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13. AHV-Rente: Die Initiative steht vor einem Start-Ziel

Kaum mehr zu bodigen: Die 13. AHV-Rente steht vor einem Start-Ziel-Sieg

Die Chancen für eine Aufstockung der Altersvorsorge stehen gut. Dabei hat die Stimmbevölkerung ein fast identisches Begehren vor sieben Jahren klar abgelehnt. Aus drei Gründen könnte das Ergebnis diesmal anders ausgehen.
11.01.2024, 05:55
Anna Wanner / ch media
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Starten siegessicher in den Abstimmungskampf: Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard flankiert von Grünen-Nationalrätin Leonore Porchet, Unia-Chefin Vania Alleva, SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer und Mi ...
Starten siegessicher in den Abstimmungskampf: Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard flankiert von Grünen-Nationalrätin Leonore Porchet, Unia-Chefin Vania Alleva, SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer und Mitte-Nationalrat Giorgio Fonio.

Die Gewerkschaften treten mit viel Rückenwind in den Abstimmungskampf. Aus der Mitte der Gesellschaft erhalte er Zuschriften von Pensionierten, die seit zwei Jahren den Gürtel immer enger schnallen müssen, sagt Gewerkschaftschef Pierre-Yves Maillard. «Das ist inakzeptabel.»

Tatsächlich verzeichnet die Initiative «für ein besseres Leben im Alter» hohe Popularität, die Prognosen sagten ihr im November eine Zustimmung von fast 70 Prozent voraus. Erfahrungsgemäss erodiert der Zauber einer Initiative bis zum Abstimmungstermin. Doch viel Zeit bleibt den Gegnern nicht. Die Chancen für ein Ja stehen gut.

Dass die 13. AHV-Rente auf Gegenliebe stösst, war bei der Lancierung im März 2020 alles andere als absehbar. Erst vor sieben Jahren lehnte die Bevölkerung die Initiative AHVplus klar ab: nur 41 Prozent stimmten dafür. Mit der Initiative wollten die Gewerkschaften die AHV-Renten um 10 Prozent erhöhen, leicht mehr als die aktuelle Vorlage, die 8.33 Prozent höhere Renten an alle AHV-Bezüger ausschütten will.

Doch seit September 2016 hat sich Massgebliches geändert. Erstens war das Timing für die AHVplus-Initiative schlecht, die AHV musste reformiert werden. Deshalb arbeitete das Parlament auf die Grossreform Altersreform 2020 hin. Bekanntlich scheiterte sie trotzdem, wenn auch knapp. Danach stand das Vorsorgewerk finanziell am Abgrund.

Das ist heute anders. 2019 befürwortete die Bevölkerung eine Zusatzfinanzierung von 2 Milliarden Franken über höhere Bundesbeiträge und höhere Lohnbeiträge. Mit der AHV21 stimmte die Bevölkerung dem Frauenalter 65 sowie einer höheren Mehrwertsteuer zu, welche ebenfalls zur Stabilisierung der AHV-Finanzen beiträgt. Wenn nun die Gewerkschaften nicht müde werden, zu wiederholen, die AHV werde in den nächsten Jahren «Überschüsse» produzieren, dann ist das alleine diesen Interventionen zu verdanken.

Das Argument, wir können uns eine 13. AHV-Rente leisten, stimmt nicht einmal kurzfristig, ab 2026 kippt das Umlageergebnis ins Negative. Entscheidend ist aber offenbar der erste Eindruck: dass Geld vorhanden ist.

Das hat direkt mit einer zweiten Entwicklung zu tun. Als die 13. AHV-Rente Anfang März 2020 lanciert wurde, war die Welt eine andere: Das Corona-Virus hatte die Schweiz noch nicht erreicht, in Europa herrschte Frieden und die Energieversorgung war dank günstigem russischem Gas und Öl gesichert.

Der Staat sprang in den Krisen immer wieder ein. Und wenn der Bund scheinbar mühelos 33 Milliarden Franken zur Bewältigung der Corona-Krise aufwenden kann, wenn er für die Stromwirtschaft, für die Unterstützung der Ukrainerinnen und Ukrainer sowie die Rettung der Credit Suisse weitere Milliarden bereitstellen kann, wieso genau soll es dann nicht möglich sein, 4 bis 5 Milliarden Franken pro Jahr für die Rentnerinnen und Rentner dieses Landes aufzuwerfen?

Natürlich floss weder an die CS noch an die Strombranche je Geld. Und es gibt viele vernünftige Argumente, die mühsam erkämpfte Stabilisierung der AHV-Finanzen nicht leichtfertig zu verspielen. Doch entscheidend ist der Eindruck: In Zeiten der geistigen Inflation scheint für alles Geld vorhanden zu sein - ausser für die normalen Bürger. Das vormals starke Argument der Finanzierung verlor eklatant an Wirkung.

Und da sind wir beim dritten Punkt: Der aktuelle Verlust der Kaufkraft macht einen Unterschied. So rechnet der Gewerkschaftsbund, dass die steigenden Mieten und Krankenkassenprämien sowie die Teuerung seit 2021 eine ganze Monatsrente weggefressen haben. Es sei darum nichts als fair, diese Einbussen auszugleichen.

Wenn Gewerkschaftsboss Maillard sagt, viele Menschen in der Schweiz hätten das Gefühl, der «Deal» gehe für sie nicht mehr auf, dann stimmt das. Genau dieses Gefühl macht es so schwer, die Initiative zu bekämpfen. Die grösste Chance der Bürgerlichen, den Sozialausbau zu verhindern, ist das Ständemehr: 2016 stimmten nur 5 Kantone Ja, 21 lehnten die Initiative ab. Doch ob das Kalkül auch dieses Mal aufgeht? Immerhin stimmte bereits 2016 jeder dritte SVP-Wähler dem AHV-Ausbau zu. Es ist wahrscheinlich, dass es heuer mehr sind. (aargauerzeitung.ch)

Wie die Parteianhängerinnen zur AHVplus-Initiative abgestimmt haben

Wie die Parteianhängerinnen zur AHVplus-Initiative abgestimmt haben
Ja- und Nein-Anteil nach Parteipräferenz, in Prozent
Befragt wurden 1001 Personen. Der Stichprobenfehler liegt je nach Partei zwischen +/- 5,2 und 13,6 Prozent.Bild: voto-analyse, grafik: trs/ch media
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316 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Wysel Gyr
11.01.2024 07:06registriert Oktober 2021
Warum nicht das Leben günstiger machen? Mietpreisstopp. Gesundheitssystemrevision. Parallelimporte. Und so weiter. Faire Steuern für Superreiche.
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Erwin71
11.01.2024 06:11registriert Juni 2019
Wer söll das bezahlen, wer hat so viel Geld??
Ach ja die Büetzer mit mehr AHV Abzüge, MWST erhöhung usw. Armer Mittelstand😭
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weah
11.01.2024 06:28registriert Dezember 2018
Rund 3/4 der Renter sind finanzielke zufrieden, mehr als die Hälfte baut im Ruhestand das Vermögen weiter aus. Da verstehe ich nicht, weshalb alle eine höhere Rente erhalten sollen.
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