Seit zwei Jahren wehrt sich die Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg. Die Opfer sind gross: Gemäss Zahlen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte sind bisher 10'382 Ukrainerinnen und Ukrainer, die nicht der Armee angehören, ums Leben gekommen. Noch viel mehr Menschen wurden verletzt, ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht.
Wie die UNO-Flüchtlingshilfe mitteilt, sind fast 6,5 Millionen Menschen aus der Ukraine ins Ausland geflüchtet, 3,7 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht.
Eine Stadt, in der sich derzeit viele Binnenflüchtlinge aufhalten, ist Charkiw, im Osten der Ukraine. Sechs Menschen erzählen für watson aus ihrem Alltag im Krieg und wie die Schweizer Entwicklungsorganisation Helvetas sie dabei unterstützt.
Die jetzt 25-jährige Olga Zoryanska arbeitete seit vier Jahren als Administratorin in einem Hotel, als Russland in die Ukraine einfiel.
Sie und ihre Familie lebten in Isjum, in der Oblast Charkiw – einem Ort, der bereits im März 2022 in die Hände der Russen fiel und während sechs Monaten von ihnen besetzt wurde. Nach der Rückeroberung wurden in den umliegenden Wäldern über 400 Leichen entdeckt. Olga und ihre Familie konnten in die Stadt Charkiw flüchten. Sie war zu diesem Zeitpunkt schwanger.
Ihrer Heimat und Arbeit beraubt, musste sich Olga nach der Geburt ihres Sohnes nach einer neuen Arbeitsmöglichkeit umsehen. Sie wurde auf das Projekt von Helvetas aufmerksam, welches Menschen beim Auf- oder Wiederaufbau von Kleinunternehmen finanziell unterstützt. Olga bewarb sich erfolgreich und konnte mit dem erhaltenen Geld eine kleine Bäckerei eröffnen.
Ihre grösste Angst ist es, im Krieg geliebte Menschen zu verlieren – wie etwa ihren Grossvater, der bei russischem Raketenbeschuss ums Leben kam. Trotz allen Herausforderungen hofft sie auf einen Sieg der Ukraine.
Yevgeny Borodin lebte zu Beginn des Krieges in Horliwka, einer Stadt in der Oblast Donezk, die bereits seit 2014 von Russland besetzt wird. Als die Besetzer nach Beginn des Krieges 6000 Bewohner in Horliwka für die Armee rekrutieren wollten, flüchteten Männer in grosser Zahl, was die Stadt praktisch «männerlos» zurückliess, wie das ukrainische Verteidigungsministerium im September 2022 mitteilte. Auch Yevgeny flüchtete.
Seine Heimat will er den Russen aber nicht überlassen:
Der 54-jährige Borodin lebt jetzt sowohl in Charkiw als auch im 16 Kilometer entfernten Dorf Zyrkuny. Mithilfe der finanziellen Unterstützung von Helvetas setzt der Sportlehrer soziale Projekte für Kinder und Jugendliche um. Für ältere Frauen organisiert er zudem Aktivitäten zur Förderung körperlicher und mentaler Gesundheit.
Auch wenn es seiner engsten Familie gut geht, hat Yevgeny geliebte Menschen im Krieg verloren und sorgt sich um Angehörige in Charkiw und Cherson. Einige von ihnen leben unter extrem schwierigen Umständen, wie er sagt. Er hofft auf eine Zukunft in Frieden und Wohlstand, ohne vom Krieg bedroht zu werden.
Das Haus der 71-jährigen Lyubov Bukholdina wurde im Zuge des Krieges von den Russen beschädigt. Sie und ihre Familie hatten Glück und blieben unversehrt.
Lyubov bewarb sich bei Helvetas um Unterstützung zur Reparatur des Hauses. Dank der erhaltenen Hilfe konnte sie wieder in ihr Haus einziehen.
Sie glaubt fest an einen Sieg der Ukraine.
Auch das Haus von Vitaly Artemenko in Charkiw wurde beschädigt. Im Rahmen des Reparaturprogramms konnten sowohl das Dach als auch die Fassade repariert werden.
Seine Tochter und seine Enkelin hat es noch schlimmer getroffen: Ihr Haus sei durch eine Rakete komplett zerstört worden. Nun leben sie in der Oblast Iwano-Frankiwsk in der West-Ukraine. Der 69-jährige Vitaly hofft, dass sie im Sommer zurückkommen und bei ihm einziehen, wie dies bereits seine andere Enkelin getan hat. Seit dem Tod seines Sohnes, der im April 2023 aufgrund von gesundheitlichen Problemen gestorben war, lebt sie bei ihm.
Oksana Perepelytsia arbeitete vor Ausbruch des Kriegs als Gebärdendolmetscherin für eine staatliche Bildungseinrichtung. Jetzt hilft die 54-Jährige bei den Ausbildungskursen von Helvetas. Eine Arbeit, die sie gerne macht, wie sie gegenüber Helvetas sagt:
Oksana musste ihr Zuhause in Charkiw vorübergehend verlassen, konnte aber wieder zurückkehren. Alle ihre Angehörigen leben noch, einige ihrer Kollegen, die sich freiwillig gemeldeten hatten, seien jedoch getötet worden.
Auf die Frage, was ihr derzeit am meisten Sorge und was am meisten Freude bereitet, antwortet sie:
Auch die 21-jährige Evgeniya Skrebets nimmt an den Workshops teil. Eigentlich studiert sie Architektur an der Universität in Charkiw, doch dies ist seit Ausbruch des Krieges nur noch online möglich.
Vor dem Krieg lebte sie in Trostyanets, in der Oblast Sumy, doch ihr Haus wurde komplett zerstört, einige ihrer Freunde getötet. Sie habe kein Zuhause mehr, in das sie zurückgehen könne, sagt sie.
Auch in Charkiw, das regelmässig von Raketen beschossen wird, fühlt sie sich nicht immer sicher. Doch sie liebe die Ukraine und wolle das Land nicht verlassen, sagt sie. Das erhofft sie sich auch von ihren Mitmenschen:
Demgegenüber stehen Putins Komplizen von der SVP.