Schweiz
AHV

Er hat selbst 5000 Franken Rente und ist gegen die 13. AHV-Rente

Ernst, Rentner, ist gegen die 13. AHV-Rente.
Gewährt einen Einblick in seine Rentensituation: Ernst bei sich Zuhause im Kanton Bern.Bild: watson

«Ich würde mehr von der 13. AHV-Rente profitieren als jemand, der es wirklich braucht»

Ernst hat über 50 Jahre im selben Betrieb gearbeitet. Dadurch konnte er sich eine Rente von über 5000 Franken aufbauen. Er findet, von der 13. AHV-Rente würden die Falschen profitieren.
01.02.2024, 05:0031.01.2024, 16:25
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Einfamilienhäuser und kleine Gartenzäune prägen das Dorfbild dieser Gemeinde, die keine 20 Minuten von Bern entfernt liegt. Hier lebt Ernst seit seiner Kindheit im Haus seiner Eltern.

Dass er nie woanders gewohnt hat, ist ihm fast ein bisschen peinlich. Auch als er von seinem Berufsleben erzählt, ist es ihm wichtig zu erwähnen, dass er andere Träume hatte, als 51 Jahre im selben Betrieb zu arbeiten. Von der Lehre bis zur Pensionierung.

«Fluchtversuche», nennt er diese Momente, in denen er ausbrechen wollte. Und es doch nie gemacht hat. Sein Leben war geprägt von der Suche nach Sicherheit: in der Familie, im Job und vor allem in den Finanzen. «Spare in der Zeit, dann hast du in der Not», sagt Ernst, während er den Hühnern in seinem Garten zuschaut, wie sie gierig nach den ausgestreuten Körnern picken. Diesen Satz habe ihm schon seine Mutter eingetrichtert.

Sein Werdegang

Ernst begann Anfang der 70er-Jahre seine Lehre als Mechaniker und schloss sie erfolgreich ab. Sein erstes Gehalt betrug danach 1820 Franken pro Monat. Viel Geld habe er sowieso nie gebraucht, weil «spare in der Zeit…». Schon kurz nach der Lehre versuchte er einen «Fluchtversuch», inspiriert von einem Freund mit einem aufregenden Job. Dieser fuhr Ware von Deutschland in den Nahen Osten. Ernst begleitete ihn auf eine seiner Reisen in den Iran. «Das war für mich der erste Einblick in eine fremde Welt. Und alles daran faszinierte mich», sagt Ernst.

Trotz beruflichem Fernweh entschied er sich aber, seinem Arbeitgeber treu zu bleiben, der ihm eine Weiterbildung zum Werkstattchef anbot. «Ich war hin- und hergerissen, doch meine Eltern fanden es eine grosse Chance. Also sagte ich zu.» Fluchtversuch gescheitert. Knapp zehn Jahre später wurde Ernst endlich zum Werkstattchef befördert. Damals, 1986, war er bereits mit seiner Frau Elisabet zusammen. Gemeinsam wollten sie in ein Haus ziehen, doch das Schicksal hatte anderes mit ihnen vor.

Seine Mutter litt an Alzheimer und bei seinem Bruder wurde eine Form von Lateral-Sklerose diagnostiziert. Das Paar entschied sich deshalb, das Elternhaus für die Gründung einer Familie umzubauen und zu vergrössern. Nach dem Tod der erkrankten Familienmitglieder und der Geburt seines ersten Kindes ging es nicht lange, da war die Familie zu fünft. Da war es vorbei mit den «Fluchtversuchen». Ernst konzentrierte sich auf die Sicherheit seiner Familie, auch als seine Firma 1997 fusionierte und er wegen der Umstrukturierung in der Firma für kurze Zeit seine Position ändern musste.

Es dauerte jedoch kein Jahr, bis er eine Beförderung erhielt und dann sogar als Leiter Produktion amtete. Er behielt diese Position bis zur vorzeitigen Pensionierung kurz vor seinem 63. Geburtstag. Nach einer 5-monatigen Pause in der Pensionierung wurde er vom neuen Geschäftsführer zurückgeholt und als Support angestellt und hat weiter über seinen 66. Geburtstag gearbeitet. Dank diesen 51 Jahren im selben Betrieb – trotz allen Höhen und Tiefen – konnte er sich eine gute Rente aufbauen.

So viel Rente hat er

Zusammen mit seiner Frau erhält Ernst eine AHV-Maximalrente von 3'675 Franken pro Monat. Da die Kosten über ihn laufen, rechnet er 1894 Franken für sich, und 1781 für seine Frau. Sie gibt ihm von ihrer AHV-Rente zudem 900 Franken ab, um die laufenden Rechnungen zu bezahlen.

Aus seiner Pensionskasse erhält er eine Teilrente von 1700 Franken. Der andere Teil bezog er als Kapital, um es als Darlehen einer Tochter weiterzugeben, damit diese sich mit ihrem Ehemann im Nachbardorf Wohneigentum kaufen konnten.

Budget des Rentners Ernst.
5344 Franken: Diese Rente konnten sich Ernst und seine Frau aufbauen. Bild: watson

Zu seiner Rente zählt Ernst auch die Miete für die 2-Zimmer-Wohnung im vorderen Teil des Hauses von monatlich 650 Franken. Bis vor Kurzem lebte darin ein ukrainisches Ehepaar, welches nun wieder zurück in die Heimat gereist sei. Nun wohnt eine Rentnerin darin. Zuletzt zählt er zu seiner Rente auch einen variierenden Betrag von rund 100 Franken, den er als Beistand von vier im Kanton Bern wohnhaften Pensionierten erhält. Insgesamt kommt er so auf eine monatliche Rente von 5344 Franken.

Nicht eingerechnet in seine Rente ist das Vermögen, das er in der 3. Säule aufbauen konnte (etwa 120’000 Franken) und das Geld, welches er auf seinem Sparkonto hat. Ernst hielt sich stets daran, in der Zeit zu sparen – in Not kam er zum Glück nie.

Warum er gegen die 13. AHV-Rente ist

Eine 13. AHV-Rente brauche er nicht. Und wie steht er zur Vorlage? «Ich war zuerst hin- und hergerissen, weil es wirklich Pensionierte gibt, die dringend mehr Rente brauchen. Ich sehe, das bei den vier Personen, denen ich als Beistand helfe. Drei davon erhalten Ergänzungsleistungen und haben nur wenig Geld zur Verfügung», sagt Ernst.

Doch bei diesen Personen würde eine 13. AHV-Rente monatlich etwas über 100 Franken mehr auf dem Konto bedeuten, was «den Braten auch nicht fett mache». Er sagt: «Ich würde mehr von der 13. AHV-Rente profitieren als jemand, der es wirklich braucht.» Ernst plädiert deshalb dafür, die Ergänzungsleistungen für Betroffene auszubauen und die Antragsstellung zu vereinfachen.

Für ihn ist die 13. AHV-Rente der falsche Lösungsansatz. Sorgen bereite ihm auch, dass diese Rente durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer oder durch höhere Lohnbeiträge finanziert werden soll. «Auch wenn Gutverdienende mehr in die AHV einzahlen, würde es den Mittelstand stark treffen», sagt Ernst. Dann könne bald niemand mehr «in der Zeit sparen, damit sie in der Not hätten».

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849 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Garp
01.02.2024 06:11registriert August 2018
Ihr macht ja ganz schön mobil gegen die 13. AHV Rente.
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uicked
01.02.2024 06:10registriert Oktober 2017
Also denen die zu Wenig haben nichts geben, weil die, die zu Viel haben zu stark profitieren würden?
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Sacha B.
01.02.2024 06:08registriert Juni 2020
So so, weil ein paar "Falsche" profitieren sollen alle anderen leer ausgehen? Bei allen anderen Steuersenkungen profitieren auch NUR die die es nicht nötig haben und alle finden das OK!
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