Es waren einmal zwei Brüder. Ihr Vater betrieb eine Kartbahn, da drehten sie schon früh Runde um Runde und dann wurden sie Rennfahrer und der eine heiratete eine Corinna und der andere eine Cora. Michael war der ältere und erfolgreichere, er spannte 1991 seine Corinna einem anderen Rennfahrer aus und schenkte ihr eine Pferderanch in der Schweiz und eine in Texas, denn auch Corinna setzte sich wie er sehr gern auf schnelle Dinge.
Michael ging während seiner Karriere 307 Mal an einen Start in Monza oder Monaco oder anderswo und gewann 91 Mal. Ralf, so heisst es, schraubte als Teenager so gar nicht an Mädchen, sondern einzig an Autos rum und heiratete Cora, die er schon seit Kindstagen kannte. Er nahm an 180 Formel-1-Rennen teil und gewann davon nur 6. 1996 war er big in Japan, sonst war er der kleine Bruder.
Die kirchliche Hochzeit von Ralf und Cora wurde 2002 zur «Traumhochzeit». DJ Ötzi war da, Menschen aus der Ochsenknecht-Dynastie und die «Bild». Ralf gab zu Protokoll: «Wenn es für Schmetterlinge im Bauch WM-Punkte geben würde, Cora und ich hätten meinen Bruder in punkto Titel schon locker überholt.»
Bereits 2004 wird das Gerücht laut, Ralf sei homosexuell. In Rennfahrerkreisen heisst er «Michaels Schwester». Obwohl die beiden einen gemeinsamen Sohn haben, soll Coras Rolle als Ehefrau ein vertraglich geregelter Job sein. Schon vor der Hochzeit soll Coras Vater gesagt haben, dass da was nicht stimme. Die «Bild» fragt Ralf, der sagt: «Ich bin genauso wenig schwul, wie die Donau eine Insel ist.» Schwul in der Formel-1, dem Reich der Boliden und Boxenluder, geht noch weniger als Ananas auf einer Pizza. Der Rest ist Schweigen.
Die Schmetterlinge verabschieden sich erstaunlich schnell, ab 2009 leben Ralf und Cora getrennt, 2015 lassen sie sich scheiden. Weder vor noch nach Cora sind weitere Partnerinnen von Ralf bekannt.
Zum Zeitpunkt der Scheidung hat Ralf seinen Bruder Michael schon verloren. Nicht ganz, nicht als lebenden, atmenden Organismus, aber als Menschen, mit dem er sich austauschen kann, der ihm beisteht, Erinnerungen teilt, mit ihm Dinge unternimmt, Trophäen abstaubt, an Autos rumschraubt, die Eltern besucht. Denn am 29. Dezember 2013 gegen 11 Uhr erlitt Michael bei einem Skiunfall oberhalb von Méribel eine derart heftige Verletzung, dass ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zurückbleibt. Bald wird klar, dass der Weg seiner Rehabilitation ein langer sein wird, möglicherweise ein end- und aussichtsloser.
Die Familie Schumacher entscheidet sich, über Michaels Zustand genau so eisern zu schweigen wie über Ralfs sexuelle Identität. Die Gründe sind unterschiedlich. Bei Ralf geht es um ein Image, um eine bestimmte Sportszene, um Werbeverträge, um Selbstzensur (die Angst homosexueller Sportler, dass ihren Kollegen die gemeinsame körperliche Nähe unangenehm sein könnte, ist legendär).
Bei Michael errichtet die Familie einen Wall aus Anwälten um das Anwesen in Gland am Genfersee. Es gibt die öffentlichen Schumachers – Sohn Mick ist heute auch Rennfahrer und Tochter Gina leitet gemeinsam mit Mutter Corinna die Stallungen in der Schweiz und Amerika und ist selbst eine hochdekorierte Westernreiterin. Und es gibt die privaten Schumachers, die sich um den Vater kümmern. Über sie und ihn weiss man nichts. Seit einem Jahrzehnt.
Die Familie erklärt ihr Schweigen so: Jede Mini-Information, sagen sie, würde sofort zu weiteren Fragen und Mutmassungen führen, dem wollen sie sich entziehen. Dafür haben sie quasi ein gemeinsames Schweigegelübde abgelegt. Man kann sich den Druck, unter den sie sich, besonders die Kinder, gestellt haben, kaum ausmalen. Ein schier übermenschliches Vorhaben. Man kann und muss das respektieren.
Nur einer hat sich verschwatzt: 2016 besuchte Erzbischof Georg Gänswein, der Privatsekretär von Papst Franziskus, Michael Schumacher. Danach erzählte er der «Bild» und der «Bunte» Details wie dieses: «Man spürt, dass er Begegnungen wahrnimmt, dass er mit sich einen inneren Monolog führt. Man kann fühlen, dass die Nähe seiner Familie wichtig für ihn ist.» Seine Hände seien warm gewesen.
Im Fall Ralf Schumacher hat nun endlich einer das Schweigen gebrochen: Ralf selbst. Mit 49 Jahren. Am 14. Juli zeigte er sich und seinen französischen Partner Étienne Bousquet-Cassagne, mit dem er seit zwei Jahren zusammen ist, von hinten auf Instagram und schrieb dazu: «Das schönste im Leben ist wenn man den richtigen Partner an seiner Seite hat mit dem man alles teilen kann.»
Die Reaktionen waren überschwänglich. Carmen Geiss, schon länger eine Vertraute der beiden, flippte aus. Bill Kaulitz, der einst als Teenstar selbst darunter litt, nicht zu seiner Homosexualität stehen zu dürfen, jubelte. Ralfs Sohn David schrieb: «Es freut mich sehr, dass Du endlich jemanden gefunden hast, bei dem man wirklich merkt, dass Du Dich wirklich wohl und geborgen fühlst.» Endlich. Wirklich. Was auch heisst, dass es diese Art des selbstverständlichen Glücks zuvor für seinen Vater nicht gegeben hat.
Trotzdem stehen unter diesem und dem folgenden Post von Ralf und Étienne (der sich übrigens bis 2020 aktiv im Front National engagierte) unzählige homophobe Kommentare. «Sollte ein Vorbild sein w.i.e.d.e.r.l.i.c.h», steht da, oder: «Es gibt immer einen in der Familie der in die falsche Richtung ‹fährt› … aber naja wenigstens hat sein Bruder viel erreicht», und immer wieder «arme Cora». Der «Stern» titelt: «Ralf Schumacher wird für sein Coming-out gefeiert. Die tragische Figur heisst Cora.» Wenn für die einen die Sonne scheint, fällt Schatten auf andere, das ist das eherne Gesetz des Boulevards. Und Cora ist jetzt auf der Rückseite des Glücks. Bereits im Januar hatte sie im Dschungelcamp angedeutet, dass die Ehe mit Ralf nur eine Farce war.
Vielleicht ist auch sie jetzt erleichtert, denn auch sie hat sich viele Jahre der Schumacherschen Omertà unterworfen und geschwiegen. Gut, gelegentlich, zuletzt im Dschungelcamp 2024, äusserte sie sich etwas zu andeutungsschwer, doch am Ende hat sie Ralf den Vortritt gelassen. Oder sich an eine Verschwiegenheitserklärung gehalten. Vielleicht können sich die beiden jetzt endlich vor eine Kamera setzen und sagen, wie es wirklich war.
Das Schweigen über dem Gut von Gland wird sich wohl vorerst nicht lichten. Dennoch ist das Zerrinnen der Zeit von Michael Schumacher für einen kurzen Moment sichtbar geworden: Im Mai wurden in Genf acht seiner geliebten Uhren, nein, Chronometer natürlich, für 1,2 Millionen Franken versteigert.
Was ich krass finde, ist dass sich all die Frauen durch Operationen die Gesichter derart verunstalten lassen. Das findet doch niemand attraktiver als der Naturzustand.
Das der Verfasser des Artikels das ganze noch mit zynischen Ansichten garniert, ist eine andere Story zum Thema Pietät und Rücksicht...
Ich finde der andere Rennfahrer darf durchaus namentlich erwähnt werden.
H.-H. Frentzen, besser bekannt als HHF, hat einige Grand Prix gewonnen und ist auch mehrere Saisons für das Schweizer Sauber-Team gefahren.
Anfangs der 90er Jahre fuhr er in Japan Formula Nippon, weil er in Europe keinen Fahrerplatz bekam. Was zu obiger Episode führte, da seine damalige Freundin in Europa blieb.
Bleibt zu erwähnen, dass HHF und Michael Schumacher danach keine Freunde mehr blieben ;)