Als Präsident John F. Kennedy 1961 die Gründung von USAID anordnete, hatte er zwei Ziele. Er wollte im Kalten Krieg den Einfluss der Sowjetunion zurückdrängen und bestehende Programme in einer Agentur zusammenführen. Beides basierte auf der Überzeugung, dass die nationale Sicherheit der USA vom Goodwill armer Länder abhängt.
USAID wurde zum Bestandteil eines Konzepts, für das der Politologe Joseph Nye vor 20 Jahren den Begriff Soft Power geprägt hat. Statt mit militärischer Gewalt sollten die Länder des Globalen Südens, wie man die «Dritte Welt» heute nennt, mit Hilfsprogrammen für die demokratischen Werte der westlichen Hemisphäre gewonnen werden.
Präsident Kennedy bezeichnete die Auslandshilfe als «mächtige Quelle der Stärke für Amerika». Nun aber sind Donald Trump und sein «Vollstrecker» Elon Musk am Drücker, und die haben für solche Töne kein Musikgehör. Für Trump besteht Stärke darin, andere Länder etwa mit Zöllen einzuschüchtern, damit sie einem Deal zu seinen Konditionen zustimmen.
USAID ist in seinen Augen ein Vehikel zur Geldverschwendung. Elon Musk beschimpfte die Behörde auf X als «kriminelle Organisation», die von «radikalen Linken» geführt werde. Er will die Belegschaft massiv reduzieren, von 10'000 auf weniger als 300. Die Freistellung von 2200 Mitarbeitenden wurde am letzten Freitag von einem Bundesrichter vorerst gestoppt.
Aussenminister Marco Rubio, dem die Entwicklungsbehörde unterstellt wurde, kündigte die Weiterführung von «lebensrettenden Nothilfeprogrammen» an. Doch was das konkret bedeutet, ist unklar. Wie immer bei Trump geht es darum, erst einmal Chaos zu stiften. Den Preis könnten Millionen Not leidende Menschen rund um den Globus bezahlen.
An Krisenherden ist kein Mangel, von Somalia über Gaza bis Afghanistan. In Afrika sind vor allem der brutale Bürgerkrieg im Sudan und die neu aufgeflammten Kämpfe im Ostkongo zu Hotspots humanitärer Katastrophen geworden. Auch dem weltweit grössten Flüchtlingslager in Bangladesch für aus Myanmar geflüchtete Rohingya-Muslime könnten Gelder fehlen.
Schweizer NGOs schlugen letzte Woche Alarm. Für die Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes in Lausanne bedeutet der US-Zahlungsstopp einen Einnahmeausfall von 10 Millionen US-Dollar pro Jahr. Dadurch seien Projekte in insgesamt neun Ländern betroffen, rund 1,5 Millionen Betroffene verlören die Unterstützung, teilte das Hilfswerk mit.
Mit der Streichung des Beitrags von USAID würden rund zehn Prozent des Jahresbudgets von Terre des Hommes wegfallen. Stark betroffen ist auch das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz (Heks). Es muss mehr als 100 Angestellte in der Ukraine, Äthiopien und der Demokratischen Republik Kongo entlassen, die in USAID-Projekten tätig waren.
Dem Kampf gegen HIV/Aids drohen ebenfalls enorme Rückschläge, wie die Infektiologin Alexandra Calmy vom Universitätsspital Genf der Agentur Keystone/SDA erklärte. Diese Krankheit sei in den Augen von Präsident Trump das ideale Ziel für die Kampagne gegen Inklusivität, meinte die Tochter von Alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey.
Die Entwicklungshilfe aber droht auch in anderen westlichen Ländern unter die Räder zu kommen. In der Schweiz wurde sie im Bundesbudget 2025 vom Parlament gegenüber dem Antrag des Bundesrats um 110 Millionen Franken gekürzt. Es handelte sich um Schadensbegrenzung, denn der Nationalrat wollte ursprünglich sogar 250 Millionen streichen.
Im Finanzplan 2026 bis 2028 wurden bei der Entwicklungszusammenarbeit dafür weitere 321 Millionen Franken eingespart. Die Konsequenzen teilte der Bundesrat Ende Januar mit: So wird die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) bis Ende 2028 die bilateralen Entwicklungsprogramme mit Albanien, Bangladesch und Sambia einstellen.
Weitere Abstriche gibt es bei internationalen Organisationen. Das UNO-Kinderhilfswerk UNICEF etwa wird 25 Prozent weniger erhalten. Für Rechtsbürgerliche ist das Sparpotenzial bei der Entwicklungshilfe damit nicht ausgeschöpft. «Im Ausland können wir mehr sparen als in der Schweiz», meinte der St.Galler SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel gegenüber SRF.
Der «Kahlschlag» in den USA könnte jedoch zu einem Umdenken führen. Gemäss dem «Tages-Anzeiger» gibt es Diskussionen, die Entwicklungshilfe wieder aufzustocken, mittels Nachtragskrediten. Möglich wäre es. Finanzministerin Karin Keller-Sutter deutete in der Wintersession an, dass die Staatsrechnung 2024 einmal mehr besser ausfallen wird als budgetiert.
Mitte-Präsident Gerhard Pfister liess im «Tages-Anzeiger» eine gewisse Offenheit für ein solches Vorgehen durchblicken. Den Entscheid der Trump-Regierung in Sachen USAID bezeichnet er als «schweren strategischen Fehler». Andere Grossmächte – namentlich China – würden nun ihren Einfluss in Entwicklungsländern ausdehnen.
Peking versucht seit Längerem, sich in Afrika, Asien oder Lateinamerika mit Hilfsprogrammen beliebt zu machen – ohne Bedingungen zu Menschenrechten oder Korruptionsbekämpfung. Es ist Chinas Reaktion auf die Tatsache, dass es in Sachen Soft Power niemals mit den USA mithalten kann – zumindest war das bislang der Fall.
Jetzt aber betreibe die Trump-Regierung «vorsätzliche Sabotage an der amerikanischen Soft Power», kritisierte die «Financial Times» in einem redaktionellen Kommentar. Die plötzliche Einstellung lebensrettender Programme sei «ein guter Weg, um einen antiamerikanischen Backlash zu provozieren». In die Bresche springen könnten auch andere autokratische Staaten wie Saudi-Arabien.
Nicht alle USAID-Projekte mögen sinnvoll sein. Einige stehen unter Wokeness-Verdacht. Doch die Entwicklungshilfe macht weniger als ein Prozent des US-Staatshaushalts aus. Ihre Streichung schadet dem ohnehin bedrängten Konzept der liberalen Demokratie und gibt autoritären Systemen Auftrieb. Doch wie macht man das einem Möchtegern-Diktator wie Trump begreiflich?