ADHS erfährt momentan in den sozialen Medien einen regelrechten Hype. Es geht so weit, dass viele beginnen, sich selbst mit der Krankheit zu diagnostizieren – das kann jedoch gefährlich werden.
28.03.2023, 19:4430.03.2023, 06:05
Wenn man früher von ADHS sprach, schwang dabei meist ein Unterton von Geringschätzung mit. ADHSler waren Zappelphillippe und brauchten ganz viel Aufmerksamkeit – so die allgemeine Haltung. Heute ist vielen klar, dass sich die Krankheit in verschiedenen Formen zeigt und Betroffene vor allem damit kämpfen, Aufmerksamkeit zu geben.
Durch die rege Diskussion in der Gesellschaft in den letzten Jahren ist zwar die Stigmatisierung der Erkrankung gesunken, es droht aber auch eine Gefahr. ADHS ist vor allem in den sozialen Medien zu einem regelrechten Trend geworden.
Was ist ADHS?
ADHS ist eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannte psychische Erkrankung und steht für Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Die Symptome umfassen unter anderem Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Die Erkrankung kann sich bei Betroffenen aber mit einer Bandbreite von Symptomen zeigen. Eine Früherkennung ist wichtig, da so Co-Erkrankungen vermieden werden können.
admin.ch, bundesgesundheitsministerium.de
Selbstdiagnose mit TikTok
So fangen viele damit an, sich anhand von Videos oder Artikeln im Internet selbst zu diagnostizieren. Auf TikTok gibt es eine ganze Nische – sogenanntes #adhstok –, in der Creator ihre ADHS-Symptome teilen und Tipps geben. Auch wenn in den Videos oft viele wertvolle Anregungen dabei sind, führt dies auch dazu, dass man anfängt, an sich selbst Symptome zu erkennen.
Meine Beobachtung
Bei mir selbst wurde mit 21 ADHS diagnostiziert. Damals hatte ich noch kein TikTok, doch sobald ich die App auf mein Handy geladen hatte, dauerte es keine zwei Wochen, bis mich der Algorithmus ebenfalls in diese Nische einordnete.
Video: watson/tiktok/diana.nowakk
Das Problem bei der Selbstdiagnose: Ein Grossteil der Symptome von ADHS erfährt jeder und jede in seinem oder ihrem Alltag ab und zu. Jeder Mensch ist mal unaufmerksam, jeder Mensch ist mal aufgedreht und jeder Mensch hat mal Selbstzweifel. Bei ADHS geht es aber nicht nur darum, dass man die Symptome hat, sondern auch um die Ausprägung und die Dauer dieser Symptome. Erst wenn man fast immer unaufmerksam ist, fast immer aufgedreht ist und fast immer mit starken Selbstzweifeln zu kämpfen hat, wirkt sich das auch nachhaltig auf die Lebensqualität aus und wird so zu einer Krankheit.
Romantisierung von ADHS
So kann eine weitere Normalisierung und Romantisierung von ADHS auch gefährliche Folgen haben. Wenn viele eine Abklärung durch eine Spezialistin oder einen Spezialisten nicht mehr für nötig halten, fehlt so auch die Unterstützung durch Medikamente und Fachwissen.
Laut der Schweizerischen Fachgesellschaft ADHS leiden 80 % der erwachsenen ADHS-Erkrankten an einer Begleiterkrankung wie etwa Depressionen. Wird keine Abklärung durchgeführt, kann das die Folge haben, dass sich auch die Co-Erkrankung weiter verschlimmert. Zudem schmälert die Romantisierung von ADHS auch das Erlebnis von Betroffenen, die tatsächlich unter der Krankheit leiden.
Lass dir helfen!
Du glaubst, du kannst eine persönliche Krise nicht selbst bewältigen? Das musst du auch nicht. Lass dir helfen.
In der Schweiz gibt es zahlreiche Stellen, die rund um die Uhr für Menschen in suizidalen und depressiven Krisen da sind – vertraulich und kostenlos.
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Die Dargebotene Hand: Tel 143,
www.143.ch
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Beratung + Hilfe 147 für Jugendliche: Tel 147,
www.147.ch
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Reden kann retten: www.reden-kann-retten.ch
In diesen Ländern gibt es bereits ein TikTok-Verbot
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In diesen Ländern gibt es bereits ein TikTok-Verbot
Am 4. April 2023 verbannte Australien die TikTok-App von Regierungsgeräten – mit sofortiger Wirkung. Australien reihte sich damit in die wachsende Liste von Nationen ein, die Sicherheitsbedenken äusserten wegen der in chinesischem Besitz befindlichen Social-Media-Plattform.
quelle: shutterstock / peter galleghan
ADHS bei Frauen – das unentdeckte Leiden
Video: watson
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James Bond ist halber Schweizer – immerhin ist die fiktive Mutter des fiktiven britischen Geheimagenten laut 007-Erfinder Ian Fleming eine Waadtländer Bergsteigerin namens Monique Delacroix. Vermutlich liegt es aber nicht an Bonds Herkunft, dass einige Szenen der Filmreihe – und es sind nicht die schlechtesten – in der Schweiz gedreht wurden. Unser Land punktete eher mit spektakulären Gebirgslandschaften, verschwiegenen Banken («Money’s the religion of Switzerland», erklärt Bond seinem Chef M) und als neutraler Tummelplatz für Geheimdienste.
Seit meiner Kindheit ist jeder Bereich meines Lebens davon beeinflusst und es kostet unendlich viel Kraft in dieser krassen leistungsorientierten Gesellschaft einen geeigneten Platz zu finden. Ein Platz,an dem man geschätzt wird für die Eigenschaften die ein ADHSler mitbringt und geschützt und verstanden wird. ADHS ist verdammt nochmal kein lustiger Trend!! Sondern etwas,dass dein Leben mitbestimmt. Aber, man kann damit leben.