber auch zum Beispiel in Russland greife der Staat hart durch.

Reporter ohne Grenzen hat bisher nie eine so hohe Zahl registriert. «Schon im vergangenen Jahr hatte die Zahl der Inhaftierten um 20 Prozent zugenommen, damals auf 470. In diesem Jahr fiel der Anstieg mit 13.4 Prozent etwas geringer aus.» Doch die enorm hohe Zahl zeige eines erneut:

«Autoritäre Regime gehen verstärkt dazu über, störende Journalistinnen und Journalisten einfach wegzusperren. In den meisten Fällen machen sie sich nicht einmal die Mühe, sie vor Gericht zu bringen»

Nur etwas mehr als ein Drittel der inhaftierten Medienschaffenden wurde verurteilt. Die verbleibenden zwei Drittel sitzen ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis. «Manche von ihnen warten seit mehr als 20 Jahren auf ihren Prozess», so Reporter ohne Grenzen.

China als grösstes Gefängnis

«In China haben Zensur und Überwachung ein extremes Ausmass erreicht. Nach wie vor ist das Land das grösste Gefängnis für Medienschaffende weltweit», so RSF. Hongkong inbegriffen, sitzen 110 Medienschaffende dort in Haft.

Am 13. Juli hatte sich zum fünften Mal der Tod des Friedensnobelpreisträgers und RSF-Preisträgers Liu Xiaobo gejährt. Der chinesische Journalist war an Krebs gestorben, nachdem ihm in der Haft eine Behandlung verweigert wurde.

«In Myanmar ist Journalismus inzwischen faktisch eine Straftat, wie die grosse Zahl der nach dem Militärputsch vom Februar 2021 verbotenen Medien zeigt.» 62 Inhaftierte aus der Branche gibt es dort.

«Das Regime im Iran wiederum hat nur wenige Wochen gebraucht, um sein Land auf dieser Liste auf den dritten Platz zu bringen. Dort sitzen knapp zwei Monate nach dem Ausbruch der massiven, landesweiten Proteste momentan 47 Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis.»

Putins Terror im In- und Ausland

Auch in Russland greift die politische Führung seit dem Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 hart durch, wie die Organisation berichtete. «Fast alle unabhängigen Medien in Russland wurden im Laufe des Jahres verboten, gesperrt, zu »ausländischen Agentinnen und Agenten« erklärt – oder alles zusammen.»

Die meisten der im Land gebliebenen Medienleute seien gezwungen, angesichts der drakonischen Strafen im Untergrund zu arbeiten: Wenn sie «falsche Informationen» über die russische Armee verbreiten, drohen ihnen bis zu 15 Jahre Gefängnis.

«Mindestens 18 Medienschaffende sind derzeit inhaftiert, darunter auch acht aus der Ukraine. Sie waren auf der Krim verhaftet worden, die Russland 2014 annektiert hat und die nun russischem Recht unterliegt.»
Mstyslav Chernov, preisgekrönter ukrainischer Journalist und Pressefotograf.
Mstyslav Chernov, preisgekrönter ukrainischer Journalist und Pressefotograf.Bild: Screenshot: Twitter

Und Katar?

Im arabischen Austragungsland der Fussball-Weltmeisterschaft 2022 ist Pressefreiheit ein Fremdwort. Auch während der Grossveranstaltung der FIFA wurden mehrfach Medienschaffende an der Berichterstattung gehindert.

Was tun?

Christoph Deloire, RSF-Generalsekretär:

«Dieser neue Rekord bei der Zahl der inhaftierten Journalisten bestätigt die dringende und dringende Notwendigkeit, diesen skrupellosen Regierungen Widerstand zu leisten und all denen, die das Ideal journalistischer Freiheit, Unabhängigkeit und Pluralismus verkörpern, unsere aktive Solidarität entgegenzubringen.»

Sprich: Es gilt Politikerinnen und Politiker, respektive Parteien, zu wählen, die sich für die Medienfreiheit einsetzen. Und über die Website von Reporter ohne Grenzen kann man Online-Petitionen unterzeichnen und Geld spenden.

Kampf für Medienfreiheit
Reporter ohne Grenzen (französisch Reporters sans frontières, RSF) ist eine international tätige Nichtregierungs-Organisation und setzt sich weltweit für die Medienfreiheit und gegen (staatliche) Zensur ein. Unter Berufung auf Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäusserung) engagiert sich der gemeinnützige Verein unter anderem für aus politischen Gründen inhaftierte Medienschaffende.

Seit 1995 erstellt RSF gemäss eigenen Angaben «auf der Grundlage präziser Daten, die vom 1. Januar bis 1. Dezember des betreffenden Jahres erhoben wurden, eine jährliche Zusammenfassung von Gewalt und Übergriffen gegen Journalisten». Die Zusammenfassungszahlen für 2022 umfasse Berufsjournalisten und Laienjournalisten. RSF sammle Informationen, die es ermöglichten, mit Sicherheit oder mit grossem Vertrauen zu bestätigen, dass die Inhaftierung, Entführung, das Verschwinden oder der Tod der Opfer eine direkte Folge ihre journalistischen Arbeit war.
(Quelle: wikipedia.org)

Quellen

(dsc/sda/dpa)

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