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Wie Putin Trump ausgespielt hat

This combination photo shows President Donald Trump in a business roundtable, May 16, 2025, in Abu Dhabi, United Arab Emirates, left, and Russian President Vladimir Putin at a signing ceremony at the  ...
Donald Trump glaubt, Wladimir Putin beeinflussen zu können – in der Realität ist es anders herum.Bild: AP
Analyse

Wie Putin Trump ausgespielt hat

Russland hat sich im Ukraine-Krieg Zeit verschafft. Während die russische Armee Kiew bombardiert und seine Angriffe intensiviert, hat Wladimir Putin US-Präsident Donald Trump politisch ausgespielt. Wie ist ihm das gelungen?
27.05.2025, 05:0627.05.2025, 05:26
Patrick Diekmann / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Es herrscht ein grosses Durcheinander im westlichen Bündnis. Zunächst gab es unter den europäischen Nato-Staaten die Hoffnung, dass sich die USA und die Europäer doch noch auf einen gemeinsamen Sanktionskurs gegen Russland einigen könnten. Harte Sanktionen sollten die russische Wirtschaft treffen, falls Kremlchef Wladimir Putin keiner 30-tägigen Waffenruhe zustimmt.

Dafür griffen der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz und andere europäische Staats- und Regierungschefs zum Hörer, stimmten sich mit US-Präsident Trump ab. Der Republikaner stimmte zunächst zu, blockierte dann aber weitere US-Sanktionen und liess die Europäer im Regen stehen.

Was war passiert?

Putin sah diesen drohenden transatlantischen Schulterschluss wohl als Gefahr für Russland und leitete Gegenmassnahmen ein. Vor knapp zwei Wochen erklärte sich der russische Präsident zunächst auf einer Pressekonferenz zu Gesprächen in Istanbul bereit – damit sollte an die Amerikaner ein Signal der Verhandlungsbereitschaft gesendet werden. Danach griff Putin vergangenen Montag selbst zum Hörer, telefonierte etwa zwei Stunden mit Trump. Dieses Gespräch hat alles verändert.

Putin hat seither allen Grund zur Freude. Er hat nicht nur erneut einen Keil ins transatlantische Bündnis getrieben, sondern es auch geschafft, dem US-Präsidenten seine Worte in den Mund zu legen. Nun ziehen sich die USA womöglich langsam aus den Ukraine-Verhandlungen zurück. Trump scheint Russland freie Hand zu lassen.

Trump glaubt, dass Putin gewinnt

Wie das Gespräch zwischen Putin und Trump genau gelaufen ist, darüber gab es von Beginn an wilde Spekulationen. Obwohl das Weisse Haus und der Kreml öffentlich keine Details preisgeben, wurden in den vergangenen Tagen immer mehr Details bekannt. So soll Putin in dem Telefonat erneut die militärische Überlegenheit der russischen Armee betont haben. Das ist primär deswegen bemerkenswert, da Putins Armee auch noch nach mehr als drei Kriegsjahren in der Ukraine nur langsam und unter hohen Verlusten vorankommt.

Trotzdem übernahm Trump nach dem Telefonat die Sichtweise des Kremls. Intern soll der US-Präsident erstmals gesagt haben, dass Putin nicht an Frieden interessiert sei. In Gesprächen mit den europäischen Staats- und Regierungschefs habe der Republikaner dann von der Grösse der russischen Armee und von der «russischen Übermacht» gesprochen, erfuhr t-online aus Diplomatenkreisen.

Das passt ins Bild: Denn eine Sprecherin des Weissen Hauses bestätigte auch offiziell dem «Wall Street Journal», dass Trump glaube, dass Russland den Krieg gewinnen werde.

Einerseits will Trump nicht auf der Seite der Verlierer stehen. Auch deshalb betont er wiederholt, dass es der Krieg des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Putin und seines Vorgängers Joe Biden sei. Damit will er politisch kaschieren, dass er den Konflikt innerhalb von 24 Stunden beenden wollte, aber bislang keine Ergebnisse erzielt hat.

Andererseits möchte Trump die Beziehungen zwischen Russland und den USA wieder normalisieren. Aus beiden genannten Gründen scheint sich der US-Präsident nun langsam aus den Verhandlungen zurückziehen und die Gespräche in die Hände von Selenskyj und Putin geben zu wollen.

«Das heisst, die Amerikaner sind draussen. Und Trump hat sich dahingehend dezidiert geäussert, dass er eigentlich Sanktionen aufheben will, um wieder Geschäfte mit Russland zu machen», sagte der Sicherheitsexperte Carlo Masala im Podcast von t-online.

«Trump steht auf der Seite Russlands und die Ukraine ist für ihn ein Störfaktor bei der Normalisierung der Beziehungen zu Russland.»

Für Russland ein Erfolg auf ganzer Linie

Diese Entwicklungen sind für Putin ein Grund zur Freude. Er hat nicht nur erfolgreich diplomatischen Einfluss auf Trump ausgeübt, sondern auch Russland Zeit für seine militärische Kampagne verschafft, indem er weitere US-Sanktionen vorerst verhinderte.

Trump hat Putin dazu angehalten, einen russischen Forderungskatalog auszuarbeiten, um womöglich eine Waffenruhe zu erreichen. «Solange Putin verhandelt, werden sich die Amerikaner höchstwahrscheinlich nicht wieder aktiv einmischen», sagte Masala.

«Putin wirft Trump immer irgendwelche Brotkrümel vor die Füsse, die dieser dann aufnimmt und als grossen Erfolg verkauft.»

Damit hat der Kremlchef das Heft des Handelns in der Hand. Moskau wird sich wahrscheinlich sehr viel Zeit damit lassen, um am Ende die bekannten Forderungen zu präsentieren. Darunter wären die Anerkennung aller völkerrechtswidrigen Annexionen von ukrainischem Staatsgebiet, eine Einstellung westlicher Waffenlieferungen und eine Entmilitarisierung der Ukraine. Oder kurz gesagt: eine Kapitulation der Ukraine.

06.01.2023, Bayern, Seeon-Seebruck: Carlo Masala, Professor f�r Internationale Politik an der Universit�t der Bundeswehr in M�nchen, gibt w�hrend der Winterklausur der CSU im Bundestag vor dem Kloster ...
Carlo Masala glaubt, dass Trump insgeheim auf Putins Seite ist.Bild: keystone

Dass Russland die Entwicklungen der vergangenen Woche als Erfolg auf ganzer Linie betrachtet, wurde bereits aus den Reaktionen des Kremls deutlich. Der russische Aussenminister Sergej Lawrow erklärte, ein mögliches Abkommen müsse verhindern, dass erneut eine pro-westliche Regierung in Kiew an die Macht komme. Putin liess Kiew am Wochenende erneut massiv mit Drohnen angreifen und zivile Infrastruktur und Wohnhäuser bombardieren. Zahlreiche Menschen starben.

Dabei wurde mehr als deutlich, dass Moskau seine Maske fallen gelassen hat: Putin möchte keinen Frieden, sondern einen militärischen Triumph.

«Er ist völlig verrückt geworden»

Das scheint auch Trump mittlerweile erkannt zu haben. «Ich hatte immer ein sehr gutes Verhältnis zu Wladimir Putin, aber irgendetwas ist mit ihm passiert. Er ist absolut verrückt geworden!», schrieb der US-Präsident am Sonntag auf seinem Sprachrohr Truth Social. «Er tötet unnötig viele Menschen, und ich spreche nicht nur von Soldaten. Raketen und Drohnen werden ohne jeden Grund auf ukrainische Städte abgefeuert.» Der Us-Präsident habe schon immer gesagt, dass Putin die ganze Ukraine will, nicht nur ein Stück, und vielleicht stimme das ja auch. «Aber wenn er das tut, wird es zum Untergang Russlands führen!»

Ins Detail ging Trump dabei nicht, kündigte auch keine weiteren US-Massnahmen an. Zwar sehen vorwiegend westliche Medien diese Aussage als erneuten kleinen Hoffnungsschimmer, dass die Amerikaner nun Druck auf Russland ausüben könnten. Doch es sind die Zwischentöne, auf die es wie so oft am Ende ankommt.

Denn im selben Beitrag kritisierte der US-Präsident auch Selenskyj. Dieser tue der Ukraine mit seinen Äusserungen keinen Gefallen. Trump weiter: «Alles, was aus seinem Mund kommt, verursacht Probleme. Das gefällt mir nicht, und es sollte besser aufhören.» Auch hier nannte er keine Details, worauf er diese Aussage bezieht.

Doch eines ist klar: Trump will die USA nicht an der Seite der angegriffenen Ukraine positionieren, sondern als neutralen Schlichter. Der US-Präsident möchte sich als Herrscher präsentieren, der versucht, einen Brand zu löschen, den andere befeuert haben. Bislang profitiert von dieser Politik vorwiegend Putin. Die US-Administration scheint jedoch nicht abgeneigt zu sein, diesen Konflikt mittelfristig den kriegsführenden Parteien und den Europäern zu überlassen.

US-Senat weckt Hoffnungen

Die europäischen Unterstützer der Ukraine stellt das vor ein Dilemma. Sie wollen Trump aktuell nicht reizen oder provozieren, weil dieser sich im schlimmsten Fall beim Nato-Gipfel in Den Haag im Juni aus dem Militärbündnis zurückziehen könnte.

«Die Europäer machen alles, um die USA bei der Stange zu halten», erklärte Masala. Es gehe «in der Güterabwägung» aktuell darum, dass es zu keinem grossen Eklat beim Nato-Gipfel kommt und Trump die Sicherheitsgarantien für die europäischen Staaten nicht infrage stellt. Derzeit sei «die Frage der Nato wesentlich wichtiger als die Frage der Ukraine».

Das sind in erster Linie schlechte Nachrichten für die ukrainische Führung. Diese hofft nun darauf, dass der US-Senat durch eine Initiative des republikanischen Senators Lindsey Graham ein Sanktionspaket der Amerikaner verabschiedet.

Doch das ist ein Kraftakt. Und es ist unklar, ob Trump das zulässt. Für Putin sind diese Debatten eine Wohltat. Denn während sich Amerikaner und Europäer streiten, bekommt Russland viel Zeit – um sich auf mögliche Sanktionen vorzubereiten und den Krieg in der Ukraine weiter zu eskalieren.

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90 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Callao
27.05.2025 05:51registriert April 2020
Ich bleibe dabei, die einzige Logik von Trumps vermeintlichem Plan ist sein Ego. Sein Ego und nochmals sein Ego. Von Weitsicht und Verantwortung seinem Land und der Welt gegenüber keine Spur. Nicht die Geringste!
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banda69
27.05.2025 05:37registriert Januar 2020
Ob Trump, Orban oder die ach so freiheitsliebenden von der SVP. Alle Rechtspopulisten stehen auf der Seite der Terror-Russen. Denn Rechtspopulisten haben weder Moral noch Herz. Sie sind getrieben von Geldnund Gier. Und Rechtspopulisten hassen Menschen in Not.
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Celtic Swiss
27.05.2025 06:44registriert Juni 2024
Wenn es eine Sensefrau gibt, dann wäre jetzt ein super Zeitpunkt, endlich mit ihrer wichtigen und richtigen Arbeit anzufangen.
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    Merz ist kein Zauderer wie Scholz
    In der Aussenpolitik wirkt Deutschlands neuer Kanzler fast schon hyperaktiv. Am Mittwoch, wenn der ukrainische Präsident Selenski nach Berlin kommt, stellt sich die Frage nach Taurus-Lieferungen erneut. Selenski dürfte Merz an ein Wahlkampfversprechen erinnern.

    Hätte ein deutscher Kanzler vor einigen Jahrzehnten angekündigt, die Bundeswehr zur stärksten Armee Europas machen zu wollen, hätte er in Polen, Frankreich, Italien und Grossbritannien, wahrscheinlich aber auch in der Schweiz Besorgnis ausgelöst. Neo-wilhelminische Grossmannssucht wäre ihm mindestens unterstellt worden, wenn nicht gleich an Hitlers Russlandfeldzug erinnert worden wäre.

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