Der Bundesrat nimmt die nächste AHV-Reform in Angriff, die AHV2030. Mit einem höheren Rentenalter plant er vorerst nicht. Mit mehr Einnahmen und Anreizen, länger zu arbeiten, will er die AHV im Jahrzehnt von 2030 bis 2040 im Gleichgewicht halten. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Auf die AHV kommen Ausgaben zu, die sie mit ihren heutigen Einnahmen nicht decken kann. Es gibt immer mehr ältere Menschen, und in den kommenden Jahren gehen auch die jüngsten Babyboomer in Pension. Zurzeit beziehen rund 2,5 Millionen Menschen eine AHV-Rente. 2030 dürften es 2,8 Millionen sein und im Jahr 2035 rund 3 Millionen. Gleichzeitig steigt die Zahl der Erwerbstätigen nur leicht. Jahrzehntelang hätten die geburtenstarken Jahrgänge mit ihren AHV-Beiträgen für die Sicherheit der Senioren gesorgt, bevor sie nun selbst ins Rentenalter kämen, sagte Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider am Donnerstag in Bern vor den Medien.
Ohne Gegenmassnahmen drohen Milliardendefizite: 2030 hätte die AHV nach aktuellen Schätzungen ein Umlagedefizit von rund 2,5 Milliarden Franken; 2040 wären es 5,7 Milliarden Franken. Mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen Finanzierung der 13. AHV-Rente betrüge das Defizit 2030 500 Millionen und 2040 4 Milliarden Franken. Die Finanzierung des «Dreizehnten» ist aber noch nicht beschlossen. Die Vorschläge des Bundesrates dazu sind umstritten. Weitere Kosten könnten mit einer Abschaffung der AHV-Heiratsstrafe entstehen, und Einfluss auf die Finanzen hat auch die Reform der Hinterlassenenrenten.
Nein. Ein höheres Renten-Referenzalter ist für den Bundesrat aktuell keine Option. Er begründet das mit dem Nein zum höheren Rentenalter im März 2024. Die Stimmenden lehnten damals die Renteninitiative ab, die zunächst das Rentenalter 66 und danach eine Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung forderte. Ein höheres Rentenalter bräuchte zudem eine lange Übergangszeit mit Kompensation, argumentiert der Bundesrat. Die AHV bekäme deshalb nicht schnell genug mehr Geld, um die Pensionierung der Babyboomer zu stemmen. In der nächsten Reform will der Bundesrat die Rentenalter-Frage erneut prüfen.
Die Einnahmen der AHV will der Bundesrat über die aktuellen Finanzierungsquellen erhöhen, allenfalls auch vorübergehend, um die Pensionierung der Babyboomer aufzufangen. Dabei wird an die Lohnbeiträge und die Mehrwertsteuer gedacht. Die AHV wird zurzeit zu 72 Prozent aus Lohnbeiträgen finanziert. Dazu kommen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer und ein Beitrag des Bundes – dieser wird aus der Bundeskasse sowie mit Einnahmen aus Tabak- und Alkoholsteuern finanziert.
Auch die Spielbankenabgabe geht an die AHV. Angedacht ist zudem ein Interventionsmechanismus. Dieser könnte eingreifen, wenn die Finanzen der AHV sich verschlechtern und politische Entscheide nicht rechtzeitig vorliegen. Ans Parlament richtete Baume-Schneider die Aufforderung, die Finanzierung der 13. AHV-Rente rasch zu klären und dafür zu sorgen, dass mit der neuen Reform nicht allzu grosse finanzielle Lücken gestopft werden müssten.
Verzichten will die Landesregierung vorderhand auf Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer für die AHV sowie auf eine Erbschaftssteuer und eine Immobiliensteuer. Die Reform müsse rasch kommen, sagte Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider dazu. Deshalb bevorzuge der Bundesrat die bekannten Instrumente. Fragen nach neuen Geldquellen wolle er sich später stellen.
Ja, aber sie könnten weniger attraktiv werden. Ein wichtiges, aber nicht das einzige Instrument dafür seien weniger günstige finanzielle Bedingungen bei einem Vorbezug der Rente, sagte Stéphane Rossini, Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV). Zudem will der Bundesrat Rentnerinnen und Rentner zur Weiterarbeit motivieren, indem das Höchstalter 70 gestrichen und der AHV-Freibetrag für erwerbstätige Pensionierte erhöht wird. Heute sind Frühpensionierungen ab 63 Jahren – für einige Frauen ab 62 Jahren – möglich. Der Rentenbezug kann bis zum 70. Geburtstag aufgeschoben werden.
Der Bundesrat denkt auch an Anpassungen an den gesellschaftlichen Wandel. Hier nennt er individuell angerechnete Erziehungs- und Betreuungsgutschriften. Über Möglichkeiten für eine vom Zivilstand unabhängige Altersvorsorge will er hingegen erst mit einer nächsten Reform diskutieren – anhand von dokumentierten Daten. Die Mitte verlangt mit einer Volksinitiative die Abschaffung der Heiratsstrafe bei der AHV. Verheiratete Pensionierte erhalten aus der ersten Säule aktuell nicht zwei Renten, sondern höchstens 150 Prozent der Maximalrente. Das sind derzeit 3780 Franken.
Die SP bedauert, dass alternative Finanzierungsmodelle wie eine Finanztransaktions- oder eine Erbschaftssteuer nicht geprüft worden sind. Für eine Finanztransaktionssteuer – neben höheren Lohnbeiträgen – wären auch die Grünen, und auch die Mitte fordert, dieses Instrument und andere Finanzierungsquellen zu prüfen. In den Worten der FDP setzt der Bundesrat mit der Finanzierung über Lohnbeiträge und Mehrwertsteuer auf den «einfachsten und zugleich schädlichsten Weg». Dieser verteuere die Löhne und den täglichen Einkauf. Arbeitgeber- und Gewerbeverband halten ein höheres AHV-Rentenalter für unabdingbar. Für den Gewerkschaftsbund ist eine Rentenalter-Erhöhung vom Tisch.
Bis im Herbst will der Bundesrat die Stossrichtungen für die nächste AHV-Reform prüfen und danach Leitlinien für die Reform vorstellen. Anfang 2026 soll die Vernehmlassung beginnen. Das Parlament hat die Vorlage für die Reform AHV2030 bis Ende 2026 angefordert.
Die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) gibt es seit 1948. Die letzte grössere Reform gelang im September 2022, als das Stimmvolk der Erhöhung des Frauen-Rentenalters von 64 auf 65 Jahre zustimmte und zugleich einer Erhöhung der Mehrwertsteuer für die AHV. Der letzte grosse Wurf davor war 1997 die zehnte AHV-Revision. Damals wurde unter anderem das Frauenrentenalter von 62 auf 64 Jahre erhöht, und es wurden Erziehungs- und Betreuungsgutschriften eingeführt. Im März 2024 stimmten Volk und Stände der 13. AHV-Rente zu. Ausbezahlt wird diese zum ersten Mal im Dezember 2026. (rbu/sda)
Langsam kennen wir dieses Lied und begründet wirds damit, dass sonst die Reichen abwandern oder die Wirtschaft zu Grunde geht. Ist doch langsam ein altes Lied. Ein bisschen mehr Unterstützung & Entlastung für den Mittelstand wäre wünschenswert!
Da käme insgesamt schon etwas zusammen.