Schweiz
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Solarpanels auf Schweizer Zugstrecke: SBB startet Pilotprojekt

Der Zug Tilo der SBB faehrt in Richtung Flughafen Mailand Malpensa am Dienstag, 30. Juli 2019. Die neue Bahnverbindung von Stabio zum Mailaender Flughafen Malpensa ist seit dem 10. Juni 2018 in Betrie ...
Ein Tilo-Zug der SBB fährt Richtung Milano Malpensa.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Jetzt wird auf der ersten Schweizer Zugstrecke Solarstrom produziert

Zunächst war der Bund wegen Sicherheitsbedenken dagegen, doch jetzt ist der erste Bahnabschnitt mit Solarpanels eingeweiht. So reagieren SBB und ein Experte auf das Pilotprojekt mit grossen Zielen.
25.04.2025, 08:4325.04.2025, 11:01
Julian Spörri, Val-de-Travers / ch media
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Wer mit dem Zug fährt, rattert über Schottersteine und Querschwellen aus Holz oder Granit. Sonst hat es zwischen den Gleisen höchstens etwas Unkraut. Genutzt wird die Fläche, die sich hierzulande über eine Länge von über 5000 Kilometern erstreckt, nicht. Das ändert sich nun: Am Donnerstag wurde bei Buttes im Val-de-Travers NE das schweizweit erste Solarkraftwerk zwischen Bahngleisen eingeweiht.

Die Pilotanlage umfasst 48 Solarpanels auf einer Länge von 100 Metern. Joseph Scuderi, Gründer des Start-ups Sun-Ways und treibende Kraft hinter dem Projekt, spricht von «einem kleinen Tropfen in einem Ozean von Bedürfnissen», der einer breiten Anwendung den Weg öffnen soll.

Unbestritten ist, dass die Schweiz die erneuerbaren Energien ausbauen muss, um den wegfallenden Atomstrom zu kompensieren. Windparks oder alpine Solaranlagen sind umstritten. Laurent Favre, Umweltdirektor im Kanton Neuenburg (FDP), ist deshalb von Photovoltaikanlagen zwischen Bahngleisen überzeugt: «Wir müssen die Solarpanels auf bestehender Infrastruktur anbringen und nicht auf Wiesen im landwirtschaftlichen Gebiet.»

SBB beobachten das Projekt

So simpel die Lösung klingt, so kompliziert gestaltete sich jedoch ihre Umsetzung – nur schon für eine Strecke von 100 Metern. Wie diese Zeitung publik machte, stellte sich das Bundesamt für Verkehr vor zwei Jahren gegen das Projekt in Buttes. Grund dafür waren Sicherheitsbedenken und mögliche Störungen des Zugverkehrs bei Wartungsarbeiten. Erst nachdem Sun-Ways einen Prototyp ausgearbeitet hatte, gab der Bund grünes Licht für einen dreijährigen Testlauf.

Das entwickelte System lässt sich für Wartungsarbeiten abnehmen. Wie das funktioniert, haben sich am Donnerstag neben Vertretern der SBB auch Delegationen aus Frankreich, Israel, Südkorea und Belgien angesehen. Ein über 100 Meter langer Spezialzug fährt über die Solarpanels. Gleisarbeiter lösen diese von Hand aus der Verankerung. Dann senkt sich eine Hebevorrichtung, an der drei mal sechs Panels befestigt und auf den Zug gehoben werden können. Der Vorgang dauerte bei der Vorführung knapp zehn Minuten – ebenso der Wiedereinbau.

Blick auf die Hebevorrichtung des Spezialzugs der Gleiswartungsfirma Scheuchzer, mit der sich die Solarpanels entfernen lassen.
Blick auf die Hebevorrichtung des Spezialzugs der Gleiswartungsfirma Scheuchzer, mit der sich die Solarpanels entfernen lassen.bild: Jean-Christophe Bott / Keystone

Wo das Potenzial noch grösser wäre

Die SBB geben auf Anfrage nicht bekannt, wie konkret sie sich schon damit beschäftigen, ihr Schienennetz mit Solarpanels zu versehen. Man stehe mit Sun-Ways in Kontakt und verfolge das Projekt, schreibt eine Sprecherin.

Gemäss Schätzungen des Start-ups liesse sich pro Jahr eine Terawattstunde Strom produzieren, würde das gesamte Schweizer Bahnnetz mit Solarpanels bestückt. Das sind 30 Prozent des Energieverbrauchs des öffentlichen Verkehrs.

Das klingt nach viel – ist verglichen mit dem unausgeschöpften Potenzial, das hierzulande auf den Dächern (55 Terawattstunden) und an Fassaden (18 Terawattstunden) liegt, aber wenig. Der stellvertretende Geschäftsführer des Branchenverbands Swissolar, David Stickelberger, erwartet die Ergebnisse des Projekts in Buttes deshalb zwar mit Spannung, glaubt aber, dass das «nur eine Nischenanwendung für die Gewinnung von Solarstrom sein wird».

Für Wartungsarbeiten lassen sich die Solarpanels problemlos aus ihrer Verankerung lösen.
Für Wartungsarbeiten lassen sich die Solarpanels problemlos aus ihrer Verankerung lösen.Bild: Jean-Christophe Bott / Keystone

Er sieht am Standort zwischen den Gleisen mehrere Nachteile: So führe die horizontale Ausrichtung der Solarpanels im Vergleich zur optimalen Neigung von 35 Grad zu einem Minderertrag von bis zu 20 Prozent, wobei besonders im Winter Einbussen anfielen. Die flache Verlegung bedeute auch mehr Verschmutzung. Zudem seien viele SBB-Zugstrecken «sehr viel stärker und mit längeren Zügen» befahren als die Strecke der Neuenburger Bahngesellschaft TransN bei Buttes, wodurch die Erträge sänken.

Sun-Ways-Gründer Joseph Scuderi ist sich der Herausforderungen bewusst. Er will die konkreten Folgen nun im Rahmen der Pilotanlage evaluieren und wo nötig Lösungen entwickeln. Für die Reinigung der Panels käme etwa das Druckluftsystem der Züge infrage, so Scuderi. Er betont: «Wenn es einfach gewesen wäre, wären wir nicht hier, denn dann hätten es andere schon vor uns gemacht.»

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135 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Easyjoe
25.04.2025 09:19registriert Dezember 2021
20 min Aufwand für Aus- & Wiedereinbau pro 100m bedeutet auf einem Abschnitt zwischen zwei Bahnhöfen von bsp. 6 km ganze 20Stunden zusätzliche Sperrung zum eigentlichen Unterhalt. Also knapp 3 Arbeitstage! Macht den Unterhalt noch kostspieliger und schwieriger planbar. Gibt noch tausende m2 Parkplätze welche man überdachen könnte, vielleicht mal da beginnen?
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Posersalami
25.04.2025 08:52registriert September 2016
Es ist absolut begrüssenswert, das man kreative Lösungen sucht. Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen, aber ich glaube nicht, das PV auf Gleisen (und an Autobahnen) irgendwann einen nennenswerten Beitrag leistet. Das Kosten-Nutzenverhältnis dürfte sehr schlecht sein.
Besser, man konzentriert sich auf Dächer und alpine Grossanlagen. Da sind innovative Konzepte gefragt die Kosten senken und Hürden abbauen, gerne in Kombination mit einem Speicher.
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lynx
25.04.2025 09:15registriert Juni 2021
Halte ich für keine zukunftsfähige Lösung. Die SBB hat heute schon Mühe, überhaupt noch Zeitfenster zum Unterhalt ihrer Strecken zu finden, weil fast rund um die Uhr Züge fahren. Eigentlich kann es sich niemand leisten, von den wertvollen paar wenigen Stunden in der Nacht noch Zeit zu opfern, um Solarzellen aus- und wieder einzubauen. Man sollte besser mal konsequent alle Bahn-Gebäude und Perrondächer mit Solarzellen versehen, da wäre auch der Ertrag grösser.
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