Die Kritik an der Fussballweltmeisterschaft in Katar reisst nicht ab. Während bisher vor allem Menschenrechtsverletzungen im Gastgeberland bemängelt wurden, gerät nun ein neuer Kritikpunkt in den Fokus: die Pressefreiheit. Denn das arabische Emirat stellt massive Einschränkungen in der Berichterstattung in Aussicht.
So könnte es internationalen Fernsehteams, die während der WM in Katar im Einsatz sind, verboten werden, Menschen in ihren eigenen Häusern zu interviewen. Dies ist Teil der weitreichenden Auflagen für die Berichterstattung, die eine «schwerwiegende abschreckende Wirkung» haben könnten. Das kritisieren zahlreiche Medienvertretende, wie «The Guardian» berichtet.
So dürfen Fernsehsender gemäss den von der katarischen Regierung erteilten Drehgenehmigungen nicht in Unterkünften filmen, in denen beispielsweise Wanderarbeiter untergebracht sind.
Den Bedingungen zufolge sind auch Aufnahmen in Regierungsgebäuden, Universitäten, Gotteshäusern und Krankenhäusern verboten. Ebenso wie Aufnahmen in Wohnhäusern und Privatunternehmen.
Die Beschränkungen sind Teil einer Liste von Bedingungen, denen die Sender zustimmen müssen. Zumindest, wenn sie bei den katarischen Behörden eine Drehgenehmigung für «Foto- und Videoaufnahmen an den beliebtesten Orten des Landes» beantragen.
Die Einschränkungen gelten nicht nur für Videoaufnahmen, sondern ausdrücklich auch für Fotografen, wie «The Guardian» schreibt. Allerdings seien Printjournalisten von den Regelungen ausgenommen. Zumindest unter der Prämisse, ihre Interviews nicht zu filmen.
Die Regeln verbieten zwar keine Berichte über bestimmte Themen. Die Einschränkung der Aufnahmen dürfte es Journalisten allerdings erschweren, gemeldete Missstände zu untersuchen – etwa die Ausbeutung und Lebensumstände von Wanderarbeitern oder die Rechte von LGBTQ+.
Katar selbst hat sich zu den Vorwürfen bereits geäussert. Am Samstag bestritt das oberste Komitee, die Medienfreiheit einzuschränken und erklärte, dass «mehrere regionale und internationale Medien in Katar ansässig sind und Tausende von Journalisten jedes Jahr frei und ohne Einmischung aus Katar berichten».
Die Behörde erklärte, sie habe eine frühere Version der Bedingungen für die Beantragung von Drehgenehmigungen auf ihrer Website aktualisiert, um die Regeln für Fernsehsender zu lockern.
Darunter falle etwa die Streichung einer Vorgabe für Journalisten, «bestätigen und zustimmen» müssen, nicht über bestimmte Themen zu berichten. So war es Journalisten vorher verboten, Berichte zu verfassen, die «unangemessen oder beleidigend für die katarische Kultur und die islamischen Grundsätze» sein könnten.
Oberflächlich betrachtet hat sich also einiges getan.
Die FIFA erklärte, sie arbeite mit dem obersten Komitee und den zuständigen Organisationen in Katar zusammen, um die bestmöglichen Arbeitsbedingungen für die am Turnier teilnehmenden Medien zu gewährleisten. Ausserdem wolle die FIFA sicherstellen, dass die Fernsehsender «weiterhin frei und ohne Einschränkungen berichten können».
Aber: Ein Sprecher sagte, es sei «wichtig, klarzustellen, dass das Filmen auf Privatgrundstücken in jedem Land weiterhin der Genehmigung des Eigentümers/Betreibers des Grundstücks unterliegt». Er äusserte sich nicht dazu, warum die Bedingungen ein vollständiges Verbot des Filmens auf Privatgrundstücken vorsehen.
Von freier Berichterstattung könne keine Rede sein, kritisieren westliche Medienvertreter. Sie fürchten sich vor Konsequenzen.
Schliesslich wurden ausländische Journalisten in der Vergangenheit bereits mehrfach in Katar inhaftiert. Etwa, weil sie über Themen berichteten, die von den Behörden als umstritten angesehen wurden.
Im Jahr 2015 wurde eine Gruppe von BBC-Reportern in Doha verhaftet und verbrachte zwei Nächte im Gefängnis, als sie die Wohnbedingungen für Wanderarbeiter untersuchten. 2013 wurde der deutsche Journalist Peter Giesel aus den gleichen Gründen verhaftet. Giesel und Kameramann Ahne wurden 27 Stunden inhaftiert und kamen erst frei, als die Deutsche Botschaft in Katar sowie der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, davon erfuhren und diplomatisch einschritten.
Es gibt auch jüngere Fälle: Im vergangenen November berichteten etwa zwei norwegische Journalisten über die Arbeitsbedingungen von Wanderarbeitern an den Austragungsorten der Fussballweltmeisterschaft. Als sie dafür recherchierten und anschliessend versuchten, das Land zu verlassen, wurden sie verhaftet und 36 Stunden lang festgehalten.
Wie werdet Ihr die Berichterstattung über die WM handhaben?
Schön wäre es, statt Spielberichte weitere Hintergrundberichte über die Menschenrechtslage und Pressefreiheit im Austragungsland lesen zu können, statt die PR-Maschinerie von FIFA und dem Regime in Katar mittels Berichterstattung über die WM selbst weiter zu füttern. Gibt es da schon einen redaktionellen Entscheid?