Bevor er das Flugzeug Richtung Skopje bestieg, sendete Ignazio Cassis noch einen Weckruf aus: Es gehe jetzt darum, dass «die Werte und Prinzipien der OSZE aufrechterhalten werden und die Organisation handlungsfähig bleibt», so der Schweizer Aussenminister zum Ministertreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der nordmazedonischen Hauptstadt.
Denn eines ist klar: Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine vor bald zwei Jahren ist die im Kalten Krieg gegründete Dialogplattform in einer existenziellen Krise. Sie hänge an der «Herz-Lungen-Maschine», formulierte es der österreichische Aussenminister Alexander Schallenberg.
Grund dafür ist Russland, das mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nicht nur die OSZE-Schlussakte mit Füssen tritt. Sondern auch mit seinem Veto-Recht die Organisation intern blockiert. Nachdem Russland die für 2024 geplante OSZE-Präsidentschaft von Estland torpediert hatte, konnte man sich Anfang Woche zwar mit Ach und Krach auf den Ersatznachfolger Malta einigen. Wichtige Personal- und Budgetentscheide verhinderte Russland bislang jedoch.
OSZE-Generalsekretärin Helga Schmid warnte vor einem bedrohlichen Geldmangel und sagte, dass die Organisation im laufenden Jahr nur dank Spenden von Mitgliedsstaaten vor der Pleite habe bewahrt werden können. Laut der deutschen Aussenministerin Annalena Baerbock gehe es Russland darum, die OSZE und mit ihr die Bestrebungen für eine Friedensordnung in Europa «zu zerstören». Das dürfe man nicht zulassen.
Für Ärger sorgte im Vorfeld ausserdem, dass der russische Aussenminister Sergej Lawrow am Treffen teilnimmt, obwohl er auf der internationalen Sanktionsliste steht. Im vergangenen Jahr hatte ihm Polen die Teilnahme noch verweigert. Nordmazedonien aber liess Putins Chefdiplomaten einreisen. Die Aussenminister der baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen sowie der Ukraine kritisierten die Entscheidung scharf und boykottierten das Treffen. Die Befürchtung war unter anderem, dass Lawrow seinen Auftritt zu Propaganda-Zwecken missbrauchen würde.
Und so kam es dann auch: In seiner Ansprache am Donnerstag wetterte Lawrow gegen den Westen, die Nato und das «Neonazi-Regime» in Kiew. Die OSZE sei zu einem «Anhängsel der Nato und der EU» verkommen und stehe «am Rand des Abgrunds». Schuld sei allein die «westliche Politikerelite», die sich für die Nato-Osterweiterung und gegen die OSZE entschieden hätte.
Mehrere Delegierte verliessen bei Lawrows Rede den Saal, während auch der Russe selbst bei der Rede der westlichen Vertreter nicht anwesend war. Während sich Aussenminister Ignazio Cassis bei der UN-Vollversammlung im vergangenen Jahr noch mit Lawrow ablichten liess, gab es dieses Jahr aber kein Handshake-Bild.
Die Schweiz hat der OSZE in der Vergangenheit stets grosse Bedeutung zugemessen. Besonders der ehemalige Aussenminister Didier Burkhalter engagierte sich während des Schweizer OSZE-Vorsitzes im Jahr 2014 stark. Das Mandat war geprägt von den Folgen des Maidan-Aufstands und der russischen Annexion der Krim.
Zweimal hat Burkhalter den russischen Präsidenten Wladimir Putin in dieser Zeit persönlich getroffen. Der Schweizer Top-Diplomat Thomas Greminger war zudem massgeblich an der Einrichtung einer OSZE-Mission beteiligt, welche die Einhaltung des Minsker-Abkommen entlang der Kontaktlinie in der Ostukraine beobachtete. Ab 2017 fungierte Greminger dann für drei Jahre als OSZE-Generalsekretär und versuchte, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln.
Und was sagen die Putinversteher von der SVP dazu?