Im November 2023 rutschte Patrick Hässig (46) für die GLP in den Nationalrat nach. Er beerbte die frisch gewählte Ständerätin Tiana Moser. Kaum eineinhalb Jahre im Amt, verantwortet der Zürcher die zwei wichtigen Dossiers der Sozial- und Gesundheitspolitik. Bei der AHV stehen in diesem Jahr wichtige Weichenstellungen an: Sollen Ehepaare mehr Rente erhalten als bisher? Und wie finanzieren wir die Rentenlücke in der AHV, die in den nächsten fünfzehn Jahren wächst?
Das Seilziehen um die Sicherung der AHV-Renten startet bald, wenn Elisabeth Baume-Schneider die Eckwerte der neuen Reform präsentiert. Es geht um mehrere Milliarden Franken, die das Sozialwerk in den nächsten Jahren braucht. Das bedeutet: Die Entscheide werden weitreichende Folgen haben. Wo also positioniert sich die GLP?
Wir treffen Hässig gut gelaunt zwischen verschiedenen Terminen am Zürcher Hauptbahnhof zum Gespräch.
Herr Hässig, die Alterung der Schweizer Bevölkerung schreitet fort. Die AHV benötigt schnell viel Geld. Sind wir heute dafür gut aufgestellt?
Patrick Hässig: Wenn ich sehe, wie stark die Geburten zurückgehen, stimmt mich das eher pessimistisch. Uns fehlt der Nachwuchs, der die Renten der Zukunft finanziert. Wir tun darum gut daran, die Familien zu stärken. Beispielsweise, indem wir die Familiengründungen begünstigen. Leider passiert aktuell das Gegenteil.
Wie meinen Sie das?
Die AHV soll auf Kosten der Jungen, der Familien, ausgebaut werden. Damit müssen wir aufhören. Doch die selbst ernannte Familienpartei Mitte tut genau das: Mit ihrer Initiative zur Aufhebung des Ehepaarplafonds zieht sie den Familien letztlich das Geld aus der Tasche.
Die Initiative will eine Ungerechtigkeit auflösen. Bei der Auszahlung der Altersrenten sind Ehepaare durch den Plafond benachteiligt. Sie erhalten zusammen eine halbe Rente weniger als unverheiratete Paare, die zwei volle Renten kassieren. Wieso soll dieser Nachteil nicht endlich behoben werden?
Es stimmt nicht, dass die Ehepaare in der AHV benachteiligt sind. Verheiratete profitieren von Hinterlassenenrenten, dem Verwitwetenzuschlag, der Befreiung der AHV-Beitragspflicht von nicht erwerbstätigen Ehepartnern sowie dem Ehegattensplitting. Unter dem Strich leben die Ehepaare mit diesen Vorteilen besser als Nichtverheiratete.
Auch die GLP verlangt, dass der Staat nicht beeinflussen soll, wie die Menschen zu leben haben. Gehören die Privilegien für den einen oder anderen Lebensentwurf nicht abgeschafft?
Bis auf das Ehegattensplitting, das für die Absicherung von Frauen entscheidend ist, können wir darüber diskutieren. Die GLP lehnt aber eine umfassende Abschaffung des Ehepaarplafonds ab. Das kostet die erwerbstätige Bevölkerung zu viel: Auf einen Klapf müsste die junge Generation weitere 3,8 Milliarden Franken zusätzlich zahlen. Und das für Pensionierte, die grösstenteils gut situiert sind. Wenn der Plafond weg soll, dann stufenweise – und nur für Neurentner.
Die Aufhebung des Ehepaarplafonds ist noch nicht entschieden – im Gegensatz zur 13. AHV-Rente. Auch dort peilt das Parlament eine Finanzierung über die Lohnkosten an.
Leider. Es ist ein grosser Fehler. Wir können die Finanzierung von zusätzlich 5 Milliarden Franken nicht allein den jüngeren Generationen überlassen. Die Generationengerechtigkeit kommt komplett aus der Balance. Künftig legen nicht mehr die Grosseltern den Enkeln an Weihnachten ein Fünfzigernötli unter den Baum. Neu müssten die Enkel Hunderte von Franken an die Grosseltern abgeben. Diese Entwicklung sollten wir stoppen.
Was wäre denn eine faire Finanzierung?
Wie es der Bundesrat vorgeschlagen hat: über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Dadurch zahlen auch die Älteren ihren Beitrag an den Rentenausbau.
Wegen der alternden Bevölkerung braucht die AHV aber sowieso schnell mehr Geld. In den nächsten fünf Jahren wachsen die Ausgaben um 10 Milliarden auf 63 Milliarden, bis 2035 sind es 72 Milliarden. Woher kommt das Geld für die nächste AHV-Reform?
Rentensenkungen sind problematisch. Also brauchen wir zusätzliche Einnahmen. Wir wehren uns aber auch hier gegen eine Mehrbelastung der Löhne. Eine vorübergehende leichte Erhöhung der Vermögenssteuer ist eine Option. Persönlich unterstütze ich auch eine moderate Erbschaftssteuer. Das diskutieren wir noch in der Fraktion.
Anstatt die Steuern zu erhöhen, könnte auch das Pensionsalter erhöht werden.
Ich bevorzuge die Flexibilisierung des Rentenalters. Nicht alle können mit 65 noch ihrer angestammten Arbeit nachgehen. Gleichzeitig arbeiten andere gerne bis 70 – oder länger. Hier brauchen wir Lösungen, die auf die individuellen Bedürfnisse eingehen.
Das Problem ist allerdings, dass die meisten Menschen nicht freiwillig länger arbeiten, aber immer länger leben.
Ja, das ist ja erst mal auch schön. Ich bin froh, geht es vielen älteren Menschen heute so gut! Wir haben die Flexibilisierung des Rentenalters erst neu eingeführt. Falls diese keine Anreize schafft für längeres Arbeiten, können wir wieder diskutieren – etwa über eine Lebensarbeitszeit. Das heisst, wer früh ins Erwerbsleben einsteigt, wird auch früher pensioniert.
Die GLP wehrt sich bei der AHV gegen die Erhöhung von Lohnbeiträgen, bei anderen Sozialleistungen scheint das kein Problem zu sein: Die Einführung einer paritätischen Elternzeit von je 18 Wochen über die Familienzeit-Initiative kostet rund 1 Milliarde Franken pro Jahr, der Gegenvorschlag zur Kita-Initiative nochmals 450 Millionen. Beides sollen Erwerbstätige bezahlen. Wie geht das auf?
Der grosse Unterschied ist: Jene, die bezahlen, profitieren auch. Wenn Erwerbstätige einen Beitrag zahlen, erhalten sie eine Leistung, wenn sie Eltern werden. Arbeitgeber profitieren von höheren Arbeitspensen ihrer Mitarbeitenden und von tieferer Fluktuation. Weil es um die Zukunft geht, leiste auch ich als kinderloser Mann gerne meinen Beitrag. Das Geld ist dort gut investiert: Wenn Eltern mehr arbeiten, kommt mir das dank höherer Steuereinnahmen auch als Bürger zugute.
Durch die zusätzlichen AHV Zuschläge verstärkt sich das Problem zwar, aber dies ist nicht die Ursache.
Ursache sind die explodierenden Mieten und Gesundheitskosten. Eventuell sollte man diese Punkte direkt angehen. Dann liegt auch eine vernünftige AHV drin.