Vor einem halben Jahr bin ich aus Deutschland in die Schweiz gezogen, um meinen Master in Zürich zu machen. Bislang habe ich diese Entscheidung nicht bereut, denn ich habe die Schweiz in den vergangenen Monaten sehr lieben gelernt. Da ich aus dem süddeutschen «Schwobaländle» komme, sind die kulturellen Unterschiede auch lang nicht so gross wie beispielswiese die zwischen Schweizern und Norddeutschen.
Trotzdem sind mir nach meinem Umzug einige Schweizer Besonderheiten aufgefallen, die ich entweder aus dem grossen Kanton nicht kannte, oder mit denen ich so nicht gerechnet hatte.
Und die möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten.
In einigen Schweizer Wohnungen, die ich von innen gesehen habe, stapelt sich das Altpapier und der Karton – meine WG will ich davon nicht ausnehmen. Bei uns hat das auch einen bestimmten Grund: Niemand hat Lust, Bündelis zu schnüren. Eigentlich ist es keine Mammutaufgabe, doch die Hürde ist trotzdem zu gross. Und selbst wenn sie geschnürt sind, muss gewartet werden, bis sie abgeholt werden können.
Schon so oft habe ich mir die Frage gestellt: Warum gibt es für Papier und Karton nicht einfach ganz normale Mülltonnen, statt den Müll zunächst in der Wohnung zu lagern und dann an den Strassenrand zu legen? Mehrmals habe ich nun schon gesehen, wie vom Regen durchnässtes und zerfleddertes Papier traurig auf dem Gehweg herumliegt.
Ich wusste, dass ich die Menschen in der Schweiz zunächst vermutlich kaum oder gar nicht verstehen werde. Was mir aber nicht bewusst war: In der Deutschschweiz gibt es noch einmal ganz schöne Unterschiede im Dialekt.
Schweizerdeutsch zu lernen war daher eine reine Achterbahnfahrt für mich: Meine erste Begegnung in der Schweiz war mit einer Nidwaldnerin – ich war komplett überfordert und musste zweimal nachfragen, um ihre Frage endlich zu verstehen. Hochdeutsch war eher nicht drin. Verzweifelt dachte ich: Daran muss ich mich jetzt gewöhnen, denn so sprechen hier alle.
Als ich dann den Zürcher Dialekt gehört habe, war ich erleichtert: So schwer ist es ja doch nicht.
Bis ich mit jemandem aus Bern gesprochen habe.
Inzwischen verstehe ich die meisten Schweizer zum Glück ziemlich gut. Und obwohl ich das am Anfang nicht gedacht hätte, mag ich die Sprache mittlerweile.
Hier ein paar meiner Schweizerdeutschen Lieblingswörter und -phrasen:
Ich hatte nicht erwartet, dass die Lebensmittel-Auswahl in Schweizer Supermärkten doch so anders ist als in Deutschland. Auch wenn ich im Coop und in der Migros theoretisch alles bekomme, was ich brauche und viele neue Produkte entdeckt habe, vermisse ich dort einige Marken. Zum Glück schaffen Lidl und Aldi etwas Abhilfe – im Lidl gibt's sogar schwäbische Maultaschen!
Was mich hingegen positiv überrascht hat: Schweizer Supermärkte sehen in der Regel deutlich aufgeräumter aus als die in Deutschland.
Als ich in Stuttgart und in Berlin gewohnt habe, stand Döner bei mir jeden Monat, phasenweise sogar jede Woche auf dem Speiseplan. Vor allem in Berlin schmeckt er bekanntermassen unfassbar gut.
In der Schweiz wollte ich diese Gewohnheit eigentlich nicht ablegen. Von anderen deutschen Auswanderern wurde ich allerdings recht schnell gewarnt, dass die hiesige Döner-Qualität lange nicht an die deutsche herankommt. Deshalb habe ich mich erst vor einigen Wochen getraut, in Zürich einen Döner zu probieren – zu gross war die Befürchtung, dass ich enttäuscht werde.
Tja, es musste ja so kommen: Ich wurde enttäuscht. Vielleicht gibt es in der Schweiz den ein oder anderen geniessbaren Döner, aber leider nicht bei mir um die Ecke.
Mir war natürlich bewusst, dass das Leben in der Schweiz teurer wird. Als ich noch nicht in Zürich gewohnt habe und nur zu Besuch hier war, sind mir die hohen Preise besonders aufgefallen. Damals dachte ich, dass ich mich daran wohl nie gewöhnen würde.
Deshalb hat es mich besonders überrascht, dass ich mich nach meinem Umzug doch schnell an die Preise in den Supermärkten und Restaurants gewöhnt habe. Wenn ich jetzt selbst Besuch aus Deutschland bekomme und dieser sich über die hohen Preise beschwert, fällt es mir wieder auf: Ach ja, das war in Deutschland schon deutlich günstiger. (Wobei Stuttgart zum Beispiel auch ganz schön teuer geworden ist.)
In Zürich kann man nicht verdursten. Du hast deine Wasserflasche zu Hause vergessen? Kein Problem, direkt neben dir gibt's einen Brunnen mit gratis Trinkwasser – und dort hinten gibt es auch noch fünf. Von dieser Brunnendichte können sich alle deutschen Städte eine Scheibe abschneiden.
Da ich noch studiere, musste ich mich wohl oder übel an das Schweizer Notensystem gewöhnen. Zum Glück hatten wir deutschen Studierenden im Laufe des Semesters so oft über die umgekehrte Skala gesprochen, dass ich mich am Ende des Semesters über eine Fünf freuen konnte, anstatt in Panik zu geraten.
Was ich aber immer noch nicht ganz nachvollziehen kann: Sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz besteht man mit einer Vier, obwohl in Deutschland Eins die beste Note ist und in der Schweiz die Sechs. In Deutschland gibt es somit mehr Noten, mit denen man besteht: Eins bis Vier. In der Schweiz sind es hingegen nur die Noten Vier bis Sechs. Warum gibt es so eine grosse Auswahl an Noten, mit denen man nicht besteht?
Ehrlich gesagt wusste ich sehr lange nicht, dass es in der Schweiz kein scharfes S (ß) gibt. Logischerweise gibt es das also auch nicht auf der Schweizer Tastatur. Und dass man für ein grosses Ä, Ö oder Ü jedes Mal auf die Feststelltaste drücken muss, nervt mich schon ein wenig.
Mein grösster Schockmoment war wahrscheinlich, als ich erfahren habe, dass man in der Schweiz mit dem Lernfahrausweis ohne Fahrlehrer oder -lehrerin Autofahren üben darf – obwohl man den Führerschein noch gar nicht besitzt.
Ja, es muss zwar eine Begleitung daneben sitzen, die auch einige Kriterien erfüllen muss, aber eine passende Ausbildung hat diese wohl in den wenigsten Fällen genossen. In Deutschland ist das nur auf speziellen Verkehrsübungsplätzen erlaubt, nicht aber im normalen Strassenverkehr. Nennt mich spiessig, aber das hört sich für mich gefährlich an. Nicht umsonst gibt es in Fahrschulautos auch auf der Beifahrerseite ein extra Gaspedal, eine Kupplung und eine Bremse – oder?
Zu Beginn hatte ich nicht geahnt, wie gut mir die Schweiz letztendlich gefallen würde. So gut, dass ich es mir sogar vorstellen könnte, auf Dauer hier zu bleiben. Deshalb kommen zum Schluss noch ein paar Dinge, die in der Schweiz einfach besser sind als in Deutschland:
"Nennt mich spiessig, aber das hört sich für mich gefährlich an."
Für mich hört es sich gefährlicher an das jede und jeder mit 250km/h über eine Autobahn ballern kann.
Lernfahrausweise zusammen mit dem L Schild gibt's in Australien, Belgien, Kanada, USA, Frankreich, Neuseeland, China, ....