Am 13. März 2022 erhält die US-Regierung einen Hinweis aus Spanien. Die Superjacht «Tango» werde repariert, warnen die dortigen Behörden. Es würden Vorbereitungen getroffen, den Hafen von Palma auf der Insel Mallorca zu verlassen. Das 90 Millionen Dollar teure Schiff gehört dem russischen Oligarchen Viktor Vekselberg – Wohnsitz in Zug und einflussreicher Aktionär von Schweizer Industrieikonen wie Sulzer, OC Oerlikon oder Swiss Steel. Mit dem Hinweis aus Spanien steuern FBI-Ermittlungen gegen Vekselberg auf ihren Höhepunkt hin.
Zwei Tage zuvor hatte das US-Finanzministerium neue Sanktionen verhängt gegen «Kreml-Eliten, Oligarchen und ihre Familienmitglieder, die Putins Krieg gegen die Ukraine ermöglichen.» Vekselberg steht zualleroberst auf einer Liste von Personen, die angeblich ein «kremlnahes Netzwerk» bilden. Er unterhalte enge Beziehungen zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin und zum Ex-Präsidenten Dmitri Medwedew. Sein Vermögen wird auf 6 Milliarden Dollar veranschlagt, seine Jacht «Tango» und sein Privatjet zu «gesperrtem Eigentum» erklärt, beide sollen je einen Wert von ungefähr 90 Millionen Dollar haben.
Als der Hinweis aus Spanien eintrifft, wird in der Strafverfolgungsbehörde FBI ein Fluchtversuch befürchtet: Zuvor hatten andere russische Superjachten Europa eilig verlassen. «Special Agent» Cindy Burnham - eine Spezialistin für US-Sanktionen und internationalen Terrorismus - beantragt vor einem Gericht in Washington, die Superjacht zu beschlagnahmen.
In einem Antrag legt Burnham einen Eid ab, dass genügend Hinweise für einen Tatverdacht bestünden: Vekselberg habe sich zusammen mit Mittätern dazu verschworen, Bankbetrug sowie Geldwäscherei zu begehen, und er habe gegen US-Sanktionen verstossen.
In diesem Dokument steht zudem, was das FBI über frühere mögliche Delikte weiss, wie Vekselberg sein Schiff versteckte und wie es das FBI trotzdem fand.
Am Montag dieser Woche wird die «Tango» beschlagnahmt. Beamte der spanischen Guardia Civil und des FBI betreten gemeinsam das Schiff. Den Film davon und viele Fotos machen sie öffentlich. Vekselberg ist seine Jacht los, mit der er laut FBI im Dezember 2020 in einem luxuriösen Wasservillen-Resort auf den Malediven war.
Die USA wollen ein Zeichen setzen. Generalstaatsanwalt Merrick Garland veröffentlicht ein Statement: «Wir werden alle Personen zur Rechenschaft ziehen, deren kriminelle Handlungen es der russischen Regierung ermöglichen, ihren ungerechten Krieg fortzusetzen.».
Mit seinen Geschäftspraktiken habe sich Vekselberg eine lange Reihe von Klagen und Anschuldigungen eingehandelt, schreibt das FBI - und beschreibt einige Beispiele.
So habe 2001 in Russland ein Kläger behauptet, Vekselberg und ein Geschäftspartner seien in Erpressung und Geldwäscherei verwickelt gewesen. Sie hätten Öl und damit verbundene Einnahmen von russischen Unternehmen in eigene Firmen umgeleitet. Die Anklage behauptete zudem, Vekselberg und seine Partner hätten bewaffnete Soldaten eingesetzt. Mit deren Hilfe hätten sie dem klagenden Unternehmen die Kontrolle über ein sibirisches Ölfeld abgerungen.
Und das FBI listet auf, 2004 habe es in Russland öffentliche Berichte gegeben, wonach Vekselberg in einen Skandal verwickelt gewesen sei, bei dem von der «First City Bank» Kundengelder gestohlen worden seien. Den Erlös habe Vekselberg angeblich eingesetzt, um ein Symbol für Luxus und Goldschmiedekunst zu erstehen: die berühmten Fabergé-Eier. Damit soll Vekselberg auch Beliebtheitspunkte bei Putin gesammelt haben.
Die entscheidenden Informationen über die «Tango» hat das FBI von zwei Informanten einer Jachtfirma erhalten, die den Bau des Schiffs organisierten. Sie haben ausgepackt unter der Bedingung, dass sie nicht strafrechtlich verfolgt werden. Denn sie wussten genau, dass er der wahre Eigentümer ist, dies aber verschleiern wollte.
So registrierte er die Jacht auf den Cookinseln bei Neuseeland und verwendete dafür eine Briefkastenfirma auf den britischen Jungferninseln. Diese wiederum war verknüpft mit weiteren Scheinfirmen, eine davon in Zypern. Über das Personal und eine russische Schwesterfirma war dieses Geflecht mit Vekselbergs offiziellen Firmen verbunden.
Vekselberg hatte sein Tarnsystem gemäss den FBI-Informationen seit 2011 genutzt, um die «Tango» zu finanzieren, also lange bevor ihn die US-Regierung 2018 auf eine Sanktionsliste setzte und Dollartransaktionen mit ihm verbot.
Daraus macht ihm das FBI den ersten Vorwurf: Mit seinem Finanzierungssystem soll er Bankbetrug und Geldwäscherei betrieben haben. Er soll die Banken getäuscht und ihnen so verunmöglicht haben, vorschriftsgemäss verdächtige Aktivitäten zu melden.
Das zweite Vergehen soll Vekselberg nach 2018 begangen haben, indem er über seine Scheinfirmen Dollartransaktionen durchführte und damit gegen die Sanktionen verstiess. Er schickte sein Geld auf verschlungenen Wegen durch sein Briefkastensystem, sodass die US-Banken die verbotenen Dollar-Überweisungen nicht entdeckten.
Darin war auch eine nicht namentlich genannte Schweizer Bank verwickelt, wie das FBI schreibt. Sie soll 200'000 US-Dollar in Euro umgewandelt haben, um Gebühren für die Jacht zu begleichen.
Die US-Taskforce will der westlichen Welt den Weg aufzeigen, um russische Oligarchen zu überführen. Der Name der Truppe gibt die Richtung vor: Klepto-Capture. Die Oligarchie (Herrschaft von wenigen) wird dadurch zur Kleptokratie (Herrschaft der Diebe) und somit zu einer kriminellen Elite erklärt.
In der Schweiz haben die Organisationen Alliance Sud und Public Eye die Forderung nach einer Taskforce zur Suche nach russischen Vermögen lanciert. In die politische Debatte eingebracht wurde sie dann von der SP, die ein Gremium mit Beteiligung der Bundesanwaltschaft verlangte. Diese Woche publizierten schliesslich 100 Kulturschaffende in dieser Zeitung einen Appell mit drei Forderungen. Ihr erstes Anliegen: eine Taskforce.
Monika Roth ist Strafrichterin und Expertin für Finanzmarktrecht. Sie spricht von Aktivismus:
So ein Gremium hätte in der Schweiz gar nicht die Mittel, um sein Ziel zu erreichen. Es fehle zum Beispiel ein nationales Grundbuchregister, um nach Vermögenswerten zu suchen. Diese seien ohnehin wie im Fall Vekselberg in Briefkastenfirmen versteckt, was an sich nicht verboten sei.
Dass sich die Bundesanwaltschaft an der Suche beteiligen solle, findet Roth abwegig. Diese müsse nach der Strafprozessordnung arbeiten. Das Einfrieren von russischen Vermögenswerten sei jedoch kein Fall für das Strafrecht, sondern für die Sanktionspolitik.
Das FBI vermische diese Sphären allerdings, indem es einen strafrechtlichen Vorwurf kreiere. Auf dieser dünnen Faktenbasis wäre das gemäss Roth in der Schweiz nicht möglich:
Roth bezeichnet den Aktivismus als «heuchlerisch». Dem Krieg in Tschetschenien und auf der Krim hätte die Politik tatenlos zugeschaut und reiche Russen hier weiter willkommen geheissen. Und jetzt würden plötzlich alle danach schreien, dass sich alles ändern müsse, sagt sie.
Aber können wir nicht gescheiter werden?
Roth: «Dann müssen wir es auch gescheiter anstellen.» Nötig sei nun eine politische Bewegung, um die Leute um Putin auszuhungern: «Das hat aber eigentlich nichts mit Strafverfolgung zu tun.» (aargauerzeitung.ch)
eben, ist ja nicht verboten....😂🤷♂️