Keine Angst, wir machen das hier jetzt nicht auch noch jede Woche, eine Schweizer Reality-Sendung mit stark tätowierten Menschen, also der «Bachelor», reicht vollauf, aber den Start habe ich mir selbstverständlich gegeben, man will ja wissen, wie unerhört und easy virtuos die Schweiz so kocht.
Hunderte von Hobbyköchen aus der ganzen Schweiz hätten sich beworben, sagt Moderator Nik Hartmann und macht dazu sein ernstestes Gesicht, als möchte er den übrig gebliebenen 16 sagen: Leute, enttäuscht mich nicht, ihr kocht hier nicht für meinen Hund! Gerne würde man sehen, womit die Legionen der Ausgeschiedenen denn so gescheitert sind. Vielleicht mit einem Spiegelei samt Aromat-Crunch und Nutella-Schäumchen?
Die 16 Auserkorenen haben 40 Minuten Zeit für ihr «Signature Dish». Also für das Essen, was sie am allerallerbesten, schlafend und mit auf den Rücken gebundenen Händen, den Kochlöffel nur mit dem Mund rührend und mit den Füssen auch noch eine Klaviersonate spielend, beherrschen.
Zweimal gibts deshalb Spaghetti Carbonara. Einmal gibts Kartoffelstock mit veganer Hackfleischsauce. Das Gericht gleicht einem Autounfall, bei dem sich zwei Rüebli gegenseitig auslöschten. «S'chönnt eigentlich wie usem Gfängnis sii, s'gseht so nach Knascht us», sagt Juror Nenad Mlinarevic.
Und was sind die befremdlichen knallblauen Tupfen, die das geräucherte Rüebli eines anderen Kandidaten zieren? Pürierter Schlumpf? Wenn er es mit geschlossenen Augen esse, sagt Mlinarevic, sei es ganz gut, der Kandidat ist weiter. Er schwärmt von der «poröse Schtruktur vo de Rüebli» und kommt möglicherweise, es ist nur so eine ganz leise Vermutung, aus etwas privilegierteren Verhältnissen. Er liebt nämlich die Sterne-Küche und hatte schon «als Jugendlicher» Freude, wenn die Familie an einen sternegekrönten Ort essen ging.
Mlinarevics Co-Jurorin Elif Oskan redet einer Kandidatin ins Gewissen, sie solle gefälligst nicht so verzagt sein, schliesslich sei sie eine Frau: «Hallo, mir chönd Chind gebäre, ohni dass öppis passiert, zägg!» Also zägg, ran an die knallharte Challenge von so einer Carbonara!
Preisfrage: Was geschieht, wenn man versucht, den Parmesan auf der glatten Innenseite einer Hightech-Reibe zu raffeln? Genau: nichts! Das versucht ein Kandidat aber trotzdem, um sich dann zu beschweren, dass die Reibe kaputt sei. Andere Preisfrage: Wie bringt man Wasser in einer Pfanne schneller zum Kochen? Mit oder ohne Deckel drauf? Schwierig zu beantworten. Und wie schafft man es, seine Pasta nur so lange zu kochen, wie sie braucht? «Timer schtelle!» (Mlinarevic) oder nicht?
Eine junge Art Directorin bringt ein nicht unattraktives und offenbar schmackhaftes Vielerlei auf ihren Teller. «Ich bi glaub scho eher so de Landchuchi-Typ», sagt sie, «sloppy Jungle-Kitchen mit Kolonialvergangeheit.» Was man heute halt so unter «Landchuchi» versteht. Irgendwas mit irgendwas und «Kolonialvergangenheit». Wo ist die PCness, wenn sie mal angebracht wäre? Einfach so «random» halt, sagt die Kandidatin, das trifft's. Aber: Sie hat Talent.
Ein Mann, der eher im gehobenen Segment arbeitet, macht, was solche Männer im Job und in Kochsendungen immer tun: performen. Er kocht «Jakobsmuscheln mit Kaffee-Vanille-Salz auf gepickelter Rande mit einer geräucherten Paprika-Mayo, Yuzu-Perlen und Passionsfrucht-Luft.» Die Jury schmeckt nur den Pickle-Fond der Rande heraus. Aber: Crazy Arbeitsaufwand in der kurzen Zeit.
Ebenfalls crazy viel Arbeit manifestiert sich auf der grosszügig tätowierten Haut eines Tätowierers, der überdies aussieht wie der schweizerische Paul Mescal, doch das hilft ihm nichts, es geht hier schliesslich ja um die innersten Werte, um das, was in einen Menschen hinein und auch wieder aus ihm hinaus muss. Der schweizerische Paul Mescal muss gehen, denn erstens ist seine Pasta verkocht («Timer schtelle!») und zweitens seine Sauce (Bolognese-Bechamel) auch nix.
Meine Favoritin des Herzens ist allerdings die patente Service-Fachkraft aus Basel, bei der man sich sofort gerne an den Mittagstisch setzen möchte, obwohl sie zu viel Aromat benutzt, was ihr aber gar nicht auffällt, weil sie sich so sehr auf ihren Speck konzentrieren muss. «Alles isch besser mit Schpägg», ist ihr Motto, und dem könnte nicht einmal Nik Hartmanns Hund widersprechen. Schpägg fäggt.
«Masterchef Schweiz» läuft dienstags um 20.15 Uhr auf 3+.