Wer mit dem Zug fährt, rattert über Schottersteine und Querschwellen aus Holz oder Granit. Sonst hat es zwischen den Gleisen höchstens etwas Unkraut. Genutzt wird die Fläche, die sich hierzulande über eine Länge von über 5000 Kilometern erstreckt, nicht. Das ändert sich nun: Am Donnerstag wurde bei Buttes im Val-de-Travers NE das schweizweit erste Solarkraftwerk zwischen Bahngleisen eingeweiht.
Die Pilotanlage umfasst 48 Solarpanels auf einer Länge von 100 Metern. Joseph Scuderi, Gründer des Start-ups Sun-Ways und treibende Kraft hinter dem Projekt, spricht von «einem kleinen Tropfen in einem Ozean von Bedürfnissen», der einer breiten Anwendung den Weg öffnen soll.
Unbestritten ist, dass die Schweiz die erneuerbaren Energien ausbauen muss, um den wegfallenden Atomstrom zu kompensieren. Windparks oder alpine Solaranlagen sind umstritten. Laurent Favre, Umweltdirektor im Kanton Neuenburg (FDP), ist deshalb von Photovoltaikanlagen zwischen Bahngleisen überzeugt: «Wir müssen die Solarpanels auf bestehender Infrastruktur anbringen und nicht auf Wiesen im landwirtschaftlichen Gebiet.»
So simpel die Lösung klingt, so kompliziert gestaltete sich jedoch ihre Umsetzung – nur schon für eine Strecke von 100 Metern. Wie diese Zeitung publik machte, stellte sich das Bundesamt für Verkehr vor zwei Jahren gegen das Projekt in Buttes. Grund dafür waren Sicherheitsbedenken und mögliche Störungen des Zugverkehrs bei Wartungsarbeiten. Erst nachdem Sun-Ways einen Prototyp ausgearbeitet hatte, gab der Bund grünes Licht für einen dreijährigen Testlauf.
Das entwickelte System lässt sich für Wartungsarbeiten abnehmen. Wie das funktioniert, haben sich am Donnerstag neben Vertretern der SBB auch Delegationen aus Frankreich, Israel, Südkorea und Belgien angesehen. Ein über 100 Meter langer Spezialzug fährt über die Solarpanels. Gleisarbeiter lösen diese von Hand aus der Verankerung. Dann senkt sich eine Hebevorrichtung, an der drei mal sechs Panels befestigt und auf den Zug gehoben werden können. Der Vorgang dauerte bei der Vorführung knapp zehn Minuten – ebenso der Wiedereinbau.
Die SBB geben auf Anfrage nicht bekannt, wie konkret sie sich schon damit beschäftigen, ihr Schienennetz mit Solarpanels zu versehen. Man stehe mit Sun-Ways in Kontakt und verfolge das Projekt, schreibt eine Sprecherin.
Gemäss Schätzungen des Start-ups liesse sich pro Jahr eine Terawattstunde Strom produzieren, würde das gesamte Schweizer Bahnnetz mit Solarpanels bestückt. Das sind 30 Prozent des Energieverbrauchs des öffentlichen Verkehrs.
Das klingt nach viel – ist verglichen mit dem unausgeschöpften Potenzial, das hierzulande auf den Dächern (55 Terawattstunden) und an Fassaden (18 Terawattstunden) liegt, aber wenig. Der stellvertretende Geschäftsführer des Branchenverbands Swissolar, David Stickelberger, erwartet die Ergebnisse des Projekts in Buttes deshalb zwar mit Spannung, glaubt aber, dass das «nur eine Nischenanwendung für die Gewinnung von Solarstrom sein wird».
Er sieht am Standort zwischen den Gleisen mehrere Nachteile: So führe die horizontale Ausrichtung der Solarpanels im Vergleich zur optimalen Neigung von 35 Grad zu einem Minderertrag von bis zu 20 Prozent, wobei besonders im Winter Einbussen anfielen. Die flache Verlegung bedeute auch mehr Verschmutzung. Zudem seien viele SBB-Zugstrecken «sehr viel stärker und mit längeren Zügen» befahren als die Strecke der Neuenburger Bahngesellschaft TransN bei Buttes, wodurch die Erträge sänken.
Sun-Ways-Gründer Joseph Scuderi ist sich der Herausforderungen bewusst. Er will die konkreten Folgen nun im Rahmen der Pilotanlage evaluieren und wo nötig Lösungen entwickeln. Für die Reinigung der Panels käme etwa das Druckluftsystem der Züge infrage, so Scuderi. Er betont: «Wenn es einfach gewesen wäre, wären wir nicht hier, denn dann hätten es andere schon vor uns gemacht.»
Besser, man konzentriert sich auf Dächer und alpine Grossanlagen. Da sind innovative Konzepte gefragt die Kosten senken und Hürden abbauen, gerne in Kombination mit einem Speicher.