Die Nächte in Kiew sind in letzter Zeit häufig dunkel. Sehr dunkel. Schon seit Wochen kommt es in der ukrainischen Hauptstadt immer wieder zu vereinzelten Stromausfällen. Doch die letzten russischen Raketenangriffe haben zu einer vorübergehenden Abtrennung aller Atomkraftwerke und der Mehrzahl der Wärme- und Wasserkraftwerke geführt, schrieb das Energieministerium in Kiew am Mittwoch auf Facebook. Das beeinträchtigte nicht nur das Energienetz in Kiew, sondern auch in anderen Städten wie Lwiw, Odessa und Tschernihiw. Auch die benachbarte ehemalige Sowjetrepublik Moldau ist einen Tag später zu Teilen noch ohne Strom.
Die gestern 71 gezählten russischen Raketen gingen gezielt auf Objekte der Energieversorgung nieder. Als Konsequenz davon waren gestern Abend 80 Prozent der Hauptstadt von der Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten. Die Schäden seien schwer, die Reparatur werde Zeit benötigen, so das Energieministerium weiter.
Lights out Kiev. #UkraineWar #Ukraine #ZelenskyWarCriminal pic.twitter.com/x69pbVmNsQ
— Sir Lancelot 🇷🇺 Z 🇷🇺 (@FlightRadarOps) November 23, 2022
Betroffen von dem Blackout war auch Twitter-User Tymofiy Mylovanov, der seine Erfahrungen auf der Plattform teilt. Es gebe keine Elektrizität, keine Heizung und kein Wasser. Die Aussentemperatur liege um den Gefrierpunkt, doch noch sei die Wohnung von den vorangegangenen Tagen warm, schreibt er.
Good morning. Day 2 of the most recent Kyiv blackout. Day 274 of the war. There is no electricity, no heating, no water. Outside temperature is around freezing. The apartment is still warm from the previous days. We will see how long it lasts. We have blankets, sleeping bags, 1/ pic.twitter.com/wRmud44Nry
— Tymofiy Mylovanov (@Mylovanov) November 24, 2022
Er gehörte zu den 70 Prozent von Kiew, die auch am Morgen nach den Raketenangriffen keine Elektrizität hatten. Wie Bürgermeister Vitali Klitschko am Donnerstag auf seinem Telegram-Kanal mitteilt, sei es immerhin gelungen, die Stadtteile am linken Flussufer des Dnipro wieder mit Wasser zu versorgen. Die kommunalen Dienste arbeiteten mit Hochdruck an der Behebung der Schäden, doch die Stromversorgung Kiews hänge auch von der Stabilität des gesamten Energiesystems in der Ukraine ab. Am Donnerstagnachmittag wurde dann verkündet, dass das ukrainische Stromnetz wiederhergestellt werden konnte.
Mylovanov machte sich am Morgen noch keine allzu grosse Sorgen um die fehlende Heizung – zumindest, solange die Temperatur nicht unter -10 Grad falle. Mehr Probleme verursache die fehlende Wasserversorgung. In vielen Teilen Kiews mussten die Menschen gestern draussen in der Kälte Schlange stehen, um Wasser aus Brunnen zu pumpen.
🇺🇦 Kiev. Queuing for water.
— Belle V🅾️x⚔️ Si vis pacem, para bellum⚔️🦑 (@BelleVox) November 24, 2022
Intel Slava pic.twitter.com/jzpqfLR8CL
Mylovanov hatte sich glücklicherweise bereits im Vorfeld einen Vorrat von 100 Litern Wasser angelegt. Zudem machte er sich den gefallenen Schnee zunutze:
Trotz der kalten Luft war Twitter-User Christopher Miller froh um diesen Tipp. Er bedankte sich bei Mylovanov und postete ein Foto von einer mit Eis gefüllten Pfanne.
And thanks to @Mylovanov for reminding me about the snow and ice on my balcony. I noticed some of my Kyiv neighbors were doing the same this morning. pic.twitter.com/nyhuT6UhcV
— Christopher Miller (@ChristopherJM) November 24, 2022
Das Wasser in Lebensmittelläden ist vielerorts bereits knapp. Nahrungsmittel gebe es vorerst aber noch genügend, schreibt Mylovanov weiter. Zur Sicherheit sei er am Tag zuvor aber einkaufen gegangen, um einen kleinen Vorrat zu haben. Das Problem beim Einkaufen sei vor allem, dass man derzeit fast nur mit Bargeld bezahlen könne. Aus diesem Grund wolle er bald Bargeld abheben. Mit dieser Idee war er allerdings nicht der Einzige: Viele Geldautomaten hätten bereits kein Geld mehr, schreibt dieser Twitter-User:
There are long queues in Kiev stores. Water *might* sell out.
— ₦₳V𝚜𝚝é𝚟𝚊 🇷🇺 ᴢ (@Navsteva) November 23, 2022
Many ATMs no longer have cash. pic.twitter.com/AvOQuobNjz
Vom Stromausfall waren auch Luftalarme betroffen. In Stadtteilen ohne Elektrizität mussten deshalb handbetriebene Sirenen und Lautsprecher vor möglichen neuen russischen Luftangriffen warnen. Das teilte die Verwaltung der ukrainischen Hauptstadt am Mittwochabend mit.
Mylovanov möchte sich etwas Ähnliches wie eine Tesla-Batterie für zu Hause zulegen, teilt er auf Twitter weiter mit. Er habe sich bereits elektrische Heizungen gekauft, welche dann über die Batterie laufen und das Heizungsproblem lösen könnten – vorausgesetzt der Strom läuft zwischenzeitlich wieder. Er befürchtete allerdings, dass der Strom für lange Zeit ausfallen werde, weshalb er wohl Gas- oder Holzkochgeräte brauchen werde.
Nebst der Stromversorgung konnte auch die Wasserversorgung in Kiew grösstenteils wiederhergestellt werden.
«Doch braucht es eine gewisse Zeit, bis das Wasserleitungssystem wieder mit voller Leistung arbeitet», warnte Bürgermeister Klitschko auf Telegram. Insbesondere in Hochhäusern reiche der Wasserdruck nicht immer aus.
Trotz dieser guten Neuigkeiten bleibt die Lage für die ukrainische Bevölkerung wortwörtlich düster. Bereits vor einer Woche teilte Regierungschef Denis Schmihal mit, dass das Energienetz der Ukraine zur Hälfe beschädigt oder zerstört sei. Ans Aufgeben denkt die Ukraine aber noch immer nicht, wie sie mit diesem Tweet auf ihrem offiziellen Kanal deutlich macht:
Power, water, and heating will be restored. Russian empire will not.
— Ukraine / Україна (@Ukraine) November 23, 2022
(saw, mit Material der Nachrichtenagenturen sda und dpa)