Schweiz
AHV

Dieser Aargauer führt eine Residenz in Thailand – und sagt «Ja» zur 13.

Hans-Jörg Jäger, 66, mit seiner Frau Lanee, 57, in Thailand: Beide befürworten eine 13. AHV-Rente.
Hans-Jörg Jäger, 66, mit seiner Frau Lanee, 57, in Thailand: Beide befürworten eine 13. AHV-Rente.Bild: zvg

Dieser Aargauer führt eine Seniorenresidenz in Thailand – und sagt «Ja» zur 13. AHV-Rente

Der Aargauer Hans-Jörg Jäger lebt seit dreizehn Jahren in Thailand – und bezieht eine AHV-Rente. Er findet: Das Bild der pensionierten Schweizer, die es sich im Ausland gut gehen lassen, entspricht nicht der Realität. Aus seiner Sicht wäre eine 13. Rente kein Geschenk, sondern eine Entlastung.
21.02.2024, 08:5321.02.2024, 12:46
Matthias Niederberger / ch media
Mehr «Schweiz»

Vor mehr als fünfzig Jahren schrieb der Tessiner Autor Plinio Martini ein bekanntes Buch über arme Menschen aus dem Val Bavona, die nach Amerika auswandern mussten, weil sie von ihrem Verdienst in der Schweiz nicht leben konnten. Bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg flüchteten verarmte Tessinerinnen und Tessiner ins Ausland, wie sie es in «Nicht Anfang und nicht Ende» tun. Im abgeschiedenen Bavonatal waren es vor allem junge Leute, die gingen.

Heute sind es alte Menschen, denen das Geld nicht mehr reicht und die deshalb das Land verlassen müssen. Zumindest, wenn man Hans-Jörg Jäger glaubt. Der gebürtige Aargauer aus Veltheim ist vor dreizehn Jahren nach Thailand ausgewandert und hat dort mit seiner Frau Lanee «eine Seniorenresidenz aus dem Boden eines Reisfelds gestampft», wie er am Telefon sagt.

Jäger, mittlerweile 66 Jahre alt und selbst AHV-Bezüger, beherbergt in seiner Residenz zwölf Dauergäste, viele zwischen 75 und 85 Jahre alt, die Hälfte Frauen. Die meisten kommen aus der Schweiz. Mit ihnen tauscht er sich regelmässig aus. In letzter Zeit ist die Einführung einer 13. AHV-Rente, über welche die Schweiz am 3. März abstimmt, das grosse Thema. Jäger sagt:

«Für meine Frau und mich ist der Fall klar: Wir stimmen Ja.»

Die Aussagen der SVP tun ihm weh

Seit einigen Wochen dreht sich die Abstimmungsdebatte vermehrt um Schweizerinnen und Schweizer, die es sich im günstigeren Ausland – Thailand ist das Lieblingsbeispiel vieler – mit einer 13. AHV-Rente gut gehen lassen würden. Die SVP spricht von einem «Milliardengeschenk an die Rentner im Ausland».

Wenn er so etwas höre, tue ihm das weh, sagt Hans-Jörg Jäger. Er sagt:

«Wer so spricht, hat keine Ahnung, wie es vielen Rentnern im Ausland wirklich geht.»

Und vor allem wüssten die Absender solcher Botschaften nicht, weshalb diese Leute überhaupt die Schweiz verlassen haben.

Seiner Erfahrung nach ist nämlich die Hälfte der Schweizer Rentner nach Thailand ausgewandert, weil sie dazu gezwungen waren. «Eine AHV-Rente von weniger als 2000 Franken reicht in der Schweiz einfach nicht, um über die Runden zu kommen. Auch nicht mit Ergänzungsleistungen.»

Ein Gast will endlich wieder einmal die Familie sehen

Er selbst sei nicht auf eine 13. AHV-Rente angewiesen, sagt Jäger, der in der Schweiz als Selbstständiger für die Firma seines Bruders gearbeitet hatte. Dennoch wäre ihm der Zustupf willkommen, da er sein Pensionskassengeld auszahlen liess, um die Altersresidenz in Thailand aufzubauen.

Wenn Jäger mit seinen Gästen spricht, die in seiner Residenz für 1400 Franken pro Monat Verpflegung und Unterkunft bekommen, klingt es dramatischer: «Eine Frau sagte mir, wenn sie eine 13. AHV-Rente erhalte, könne sie endlich wieder einmal in die Schweiz fliegen und ihre Familie sehen», erklärt Jäger am Telefon. Ein anderer Gast habe versichert, dass er sich sofort eine Krankenkasse suchen würde. In Thailand ist sie nicht obligatorisch. Viele seiner Gäste seien ehemalige Selbstständige, sagt Jäger. Sie hätten keine Pensionskasse, lebten einzig von der AHV-Rente.

Kritisiert werden auch immer wieder die Kinderrenten. Jägers Kinder sind alle längst erwachsen, die gemeinsame Tochter mit Ehefrau Lanee lebt im Aargau. Die Diskussion geht seiner Meinung nach in die falsche Richtung. Zwar geht ein Viertel der AHV-Kinderrenten ins Ausland, von sogenannten «Goldjungen», wie der Blick angesichts der tiefen Lebenshaltungskosten schreibt, könne jedoch nicht die Rede sein: «Mit dem Geld können Kinder hier eine gute Schule besuchen.»

Die Residenz befindet sich in Thailands Armenhaus

Thailand sei nicht so günstig, wie sich manche in der Schweiz vielleicht vorstellen würden, sagt Jäger. Wer wie viele Schweizer hier nur von der AHV-Rente lebe, führe kein Fürstenleben. Im Gegenteil:

«Mit 2000 Franken kommt man in Thailand gerade so über die Runden.»

Für viele Rentnerinnen und Rentner sei die finanzielle Not der Hauptgrund, weshalb sie nach Thailand ausgewandert seien. Das milde Klima und die Gastfreundschaft sind laut Jäger zwar auch wichtig, aber nicht der Anlass, weshalb viele die Schweiz endgültig verlassen.

Isaan, die Region, in der Jäger mit seiner Frau lebt, gilt als Thailands Armenhaus. Sie liegt 500 Kilometer von Bangkok entfernt. Hierher kommt nicht, wer viel verdienen will. Hierher kommt, wer es sich andernorts nicht leisten kann.

the Sala Kaew Ku Sculpture Park near the town of Nong Khai in Isan in north east Thailand on the Border to Laos xkwx asia, southeastasia, thailand, north east thailand, northeast thailand, isan, mekon ...
Sala Kaew Ku Skulptur in Isaan, Thailand.Bild: www.imago-images.de
aerial photography Pha Taem national park along the Mekong river in Ubon Ratchathani province of Isan Thailand. xkwx Art, Color, Painting, aerial, ancient, asia, cave, cliff, cloud, deep, drone, east, ...
Der Pha Taem Nationalpark, Isaan, Thailand.Bild: www.imago-images.de

In Plinio Martinis Roman kehrten einige Auswanderer später in die Schweiz zurück, um dort ihren Lebensabend zu verbringen. Für die meisten Rentnerinnen und Rentner in Thailand dürfte das keine Option sein. Auch nicht mit einer 13. AHV-Rente.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
192 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Jigefe
21.02.2024 09:29registriert Juni 2023
«Mit 2000 Franken kommt man in Thailand gerade so über die Runden.»

Durchschnittslohn Thailand: um die 450CHF
Joa, so kann man "über die Runden kommen" auch beschreiben, wenn man den vierfachen Betrag zur Verfügung hat.
21260
Melden
Zum Kommentar
avatar
Said
21.02.2024 09:12registriert Januar 2020
...Dennoch wäre ihm der Zustupf willkommen, da er sein Pensionskassengeld auszahlen liess, um die Altersresidenz in Thailand aufzubauen...

...Viele seiner Gäste seien ehemalige Selbstständige, sagt Jäger. Sie hätten keine Pensionskasse, lebten einzig von der AHV-Rente...

Nicht vorgesorgt oder die PK zweckentfremdet und jetzt soll die Allgemeinheit dies korrigieren.
223104
Melden
Zum Kommentar
avatar
Timbooked2
21.02.2024 09:26registriert November 2014
Thailand habe ich mehrfach bereist. Es fällt mir schwer zu glauben, dass man mit 2‘000 Franken kaum über die Runden kommt, zumal diese Residenz wohl weit ausserhalb von Touristenregionen liegen soll. Das Durchschnittsgehalt liegt um die 500 Dollar monatlich.

Wer mit seiner Altersvorsorge ein Business finanziert oder als Selbstständiger erst gar nicht privat vorsorgt, hat ganz einfach andere Prioritäten gesetzt.

Denjenigen rumd 15% der Rentner, die es wirklich brauchen, soll umso mehr geholfen werden mit ausreichenden (und höheren) Ergänzungsleistungen.
14337
Melden
Zum Kommentar
192
Bund schlägt Alarm: Immer mehr Cyberkriminelle greifen zunächst per Telefon an
Alle achteinhalb Minuten wird laut dem Bundesamt für Cybersicherheit ein Vorfall gemeldet. Häufig würden Opfer zunächst angerufen.

Die Cyberbedrohungen nehmen in der Schweiz deutlich zu, wie das Bundesamt für Cybersicherheit (BACS) am Donnerstag informierte. Durchschnittlich sei bis Ende Oktober 2024 alle achteinhalb Minuten eine Meldung zu einem Cybervorfall eingegangen.

Zur Story