Mit diesem Werbespruch will uns der schwedische Möbelkonzern anspornen, unsere Wohnungen mit noch mehr Lichterketten, Billi(g)regalen und Plastikpflanzen vollzustopfen auszustatten.
Dabei bräuchte es laut der Zürcher Architektur-Professorin Elli Mosayebi vielleicht bald nur noch einen Teppich, eine Matratze und einen Tisch für unser absolutes Wohnglück. Als Projektleiterin testet sie an der ETH die sogenannte Kleinwohnung.
Campus der ETH Zürich auf dem Hönggerberg. Menschen mit Umhängetaschen unterhalten sich über Klausuren, in der Cafeteria wird konzentriert auf Laptop-Tastaturen eingehämmert. Unialltag. Das kleine, schwarze Gebäude auf dem Dach der ETH fällt dabei kaum auf. Würde es nicht mit Leuchtschrift für alle gut leserlich verkünden: «(No) Vacancy.»
Da wird also gewohnt. Und zwar während eines Jahres, jede Woche jemand Neues. Mal ein Paar, mal Einzelpersonen. Laut Mosayebi haben sich erstaunlich viele Singlefrauen um die 60 Jahre angemeldet. Menschen, die im sogenannten Mockup (so nennt man den Prototyp der kleinen «Wohnkiste») eine alternative Wohnform testen sollen.
Auf 54m2 soll dabei der Alltag bestritten werden. 54m2, die mit einer beweglichen Wohnwand, einem beweglichen Schrank und beweglichen Lampen ausgestattet sind.
Zwar wenig Platz, aber der lässt sich individuell einteilen.
Durch die zentrale Drehwand lassen sich im Nu verschiedene Räume gestalten: Abgetrenntes Schlafzimmer, separate Küche oder alles ganz offen – je nachdem, wie die Wohnung gerade genutzt wird.
In vielen Wettbewerben ist die Nachfrage nach flexibler Architektur gefragt. Mosayebi hat eine mögliche Antwort geliefert.
Laut der Architektin sind unsere heutigen Wohnformen veraltet. «Bis zu den 70er-Jahren galt die Familienstruktur als dominantes Wohnmodell.» Und so habe man auch gebaut. Elternschlafzimmer, Kinderschlafzimmer, Küche, Esszimmer. Doch unser Lebensmodell hat sich verändert:
Laut Bundesamt für Statistik leben in der Schweiz unterdessen ein Drittel Singles, ein Drittel Paare und ein Drittel Familien. «Darum wollen wir das Wohnen neu denken», erklärt Mosayebi. «Denn als Single oder Paar hat man andere Bedürfnisse als Familie. Trotzdem baut man immer noch fast alle Wohnungen nach dem starren Familienmodell. Für nur einen Drittel der Bevölkerung.»
Neue Wohnformen sind also gefragt. Eine mögliche Antwort könnte das Mockup der ETH sein. Klein, aber fein. Das Verändern der Wohnung soll dabei unseren Individualismus ansprechen. Sprich, die Wohnung der Zukunft soll nicht nur individuell eingerichtet sein, sondern man soll die Wohnung selber so «bauen», wie man es gerne hätte.
Aber reicht dazu eine bewegliche Wand, ein beweglicher Schrank und Lampen, die man von Wohnfläche zu Wohnfläche bewegen kann?
Besuch auf dem Dach der ETH. Flurina Cantieni schiebt die Wohnwand in die aktuell gewünschte Position. Da sie Gäste erwartet wird das Schlafzimmer abgetrennt, das Bad ist jedoch immer noch für alle erreichbar.
Sie ist, zusammen mit ihrem Freund, eine von vielen Testpersonen, die das Mockup probewohnen. Der erste Eindruck? «Etwas enttäuschend, da ich dachte, man könne viel mehr verändern», so Cantieni. Nach ein paar Tagen habe sie aber gemerkt, dass die beweglichen Elemente völlig ausreichen, um das Wohngefühl zu verändern.
«So hatten wir zu zweit stets ein relativ offenes Mockup, da wir es mögen, miteinander im gleichen Raum zu sein und doch alle beide an einem anderen Ort.» Kam Besuch, wurde die Gast-Einstellung gewählt. Flurina Cantieni sagt:
Genau so hat sich Projektleiterin Elli Mosayebi das auf dem Papier vorgestellt. «Rückzug ist ein Grundbedürfnis. In einer herkömmlichen Kleinwohnung wie wir sie kennen, hat es nicht den Raum, um sich zurückzuziehen. Mit der beweglichen Wand kann man diesen jedoch schaffen.»
Wenn Mosayebi von ihrem Projekt erzählt, strahlt sie Energie aus, als könnte sie gar die unbeweglichen Wände ihres Mockups in eine neue Position bringen. Wände, die übrigens nie parallel zueinander stehen. «Damit wollten wir die Dynamik der Wohnung weiter fördern. Es soll aussehen, als seien die Wände in der Bewegung erstarrt.»
Etwas, das Flurina Cantieni und ihrem Freund nicht sonderlich aufgefallen ist. Sie meint jedoch: «Ich könnte mir vorstellen, dass der Grundriss Sinn macht, wenn man mehrere Wohnungen ineinanderschachteln will, um Platz zu sparen.»
Dass das Mockup mehr als nur eine Spielerei der ETH ist, beweisen die Zukunftspläne von Mosayebi. Schon bald sollen in einer neuen Überbauung in Zürich 30 solche Kleinwohnungen eingebaut werden. Und Cantieni hat richtig vermutet: dank dem «Ineinanderschachteln» lassen sich auf fünf Stockwerken je sechs solche Wohnungen einbauen. Vier für Paare (54m2), zwei für Singlehaushalte (26m2).
Mosayebi rechnet vor: «Wenn diese Wohnungen optimal ausgelastet sind, könnten somit zehn Personen auf einem Stockwerk wohnen.» Ein beträchtlicher Schritt in Richtung verdichtetes Wohnen. Wohnen doch bei herkömmlichen Wohnungen auf der gleichen Fläche weniger Leute.
Klar stelle sich auch die Frage der Verdichtung, erklärt Mosayebi in ihrem Büro an der ETH. «Man kann aber nicht immer moralisch oder ökologisch argumentieren, sondern muss Alternativen herstellen, die Lust machen, sie zu beleben. Wir sagen immer: Wir müssen sparen und weniger Ressourcen verbrauchen ... aber machen es dann trotzdem nicht.» Somit sei das Mockup ein Versuch, alle Bedürfnisse abzudecken. Die ökologischen, aber auch die designorientierten. Denn:
Mosayebi will mit dem Mockup einen Wohnraum schaffen, der praktisch UND schön ist. «Nur praktisch ist langweilig, nur schön vielleicht etwas doof.»
Dreht die Schweiz also schon bald blockweise an Wohnwänden? «Alternatives Wohnen wird sich durchsetzen», ist Mosayebi überzeugt. Man dürfe bei Kleinwohnungen jedoch nicht ausser Acht lassen, dass sie vor allem in Städten Sinn machten, da die Umgebung eine grosse Rolle spiele. Wird der Wohnraum kleiner (auch wenn er noch so individuell gestaltbar ist), so müsse die Umgebung mehr als Wohnraum einbezogen werden. «Es braucht Quartiere mit Bars, Cafés und anderen Möglichkeiten, um seine Zeit zu verbringen.» Für Mosayebi wird das Wohnen immer mehr zum «Aufenthalt», wie sie sagt.
Zwar Rückzugsort, aber nicht mehr so kleinbürgerlich, wie das nach dem Krieg der Fall war. Der Wohn- und Arbeitsbereich fliesse ineinander, Leute würden mehr umziehen und froh sein, weniger zu besitzen. Perfekte Voraussetzungen für eine Kleinwohnung, die gar nicht viele Möbel zulässt.
Etwas, das auch Cantieni in ihrer Testwoche zum Überlegen gebracht hat. «Als ich sah, mit wie wenig Sachen wir ausgekommen sind, habe ich mich schon gefragt: Was brauche ich wirklich?»
Vielleicht eben doch keine Billigregale, sondern schlichten, durchdachten Wohnraum.
TEPPICH? Wirklich? Wozu brauche ich einen Teppich? Zum Fliegen? Aber sicher nicht in der Wohnung!