International
Wirtschaft

Chaos in den USA: Donald Trump und der gesunde Menschenverstand

Trump Karikatur
Bild: Screenshot: Reddit
Analyse

Donald Trump und der gesunde Menschenverstand

Der US-Präsident will im Namen des «common sense» die Welt in ein Chaos stürzen.
03.02.2025, 13:3103.02.2025, 15:26
Mehr «International»

Nach dem Zusammenprall eines Passagierflugzeugs mit einem Militärhelikopter in Washington am vergangenen Freitag kannte Donald Trump die Schuldigen, noch bevor die 67 Todesopfer geborgen waren. Die Biden-Regierung und ihre DEI-Politik sei dafür verantwortlich – DEI steht für Diversität, Gleichheit und Integration –, erklärte der US-Präsident an einer Pressekonferenz. Auf die Frage, weshalb er das schon so genau wisse, schliesslich müssten zuerst die Fakten abgeklärt werden, winkte Trump ab. «Weil ich gesunden Menschenverstand besitze», antwortete er.

Gesunder Menschenverstand ist das Leitmotiv der neuen Trump-Regierung. Mit diesem Slogan will sie den vermeintlichen Woke-Wahnsinn der globalen Elite bekämpfen und einen vermeintlichen Deep State zerschlagen. Dass dabei vieles in Brüche geht, wird bewusst in Kauf genommen. Schliesslich gilt: Wo gehobelt wird, fliegen auch Späne. Und ja, es darf auch weh tun, zumindest anfänglich.

Canadian Prime Minister Justin Trudeau addresses media members after U.S. President Donald Trump signed an order to impose stiff tariffs on imports from Mexico, Canada and China, in Ottawa, Canada, Sa ...
Kündigt Widerstand an: Justin Trudeau, kanadischer Premierminister.Bild: keystone

Auf seiner Plattform Truth Social stellt Trump in Grossbuchstaben klar: «Wird es weh tun? Ja (vielleicht auch nicht!). Aber wir werden so Amerika wieder zu alter Grösse verhelfen, und der Preis, den wir dafür bezahlen müssen, lohnt sich.»

Eine erste Anzahlung dieses Preises muss bereits geleistet werden. Trumps Strafzölle gegen Kanada, Mexiko und China haben ein Börsenbeben ausgelöst. Obwohl lange angekündigt, haben sie die Investoren offenbar auf dem falschen Fuss erwischt. Diese vertrauten auf Trumps Bluff, dass er sich mit diesen Zöllen bloss eine starke Verhandlungsposition sichern wolle, sie jedoch wie in seiner ersten Amtszeit nur in homöopathischen Dosen verabreichen werde.

Dass dieser Trick vor Wochenfrist mit Kolumbien funktioniert hat, bestätigte die Investoren zunächst in ihrem Glauben. Eine fatale Fehleinschätzung. Trump meint es ernst. Seine Amtskollegen in Kanada und Mexiko – die beiden wichtigsten Handelspartner der USA – ebenfalls. Sie haben ihrerseits Strafzölle gegen amerikanische Produkte angekündigt, im Wissen, dass sie dabei den Willen ihrer Bürgerinnen und Bürger erfüllen. Selbst Pierre Poilievre, der «kanadische Trump» und möglicherweise der nächste Premierminister, hat erklärt, Kanada müsse sich erheben und seine Souveränität verteidigen.

Elon Musk arrives before the 60th Presidential Inauguration in the Rotunda of the U.S. Capitol in Washington, Monday, Jan. 20, 2025. (Chip Somodevilla/Pool Photo via AP)
Darf wüten: Elon Musk.Bild: keystone

Sollte Trump seinerseits, wie angedroht, mit einer weiteren Erhöhung der Zölle antworten, dann ist wohl Tatsache, was das «Wall Street Journal» den «dümmsten Handelskrieg in der Geschichte» nennt. Die «Financial Times» spricht derweil von einer «Absurdität» und prophezeit: «Der Handelskrieg droht katastrophal zu werden, aber das Chaos ist damit noch lange nicht vorbei.»

Kommt der gesunde Menschenverstand einmal in Fahrt, ist er nicht mehr leicht aufzuhalten. Trump und seine Abrisstruppe schrecken vor nichts zurück, schon gar nicht vor Verfassung und Recht. Willkürlich werden alle Mittel gestoppt, beispielsweise bei der Entwicklungshilfe. «USAID ist eine kriminelle Organisation», postete Elon Musk auf seiner Plattform X am Sonntag. «Zeit, dass sie stirbt.»

Dass die USA mit solchen Hauruck-Übungen ihre sogenannte Soft Power aufs Spiel setzen – den Goodwill, der ihr anders als etwa China nach wie vor in weiten Teilen der Welt entgegengebracht wird –, kümmert den US-Präsidenten dabei nicht. Der Politologe Joseph Nye, der den Ausdruck geprägt und zu einem internationalen Begriff gemacht hat, winkt achselzuckend ab. «Trump versteht Soft Power, die Fähigkeit, etwas mit Charme und nicht mit Gewalt oder Geld zu erreichen, nicht», sagte er gegenüber der «New York Times».

pete hegseth verteidigungsminister usa
Muskeln statt Hirnmasse: US-Verteidigungsminister Pete Hegseth.Bild: X

Auch im Innern wütet Trump im Namen des gesunden Menschenverstandes wie ein Berserker. Widerrechtlich entlässt er Inspektoren und hohe FBI-Agenten. Er blockiert vom Kongress bereits bewilligte Mittel und bedroht kritische Journalisten. «Er versucht, die verfassungsrechtlichen Checks and Balances zu ignorieren, welche die Gründerväter ins amerikanische System eingebaut haben», stellt die «New York Times» in einem redaktionellen Kommentar fest. «Und er ist nicht gewillt, die Regeln der Rechenschaftspflicht und der Aufsicht zu beachten, wie es alle Präsidenten beider Parteien bisher getan haben.»

Wo der gesunde Menschenverstand herrscht, ist nicht graue Hirnmasse, sondern ein muskelbepackter Oberkörper gefragt. Vor acht Jahren prahlte Trump damit, sein Kabinett könne den weltweit höchsten Intelligenzquotienten aufweisen. Heute kann Pete Hegseth, sein mit Mühe und Not bestätigter Verteidigungsminister, nicht einmal die ASEAN-Mitglieder nennen. Stolz zählte er dafür in seinem Hearing vor dem Senatsausschuss auf, wie viele Liegestützen er am Morgen gemacht habe.

Generell findet der von Wladimir Putin begründete Trend Anklang in der Trump-Welt. Auch Robert F. Kennedy, der nominierte Gesundheitsminister, zeigt sich gerne oben ohne. Die beiden Silicon-Valley-Titanen Elon Musk und Mark Zuckerberg wollten sich vor Jahresfrist gar einen Faustkampf liefern. «Seit wann ist das Gehirn aus der Mode gefallen?», fragt sich Frank Bruni, Kolumnist der «New York Times», besorgt.

Sein Kollege David Brooks kann ebenfalls nicht viel mit dem viel gepriesenen «common sense» anfangen. Er schreibt: «Es tut mir leid, aber wenn ich mir das Verhalten der Trump-Regierung der letzten Woche vor Augen führe, dann gibt es nur ein Wort, das es zutreffend beschreibt: Dummheit.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das sind Donald Trumps neue Kabinettsmitglieder
1 / 27
Das sind Donald Trumps neue Kabinettsmitglieder
Elon Musk soll als Leiter der neu erschaffenen Behörde «DOGE» die Verwaltung effizienter machen.
quelle: keystone / evan vucci
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das ist Trudeau's Rede und die hat es in sich
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
147 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
WatSohn?
03.02.2025 13:49registriert Juni 2020
Donald Trump mit dem Begriff „Menschenverstand“ in Verbindung zu bringen ist ein Widerspruch in sich.
25710
Melden
Zum Kommentar
avatar
Swen Goldpreis
03.02.2025 13:36registriert April 2019
Das Problem ist eigentlich nicht, dass Trump nach gesundem Menschenverstand handeln will, sondern dass er den gesunden Menschenverstand schlicht nicht hat.
19010
Melden
Zum Kommentar
avatar
Rannen
03.02.2025 13:43registriert Januar 2018
Gesunder Menschenverstand ist existiert nicht bei Trump! Ich frage mich was der Antrieb ist, ist es nur sein unendlicher Geltungsdrang verbunden mit krimineller Energie?
12610
Melden
Zum Kommentar
147
    Googles Zahlen enttäuschen die Börse – Werbemilliarden fliessen aber weiter
    Der Google-Konzern Alphabet hat mit seinen Zahlen für das vergangene Quartal die Börse enttäuscht. Der Aktienkurs fiel in einer ersten Reaktion im nachbörslichen Handel um mehr als sechs Prozent.

    Der Google-Konzern Alphabet hat mit seinen Zahlen für das vergangene Quartal die Börse enttäuscht. Der Aktienkurs fiel im nachbörslichen Handel um mehr als sieben Prozent.

    Zur Story