Nach dem Zusammenprall eines Passagierflugzeugs mit einem Militärhelikopter in Washington am vergangenen Freitag kannte Donald Trump die Schuldigen, noch bevor die 67 Todesopfer geborgen waren. Die Biden-Regierung und ihre DEI-Politik sei dafür verantwortlich – DEI steht für Diversität, Gleichheit und Integration –, erklärte der US-Präsident an einer Pressekonferenz. Auf die Frage, weshalb er das schon so genau wisse, schliesslich müssten zuerst die Fakten abgeklärt werden, winkte Trump ab. «Weil ich gesunden Menschenverstand besitze», antwortete er.
Gesunder Menschenverstand ist das Leitmotiv der neuen Trump-Regierung. Mit diesem Slogan will sie den vermeintlichen Woke-Wahnsinn der globalen Elite bekämpfen und einen vermeintlichen Deep State zerschlagen. Dass dabei vieles in Brüche geht, wird bewusst in Kauf genommen. Schliesslich gilt: Wo gehobelt wird, fliegen auch Späne. Und ja, es darf auch weh tun, zumindest anfänglich.
Auf seiner Plattform Truth Social stellt Trump in Grossbuchstaben klar: «Wird es weh tun? Ja (vielleicht auch nicht!). Aber wir werden so Amerika wieder zu alter Grösse verhelfen, und der Preis, den wir dafür bezahlen müssen, lohnt sich.»
Eine erste Anzahlung dieses Preises muss bereits geleistet werden. Trumps Strafzölle gegen Kanada, Mexiko und China haben ein Börsenbeben ausgelöst. Obwohl lange angekündigt, haben sie die Investoren offenbar auf dem falschen Fuss erwischt. Diese vertrauten auf Trumps Bluff, dass er sich mit diesen Zöllen bloss eine starke Verhandlungsposition sichern wolle, sie jedoch wie in seiner ersten Amtszeit nur in homöopathischen Dosen verabreichen werde.
Dass dieser Trick vor Wochenfrist mit Kolumbien funktioniert hat, bestätigte die Investoren zunächst in ihrem Glauben. Eine fatale Fehleinschätzung. Trump meint es ernst. Seine Amtskollegen in Kanada und Mexiko – die beiden wichtigsten Handelspartner der USA – ebenfalls. Sie haben ihrerseits Strafzölle gegen amerikanische Produkte angekündigt, im Wissen, dass sie dabei den Willen ihrer Bürgerinnen und Bürger erfüllen. Selbst Pierre Poilievre, der «kanadische Trump» und möglicherweise der nächste Premierminister, hat erklärt, Kanada müsse sich erheben und seine Souveränität verteidigen.
Sollte Trump seinerseits, wie angedroht, mit einer weiteren Erhöhung der Zölle antworten, dann ist wohl Tatsache, was das «Wall Street Journal» den «dümmsten Handelskrieg in der Geschichte» nennt. Die «Financial Times» spricht derweil von einer «Absurdität» und prophezeit: «Der Handelskrieg droht katastrophal zu werden, aber das Chaos ist damit noch lange nicht vorbei.»
Kommt der gesunde Menschenverstand einmal in Fahrt, ist er nicht mehr leicht aufzuhalten. Trump und seine Abrisstruppe schrecken vor nichts zurück, schon gar nicht vor Verfassung und Recht. Willkürlich werden alle Mittel gestoppt, beispielsweise bei der Entwicklungshilfe. «USAID ist eine kriminelle Organisation», postete Elon Musk auf seiner Plattform X am Sonntag. «Zeit, dass sie stirbt.»
Dass die USA mit solchen Hauruck-Übungen ihre sogenannte Soft Power aufs Spiel setzen – den Goodwill, der ihr anders als etwa China nach wie vor in weiten Teilen der Welt entgegengebracht wird –, kümmert den US-Präsidenten dabei nicht. Der Politologe Joseph Nye, der den Ausdruck geprägt und zu einem internationalen Begriff gemacht hat, winkt achselzuckend ab. «Trump versteht Soft Power, die Fähigkeit, etwas mit Charme und nicht mit Gewalt oder Geld zu erreichen, nicht», sagte er gegenüber der «New York Times».
Auch im Innern wütet Trump im Namen des gesunden Menschenverstandes wie ein Berserker. Widerrechtlich entlässt er Inspektoren und hohe FBI-Agenten. Er blockiert vom Kongress bereits bewilligte Mittel und bedroht kritische Journalisten. «Er versucht, die verfassungsrechtlichen Checks and Balances zu ignorieren, welche die Gründerväter ins amerikanische System eingebaut haben», stellt die «New York Times» in einem redaktionellen Kommentar fest. «Und er ist nicht gewillt, die Regeln der Rechenschaftspflicht und der Aufsicht zu beachten, wie es alle Präsidenten beider Parteien bisher getan haben.»
Wo der gesunde Menschenverstand herrscht, ist nicht graue Hirnmasse, sondern ein muskelbepackter Oberkörper gefragt. Vor acht Jahren prahlte Trump damit, sein Kabinett könne den weltweit höchsten Intelligenzquotienten aufweisen. Heute kann Pete Hegseth, sein mit Mühe und Not bestätigter Verteidigungsminister, nicht einmal die ASEAN-Mitglieder nennen. Stolz zählte er dafür in seinem Hearing vor dem Senatsausschuss auf, wie viele Liegestützen er am Morgen gemacht habe.
Generell findet der von Wladimir Putin begründete Trend Anklang in der Trump-Welt. Auch Robert F. Kennedy, der nominierte Gesundheitsminister, zeigt sich gerne oben ohne. Die beiden Silicon-Valley-Titanen Elon Musk und Mark Zuckerberg wollten sich vor Jahresfrist gar einen Faustkampf liefern. «Seit wann ist das Gehirn aus der Mode gefallen?», fragt sich Frank Bruni, Kolumnist der «New York Times», besorgt.
Sein Kollege David Brooks kann ebenfalls nicht viel mit dem viel gepriesenen «common sense» anfangen. Er schreibt: «Es tut mir leid, aber wenn ich mir das Verhalten der Trump-Regierung der letzten Woche vor Augen führe, dann gibt es nur ein Wort, das es zutreffend beschreibt: Dummheit.»