Wenn man früher von ADHS sprach, schwang dabei meist ein Unterton von Geringschätzung mit. ADHSler waren Zappelphillippe und brauchten ganz viel Aufmerksamkeit – so die allgemeine Haltung. Heute ist vielen klar, dass sich die Krankheit in verschiedenen Formen zeigt und Betroffene vor allem damit kämpfen, Aufmerksamkeit zu geben.
Durch die rege Diskussion in der Gesellschaft in den letzten Jahren ist zwar die Stigmatisierung der Erkrankung gesunken, es droht aber auch eine Gefahr. ADHS ist vor allem in den sozialen Medien zu einem regelrechten Trend geworden.
So fangen viele damit an, sich anhand von Videos oder Artikeln im Internet selbst zu diagnostizieren. Auf TikTok gibt es eine ganze Nische – sogenanntes #adhstok –, in der Creator ihre ADHS-Symptome teilen und Tipps geben. Auch wenn in den Videos oft viele wertvolle Anregungen dabei sind, führt dies auch dazu, dass man anfängt, an sich selbst Symptome zu erkennen.
Das Problem bei der Selbstdiagnose: Ein Grossteil der Symptome von ADHS erfährt jeder und jede in seinem oder ihrem Alltag ab und zu. Jeder Mensch ist mal unaufmerksam, jeder Mensch ist mal aufgedreht und jeder Mensch hat mal Selbstzweifel. Bei ADHS geht es aber nicht nur darum, dass man die Symptome hat, sondern auch um die Ausprägung und die Dauer dieser Symptome. Erst wenn man fast immer unaufmerksam ist, fast immer aufgedreht ist und fast immer mit starken Selbstzweifeln zu kämpfen hat, wirkt sich das auch nachhaltig auf die Lebensqualität aus und wird so zu einer Krankheit.
So kann eine weitere Normalisierung und Romantisierung von ADHS auch gefährliche Folgen haben. Wenn viele eine Abklärung durch eine Spezialistin oder einen Spezialisten nicht mehr für nötig halten, fehlt so auch die Unterstützung durch Medikamente und Fachwissen.
Laut der Schweizerischen Fachgesellschaft ADHS leiden 80 % der erwachsenen ADHS-Erkrankten an einer Begleiterkrankung wie etwa Depressionen. Wird keine Abklärung durchgeführt, kann das die Folge haben, dass sich auch die Co-Erkrankung weiter verschlimmert. Zudem schmälert die Romantisierung von ADHS auch das Erlebnis von Betroffenen, die tatsächlich unter der Krankheit leiden.
Seit meiner Kindheit ist jeder Bereich meines Lebens davon beeinflusst und es kostet unendlich viel Kraft in dieser krassen leistungsorientierten Gesellschaft einen geeigneten Platz zu finden. Ein Platz,an dem man geschätzt wird für die Eigenschaften die ein ADHSler mitbringt und geschützt und verstanden wird. ADHS ist verdammt nochmal kein lustiger Trend!! Sondern etwas,dass dein Leben mitbestimmt. Aber, man kann damit leben.