Hätte ein deutscher Kanzler vor einigen Jahrzehnten angekündigt, die Bundeswehr zur stärksten Armee Europas machen zu wollen, hätte er in Polen, Frankreich, Italien und Grossbritannien, wahrscheinlich aber auch in der Schweiz Besorgnis ausgelöst. Neo-wilhelminische Grossmannssucht wäre ihm mindestens unterstellt worden, wenn nicht gleich an Hitlers Russlandfeldzug erinnert worden wäre.
Heute ist alles anders: Friedrich Merz' Ankündigung, 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investieren zu wollen, dürfte in Europas Regierungskanzleien eher Erleichterung als Angst ausgelöst haben: Ob der Kanzler sein Versprechen einlöst, muss sich zwar erst noch zeigen, doch die Einsicht, dass Deutschland deutlich mehr zur Sicherheit des Kontinents beitragen muss, kann man ihm nicht absprechen.
Während sein Vorgänger Olaf Scholz nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine zwar eilig eine «Zeitenwende» konstatiert hatte, praktische Konsequenzen aus seiner Erkenntnis aber allenfalls halbherzig zog, scheint Merz in der Aussen- und Sicherheitspolitik sogar noch entschlossener handeln zu wollen, als er im Wahlkampf angekündigt hat.
So wirkt es bisher, als wolle der Christdemokrat die tendenziell pazifistisch gestimmte deutsche Öffentlichkeit, aber auch seinen sozialdemokratischen Koalitionspartner überrumpeln, nach dem Motto «Speed kills».
Ob Merz dieses Tempo beibehalten kann, ist fraglich. So ertönte, nachdem er am Montag erklärt hatte, die Ukraine solle künftig auch militärische Stellungen in Russland mit Raketen und Marschflugkörpern angreifen können, prompt Kritik vom linken Flügel der SPD.
Entscheidend dürfte sein, ob sich konservative Sozialdemokraten wie Finanzminister Lars Klingbeil und Verteidigungsminister Boris Pistorius auf die Seite des Kanzlers schlagen oder sich dafür entscheiden, doch lieber die Seele der eigenen Parteibasis zu massieren.
Am Mittwoch empfängt Merz den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski. Dann wird der Kanzler womöglich präzisieren müssen, was seine Aussage vom Montag konkret bedeutet. Erneut stellt sich die Frage, ob Deutschland der Ukraine künftig auch den Taurus liefert, jenen Marschflugkörper, den Scholz den Ukrainern nicht zur Verfügung stellen wollte, aus Furcht davor, diese könnten damit Ziele in Russland angreifen.
Merz hat im Wahlkampf noch erklärt, den Taurus liefern zu wollen. Nach der Wahl redete er nicht mehr davon. Zumindest hinter verschlossenen Türen wird Selenski ihn sicher an sein Versprechen erinnern.
Für Aufsehen sorgte der Kanzler am Montag nicht nur mit seiner Äusserung zur Ukraine, sondern auch mit einer Einlassung zum Nahen Osten: Er verstehe nicht mehr, welches Ziel Israel in Gaza verfolge. «Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu ziehen», wie es die israelische Armee tue, lasse sich nicht mehr mit dem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen.
Es mag echte Sorge um das Schicksal der Bewohner des Gaza-Streifens sein, die Merz zu dieser Äusserung motivierte, vielleicht will er aber auch seinem Koalitionspartner ein Stück entgegenkommen, um Zugeständnisse auf anderen Gebieten zu erhalten, etwa in der Ukraine-Politik. In jedem Fall ordnet er sich in den europäischen Geleitzug ein, denn mit seiner historisch begründeten Zurückhaltung, was Kritik am jüdischen Staat angeht, steht Deutschland unter seinen Nachbarn allein da.
Zwei Schlagworte packen deutsche Journalisten regelmässig aus, wenn sie Merz' aussenpolitischen Horizont beschreiben wollen: Er sei ein «Transatlantiker» und ein «überzeugter Europäer». Zumindest vorerst wird der Kanzler Letzteres stärker gewichten, denn auf Amerika ist unter Donald Trump nur noch begrenzt Verlass.
Unabhängig davon, was man von Merz' Positionsbezügen zur Ukraine oder zum Gaza-Krieg hält: Dass er ein Zauderer wäre, kann man ihm anders als seinem Vorgänger nicht vorwerfen.
Merz' Kritiker ätzen bereits, der Kanzler fliehe auf die Weltbühne, um sich nicht mit der mühsamen Innenpolitik beschäftigen zu müssen. Er wird aber weder das eine noch das andere vernachlässigen können: Scholz' Aussenpolitik war eine Anomalie, denn dafür, dass sich ein Kanzler auf Dauer wegducken kann, ist Deutschland als bevölkerungsreichstes und wirtschaftlich stärkstes Land Europas schlicht zu gross. (aargauerzeitung.ch)
Liefert Deutschland nun Taurus, und sollte man nicht besser mit Putin reden?
Ums Himmels Willen! Haben diese je eigentlich gut meinenden Besserwisser denn immer noch nicht begriffen, dass Putin nach all seinen Winkelzügen und seinem gesteigerten Mord und Terror an Zivilisten insbesondere auch seit Trumps Dealmaking-Peace-Process ein solches "Reden und verhandeln wollen" als Schwäche und Dummheit interpretiert???
Im Unklaren lassen ist besser, und das nervige Geschwätz einstellen!