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So wie in «The Blofeld Files» hast du James Bond noch nie gesehen

James Bond auf dem Schilthorn
James Bond auf dem Schilthorn: Viele entscheidende Szenen von «On Her Majesty’s Secret Service» mit George Lazenby in der Rolle des britischen Geheimagenten wurden 1968–1969 in der Schweiz gedreht. Der neue Bildband «The Blofeld Files» bietet in hunderten Aufnahmen einen intimen Einblick in die Dreharbeiten. Bild: RDB Felix Aeberli
Review

007 in der Schweiz – so wie in «The Blofeld Files» hast du James Bond noch nie gesehen

04.05.2025, 20:1104.05.2025, 20:11
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James Bond ist halber Schweizer – immerhin ist die fiktive Mutter des fiktiven britischen Geheimagenten laut 007-Erfinder Ian Fleming eine Waadtländer Bergsteigerin namens Monique Delacroix. Vermutlich liegt es aber nicht an Bonds Herkunft, dass einige Szenen der Filmreihe – und es sind nicht die schlechtesten – in der Schweiz gedreht wurden. Unser Land punktete eher mit spektakulären Gebirgslandschaften, verschwiegenen Banken («Money’s the religion of Switzerland», erklärt Bond seinem Chef M) und als neutraler Tummelplatz für Geheimdienste.

Schon in «Goldfinger» (1964) spielen mehrere Szenen in der Schweiz. Noch viel bedeutender als Schauplatz ist sie aber im sechsten Streifen der offiziellen Reihe: «On Her Majesty’s Secret Service» («Im Geheimdienst Ihrer Majestät», 1969). Hier befindet sich selbst das Hauptquartier des Bösewichts Blofeld auf Schweizer Territorium – im Drehrestaurant Piz Gloria auf dem Schilthorn. Seinen rätoromanisch anmutenden Namen verdankt das Restaurant übrigens dem fiktiven Berggipfel aus der Romanvorlage von Ian Fleming.

Die Dreharbeiten für diesen Bond-Streifen – die grösste Filmproduktion, die es hierzulande bisher gab – dauerten mehr als sieben Monate. Studioaufnahmen gab es nur wenige; vielmehr diente die Schweizer Berglandschaft als Kulisse für atemberaubende Action-Szenen. Selbst eine Lawine wurde für die Aufnahmen per Sprengung ausgelöst, notabene ohne behördliche Bewilligung.

Der Einfall dieser Produktionsmaschinerie in die beschauliche Berner Bergwelt wurde von der Boulevardzeitung «Blick» dokumentiert, deren Reporter die Dreharbeiten nahezu täglich begleiteten. Das Spektakel hinterliess zwangsläufig auch Spuren in den Fotoalben der Einheimischen: Dutzende junge Männer und Frauen wurden für den Film rekrutiert; Stuntmen, Komparsen, Barmänner, Hotelmanager und Zimmermädchen begegneten den Filmstars in Fleisch und Blut. Und viele Einwohner von Mürren, dem Hauptquartier der Filmproduktion, erlebten die Dreharbeiten hautnah mit.

«Illustriertes Zeitdokument»

Aus diesem umfangreichen Fundus von Geschichten, Bildern und Dokumenten haben die Bond-Kenner Peter Wälty und Steffen Appel einen eindrücklichen Bildband destilliert, der auf mehr als 360 Seiten über 700 Abbildungen präsentiert – viele davon werden zum ersten Mal gezeigt. «The Blofeld Files» ist allerdings nicht einfach eine simple Bildersammlung, sondern versteht sich, wie der Klappentext betont, «als illustriertes Zeitdokument zum Dreh von ‹On Her Majesty’s Secret Service› in der Schweiz».

Die Autoren haben denn auch weitgehend auf offizielle Fotos der Produktionsfirma EON verzichtet. Ihre Auswahl des Materials war vielmehr vom Anspruch geleitet, eine intime, spontane und authentische Nähe zu Cast und Crew herzustellen – vor und hinter den Kulissen. Der englische Begleittext liefert dazu den soziokulturellen Kontext und bietet Hintergrundinformationen über den Lifestyle der späten Sechzigerjahre. Damit ist dieser Bildband nicht nur ein Muss für hartgesottene Bond-Fans und Film-Freaks, sondern hat auch jenen etwas zu bieten, die sich für die Ästhetik der Sixties begeistern.

«The Blofeld Files»
Der englischsprachige Bildband «The Blofeld Files. The Making of the Iconic Alpine Sequence in the James Bond Movie ‹On Her Majesty's Secret Service›» von Peter Wälty und Steffen Appel ist im März 2025 mit Vorworten von George Lazenby und Steven Saltzman erschienen.
368 Seiten, 713 Abbildungen
CHF 105.-
Edition Bleuchamp, 2025
ISBN: 978-3-00-081725-0
www.theblofeldfiles.com

«The Blofeld Files» kommen zu einem Zeitpunkt auf den Markt, da die Marke «Bond» wieder einmal vor einer Neudefinition steht. Nachdem die Produzenten-Familie Broccoli beinahe 60 Jahre lang die kreative Kontrolle über die Filmreihe behalten hatte, hat sie die wohl grösste Franchise der Filmgeschichte an Amazon MGM Studios abgegeben. Wie sich dies auf die «Identität» des britischen Geheimagenten auswirken wird, steht in den Sternen.

Auch George Lazenby – der übrigens ein Vorwort zum Bildband beigesteuert hat – glaubte nach «On Her Majesty's Secret Service», der klassische Bond sei überholt: Die Figur sei ein Relikt aus einer vergangenen Ära und werde den Übergang zu den 1970er-Jahren nicht überleben. Er lehnte das Angebot der Produzenten für sechs weitere Bond-Filme ab – mit katastrophalen Folgen für seine Filmkarriere. Lazenby glaubte am Ende, die Bond-Produzenten hätten sich an ihm gerächt und dafür gesorgt, dass er nie wieder eine bedeutende Rolle erhielt. Wälty/Appel kommentieren dies in «The Blofeld Files» lakonisch mit dem Satz: «Es gibt keine Beweise für diese Behauptung, aber viele, die Lazenbys Arroganz bestätigen.»

9 ungewöhnliche Bond-Bilder aus «The Blofeld Files»

Verpflegung im Bademantel

One floor below the Alpine Room, a canteen with a large kitchen is set up, capable of serving up to 120 people. The catering is handled by the kitchen of the Hotel Alpenruh.
Lazenby and the girls wear ...
Bild: Felix Aeberli

Die eigens für die Dreharbeiten ein Stockwerk unter dem Alpensaal eingerichtete Kantine mit Grossküche kann bis zu 120 Personen bewirten. Bond-Darsteller Lazenby und seine Kolleginnen tragen Bademäntel über ihren Kostümen, damit diese nicht von Flecken verunreinigt werden können.

Bond auf der Baustelle

After spending the night in room 317 (now 411) at the Hotel Schweizerhof in the Swiss capital of Bern, George Lazenby wakes up well-rested and in good spirits on the morning of Sunday, November 3. Con ...
Bild: RDB

Auch in der Bundesstadt Bern spielen einige Szenen des Films. Lazenby verbringt die Nacht in Zimmer 317 (jetzt 411) des Hotels Schweizerhof. Weit ist es nicht zum Set: Der Dreh findet praktisch direkt vor seinem Zimmer statt. Bond empfängt hier den Safeknacker, den ihm der MI6-Agent Shaun Campbell per Baukran auf den Balkon hievt. Hinter der Balkontür befindet sich das vermeintliche Büro der Anwaltskanzlei Gebr. Gumbold, in dem Bond den Safe entdeckt, der Dokumente mit Blofelds Adresse enthält.

Brav «wie eine Bibelstunde»

"As civilized as a bible class."
At the party in the Hotel Jungfrau, held after the filming in Bern, Lazenby dances with crew members while wearing après-ski shoes from the Kandahar company, ...
Bild: Courtesy of Rolf Zurschmiede

Nach den Dreharbeiten in Bern findet eine Party im Hotel Jungfrau statt. Lazenby tanzt in Après-Ski-Schuhen der ursprünglich in Mürren ansässigen Firma Kandahar mit Crew-Mitgliedern. Dabei geht es mitnichten wild zu und her: «Blick»-Fotograf Felix Aeberli, der mit seiner Kamera dabei war, kommentierte später:

«Diese Partys waren so zivilisiert wie eine Bibelstunde, verglichen mit dem, was ich im selben Jahr bei der Miss-Schweiz-Wahl erlebt habe.»

Präparierte Weihnachtsgeschenke

The twelve women, in reality sleeper agents brainwashed by Blofeld, each receive a makeup set as a Christmas 
gift before their departure home to various continents. The perfume atomizer contains the  ...
Bild: Courtesy of family von Allmen

Bond im Kreise von hübschen Frauen ... Die Szene ist freilich längst nicht so harmlos, wie sie den Anschein macht: Die zwölf jungen Frauen auf Piz Gloria sind in Wirklichkeit Schläferagenten, die von Bösewicht Blofeld einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. Das Schminkset, das sie jeweils vor ihrer Abreise in die verschiedenen Kontinente als Weihnachtsgeschenk erhalten, hat es in sich: Der Parfümzerstäuber enthält ein Unfruchtbarkeitsvirus, das Vieh und Feldfrüchte unfruchtbar machen und eine weltweite Hungersnot auslösen soll; ein als Puderdose getarnter Funksender dient Blofeld dazu, die Schläfer bei Bedarf zu aktivieren.

Superstar mit Narbe

Lazenby had one and half of his kidneys removed when he was a child. Hence the scars. The doctors 
said that he wouldn't live much past the age of twelve.
During these rare encounters between the ...
Bild: Courtesy of family von Allmen

«On Her Majesty’s Secret Service» ist der einzige Film aus der Bond-Serie, in dem George Lazenby die Rolle von 007 spielt. Der zuvor völlig unbekannte Australier setzte sich im Casting unter anderem deshalb durch, weil er bei Probeaufnahmen einem Stuntman versehentlich die Nase brach. So robust Lazenby aber physisch wirken mochte – als Kind sah es zunächst nicht gut aus für ihn: Die Ärzte mussten ihm eine und eine halbe Niere entfernen – deshalb die Narben – und prophezeiten, er werde nicht viel älter als zwölf Jahre alt werden.

Besuch bei der Stadtpolizei Zürich

Friday, November 15 is a scheduled day off. James Bond, accompanied by the Israeli Bond girl Helena Ronee, visits "his colleagues" ("Blick") from the Zurich city police at the Uran ...
Bild: Keystone

An einem drehfreien Tag besucht Lazenby in Begleitung des israelischen Bond-Girls Helena Ronee die Urania-Wache der Stadtpolizei Zürich. Kommissar Fritz Oertle erklärt dem Bond-Darsteller, wie «seine Kollegen» – so schreibt damals der «Blick» – arbeiten, und Lazenby darf sogar eine Maschinenpistole in die Hand nehmen.

Curling im Ulster-Mantel

The strikingly fashionable and colorful appearance of the clinic patients during the curling game is contrasted by Hilary Bray's earth-toned Ulster coat. This Victorian overcoat, featuring a cape ...
Bild: ETH

Curling auf der Bergstation Piz Gloria: Bond trägt einen erdfarbenen Ulster-Mantel von Hilary Bray, der mit der farbenfrohen und modischen Erscheinung der jungen Frauen kontrastiert. Dieser viktorianische Mantel mit Umhang – übrigens ein beliebtes Kleidungsstück in Arthur Conan Doyles «Sherlock Holmes»-Romanen – wurde ursprünglich für Kutscher entworfen, um sie beim Warten vor Regen zu schützen.

Gespanntes Verhältnis

For the final January 1969 issue of "Schweizer Illustrierte," Werner Pfändler photographs a romantic carriage ride 
through Mürren featuring Bond and Tracy. Rigg wears casual clothing for th ...
Bild: Felix Aeberli/StAAG

Diana Rigg, die im Film Teresa «Tracy» di Vincenzo spielt, mochte Lazenby nicht. Ihr offener Brief an Lazenby, der 1970 im «Daily Sketch» veröffentlicht wurde, sagt alles:

«Ich stimme zu, dass am Ende des Films die meisten Mitglieder der Crew feindselig waren, aber nur wegen Ihres extremen Verhaltens. Warum sonst hätte Ihr Garderobier gedroht, seine Kündigung einzureichen? Warum sonst hätten drei Chauffeure Sie innerhalb einer Woche verlassen? Warum sonst hat sich ein Mitglied der Einheit zurückgehalten, Sie nach einem unentschuldbaren und groben Ausbruch gegenüber einem der Mädchen im Film zu schlagen?»

Zigarettenpause auf der Sonnenterrasse

Filming break on the sun terrace in front of the Hotel Palace.
Bild: Felix Aeberli/StAAG

Rigg ist nicht die Einzige, die Lazenby nicht ausstehen kann. Er gilt als aussergewöhnlich anspruchsvoll und irritiert mit kulinarischen Sonderwünschen, etwa Filet Mignon zum Frühstück. «Die Rolle ist ihm zu Kopf gestiegen», sagt Ruedi Meyer, Direktor des Hotels Jungfrau. Set-Doktor Dr. Rolf Heimlinger, der von Lazenby oft um Rat gefragt wurde, sieht es differenzierter:

«Er war kein Angeber, sondern ein zutiefst verunsicherter Mensch. Er hatte zwar Manieren, aber keine Bildung. Das wurde bei anspruchsvolleren Tischgesprächen jedem klar.»

Wie wäre es, wenn eine Frau James Bond spielen würde?

Video: watson/Aya Baalbaki
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17 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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slnstrm
04.05.2025 20:21registriert August 2023
Damals, als James noch ein Weiberheld war. 🤗
355
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Zum Kommentar
avatar
001506.b818b2f8@apple
04.05.2025 20:19registriert Juli 2021
Lazenby hat den coolsten Spruch gebracht, nachdem Diana Rigg vor ihm davonrennt: "This never happened to the other guy". Bond ist für mich ein Leben lang eine amüsante Begleitung gewesen. Mal schauen, was wird. Sony hat es nicht hingekriegt...
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