Der argentinische Präsident Javier Milei will den Staat mit der Kettensäge zerlegen. Dafür wird er von Libertären gefeiert, auch in der Schweiz. Im Vergleich mit Elon Musk aber wirkt er wie ein Chorknabe. Der Leiter des sogenannten «Departement of Government Efficiency» (DOGE) rast mit dem Bulldozer durch die Bundesverwaltung, ohne Rücksicht auf Verluste.
Der bislang krasseste Fall ist sein Angriff auf die Entwicklungshilfebehörde USAID, die er «durch den Holzhäcksler» jagen will, wie Musk auf seiner eigenen Plattform X mitteilte. Und das war die harmloseste Beschimpfung einer Agentur, die weltweit Millionen Menschen humanitäre Hilfe leistet, darunter vielen Kindern, und sie vor dem Hungertod bewahrt.
Der «Buddy» von Präsident Donald Trump würde USAID wohl am liebsten dichtmachen, doch die Behörde wurde vom Kongress geschaffen und kann nur von ihm aufgelöst werden. Kurzerhand wurde sie deshalb Aussenminister Marco Rubio unterstellt, doch die Absicht bleibt die gleiche. So werden Tausende USAID-Mitarbeiter in die Heimat zurückbeordert.
Der massive Imageschaden für die USA scheint Trump und Musk egal zu sein. Der Präsident will offensichtlich so schnell wie möglich nach seinem Amtsantritt den Staat umkrempeln, und Elon Musk dient ihm dabei als menschliche «Abrissbirne». Manche Beobachter gehen noch weiter. Sie halten Musk für den eigentlichen Chef im Weissen Haus.
Sein Vorgehen gegen die Bundesverwaltung ist beispiellos. «Auf einer Skala von 1 bis 10 liegt es etwa bei 145», sagte Donald Kettl von der School of Public Policy an der University of Maryland dem «Economist». Er erinnerte an Richard Nixon, den letzten Präsidenten, der regierte, als würden die Gesetze für ihn nicht gelten. Musk gehe «noch wesentlich weiter».
Die Gesetze oder die Verfassung scheinen ihn nicht zu kümmern. «Es fühlt sich an wie eine feindliche Übernahme des Regierungsapparats durch den reichsten Mann der Welt», sagte Don Moynihan von der University of Michigan dem Magazin «Wired». Man könnte auch sagen: Elon Musk gebärdet sich wie ein Putschist, gedeckt durch den US-Präsidenten.
Denn der gebürtige Südafrikaner ist weder gewählt, noch wurde er durch den Senat bestätigt oder einem Sicherheitscheck unterzogen. DOGE ist keine Regierungsbehörde. Faktisch ist Musk ein Privatmann, und erst noch einer mit handfesten Interessenkonflikten. Am Montag ernannte ihn das Weisse Haus zum «besonderen Regierungsbeamten».
Es wirkt wie ein Versuch, Elon Musk ein offizielles Mäntelchen umzuhängen. Sein Vorgehen bleibt auch so fragwürdig. Er verlässt sich auf eine Truppe blutjunger Ingenieure – der jüngste ist laut einer «Wired»-Recherche 19-jährig –, die ebenfalls keine Sicherheitsfreigabe besitzen und teilweise mit eigenen Servern und privaten Mailadressen operieren.
Es ist ein Vorgehen, das gegen so ziemlich alle Regeln verstösst (erinnert sich jemand an den privaten Mailserver von «Crooked Hillary» Clinton?). Ziel des Angriffs auf die Bürokratie ist gemäss «Politco», die IT-Infrastruktur des Bundes unter Kontrolle zu bekommen. Dazu passt das jüngste Vorgehen gegen die Wetter- und Ozeanografie-Behörde.
Für Aufsehen und Entsetzen sorgte, dass Messias Musk und seine DOGE-«Jünger» sich Zugang zum Zahlungssystem des Finanzministeriums verschaffen konnten. Dies könnte ihnen den Zugriff auf sensible Informationen von Millionen von Bürgern und Unternehmen ermöglichen. Ein führender Beamter, der dies verhindern wollte, wurde kurzerhand in den Ruhestand versetzt.
Der gerade vom Senat bestätigte Finanzminister Scott Bessent soll Musk nachträglich die Erlaubnis erteilt haben. Er galt als einer der «Vernünftigen» in der Trump-Regierung. Karoline Leavitt, die Pressesprecherin des Weissen Hauses, betonte, Musk und sein Team könnten die Daten des Finanzministeriums nur einsehen, aber nicht bearbeiten.
Die Demokraten und andere Kritiker sind dennoch fassungslos über das Ausmass, mit dem Elon Musk und DOGE die US-Behörden zu zerlegen versuchen. Sie wollen offenbar im Bundesbudget eine Billion Dollar einsparen, die Hälfte aller ungebundenen Ausgaben. Allerdings macht dies auch nur etwa die Hälfte des letztjährigen Budgetdefizits aus.
Zu diesem Zweck sollen möglichst viele der zwei Millionen Bundesangestellten entlassen werden. Musk bietet ihnen eine Abfindung von bis zu acht Monatslöhnen an, doch das wäre wohl illegal. Solche Abfindungen seien gesetzlich bei 25’000 Dollar gedeckelt, sagte Nick Bednar, ein Rechtsprofessor an der University of Minnesota, dem «Economist».
Wer das Angebot annehme, stehe am Ende womöglich «mit leeren Händen da», warnte Bednar. Musk verschickte es auch an Mitarbeiter der Luftfahrtbehörde – nur einen Tag vor dem verheerenden Crash in Washington. Für Donald Trumps Verbündete ist Elon Musks rabiates Vorgehen notwendig, um den sogenannten «Deep State» zu zerschlagen.
Die Absicht ist durchschaubar: Musk will vollendete Tatsachen schaffen, bevor der Kongress oder Gerichte (erste Klagen wurden eingereicht) eingreifen können. Auch deshalb trägt sein Vorgehen Züge eines Staatsstreichs. Und es zeigt, was von den Beschwichtigungen zu halten ist, die Trump-Regierung werde von den Institutionen schon in Zaum gehalten.
Immerhin, ganz wohl scheint es dem Weissen Haus nicht mehr zu sein. Musk müsse Stabschefin Susie Wiles Rechenschaft ablegen, sagte ein Trump-Mitarbeiter zu NBC News. Der Präsident selbst betonte am Montag, «Elon kann und wird nichts ohne Einverständnis tun». Am Sonntag allerdings hatte Trump ihm attestiert, er mache «einen tollen Job».
Ebenfalls am Montag kündigte Ed Martin, der von Trump ernannte interimistische Bundesanwalt für Washington, Ermittlungen an – nicht gegen DOGE, sondern gegen jene, die die Namen der jungen Ingenieure publik gemacht hatten. Kurz nach seiner Einsetzung hatte Martin rund 30 Ermittler gefeuert, die den Sturm auf das Kapitol untersucht hatten.
So läuft es, wenn der reichste und der mächtigste Mann der Welt zusammenspannen. Und zeigen, was sie von Demokratie und Rechtsstaat halten.